Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brennende Bagger in München: Feuriger Protest gegen Gentrifizierung
> Bagger und Maklerautos brennen – in München. Der bayerische
> Verfassungsschutz geht von politisch motivierter Gewalt aus.
Bild: Die Münchener Feuerwehr löscht den Brand eines Kettenbaggers – von Li…
München taz | Von dem Caterpillar-Bagger am Münchner Viehhof ist nicht viel
geblieben. Schwarz verrußt steht die große Maschine noch an der Baugrube,
wo sie in der vergangenen Woche nachts abgebrannt ist. Bis 2021 soll hier
im Schlachthofviertel der Neubau des Münchner Volkstheaters fertig sein,
geplant sind auch 450 neue Wohnungen. Die Polizei geht von Brandstiftung
aus, 100.000 Euro Totalschaden. „Der Baggerführer hat geweint, als er das
Wrack sah“, zitiert die Münchner Abendzeitung den Abbruchunternehmer.
Der Viehhof, wo schon seit zwölf Jahren kein Vieh mehr verkauft wird, ist
derzeit ein Ort der Zwischennutzung für Kultur und Subkultur – ein Club hat
sich angesiedelt, im Sommer gab es Open-Air-Kino, Sprayer können sich an
den Fassaden austoben. Gut möglich, dass mit dem Anzünden des Baggers gegen
die neue geplante Nutzung des Areals protestiert wird.
Die Aktion passt jedenfalls in eine Serie von Brandanschlägen und
Sachbeschädigungen der vergangenen Jahre, die seit Mitte 2017 deutlich an
Fahrt aufgenommen hat. Stets richtete es sich gegen Vertreter der Makler-,
Immobilien- und Baubranche – also gegen jene, die verantwortlich gemacht
werden für die Gentrifizierung an der Isar, die gigantischen
Wohnungspreise, die Vertreibung der alteingesessenen und
einkommensschwachen Bevölkerung aus der Stadt.
Über die Motivation der Täter hält sich die Polizei bedeckt. Ein Sprecher
des bayerischen Verfassungsschutzes aber ist viel offener und antwortet auf
die Frage der taz, ob sich eine linksextremistische Gewaltserie erkennen
lässt: „Ja, das kann man schon sagen.“ Vertreter der Immobilienbranche
seien Feindbilder und Ziele von Agitation, Sachbeschädigung und Attacken.
„Das Motto lautet: Stopp Gentrifizierung“, so der Verfassungsschützer.
## München hat bislang eher ein schläfrig-saturiertes Image
Nun ist München mit seinem eher schläfrig-saturierten Image nicht dafür
bekannt, eine größere gewaltbereite, links-autonome Szene zu besitzen – im
Gegensatz zu Berlin oder Hamburg. Doch schon im April 2014 wurden zwei
Autos von Immobilienmaklern angezündet und brannten ab. Im vergangenen Jahr
demolierten Unbekannte mit Steinwürfen das Büro eines Bauträgers gleich
zweimal, auch wurde der Smart eines Maklers in Schwabing abgefackelt.
Seit dem neuen Jahr geht die Taktung viel schneller: Am 2. und 7. Januar
brannten Fahrzeuge von Baufirmen in der Au und in Giesing, gleich darauf
gingen vier große Müllcontainer in Flammen auf. Und nun der Bagger.
Politisch motivierte Gewalt und Vandalismus scheinen da einherzugehen.
Ein politisches Motiv lässt sich aber beim Viehhof nur schwerlich erkennen
– das Volkstheater ist eine städtische Bühne, und die neuen Wohnungen
werden allesamt von der Stadt selbst errichtet und sollen gerade keine
unbezahlbaren Behausungen darstellen. Ganz im Gegensatz zu
Luxusbauprojekten wie etwa der Erhardtstraße 10 direkt an der Isar, die in
München zu vielfacher, aber wirkungsloser Kritik führen.
## Täter bislang unbekannt
Das einstige Nachkriegsgebäude war von einer Immobilienfirma aufgekauft
worden und die verbliebenen Mieter wurden herausgetrieben. Der Neubau soll
laut Werbung ein „qualitativ äußerst hochwertiges Ensemble“ darstellen,
eine Zweizimmerwohnung gibt es ab 840.000 Euro, vier Zimmer liegen bei
Minimum 1,68 Millionen. Objekte dieser Art entstanden und entstehen in
München zu vielen Dutzenden und immer nach demselben Muster.
Täter der Brandserie wurden bisher nicht ermittelt. Der Verfassungsschutz
geht davon aus, dass sich die Szene „weiter in diesem Themenfeld aktiv
zeigen wird“.
4 Feb 2018
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Bayern
Immobilienbranche
Brandanschlag
München
Gentrifizierung
Linksextremismus
Immobilienmarkt
Immobilienmarkt
Andrea Nahles
München
Usedom
Bebauung
Rotterdam
Kotti und Co
## ARTIKEL ZUM THEMA
Andrea Nahles auf Sommertour: Der Gentrifizierung auf der Spur
Die SPD-Chefin schaut sich an, wie Gentrifizierung für die Betroffenen
aussieht. Sie sieht: Der Widerstand gegen Luxussanierung ist schwierig.
Zweite S-Bahn-Stammstrecke in München: Der Trend geht zum Zweittunnel
Der Bau hat längst begonnen. Trotzdem versuchen Hauseigentümer weiterhin,
ein S-Bahn-Milliardenprojekt gerichtlich zu verhindern.
Sprengstoff-Attacke in Zinnowitz: Döner for none
Handelt es sich beim Angriff auf einen Imbiss in Zinnowitz um eine
rassistisch motivierte Tat? Nein, es war Restaurantkritik, sagt die
Polizei.
Gentrifizierung: Kampf um den Pappelpark
Die Freireligiöse Gemeinde braucht Geld, denn sie kämpft ums Überleben.
Darum will sie einen Teil ihres Friedhofs bebauen. Es formiert sich
Widerstand.
Entwicklung des Rotterdamer Hafens: Die Zukunft schwimmender Inseln
Der Rijnhafen wird zu einem Experimentierfeld nachhaltigen Bauens. Statt
Containerschiffen gibt es hier bald ein grünes Archipel.
Kommentar Protest gegen Gentrifizierung: Das neue Berliner Mieteinander
Initiativen von Mietern wie Kotti & Co kämpfen gegen immer dreister
auftretende Investoren. Doch auf wessen Seite steht eigentlich die Politik?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.