# taz.de -- Festival „Futur|isms“: Vogueing im Weltraum | |
> „Futur|isms“ heißt ein kleines Festival für Performance-Kunst in Hambur… | |
> Dabei geht es um Utopien – aber nicht ohne (subkulturellen) | |
> Geschichtsunterricht. | |
Bild: Wer vom Futur|ismus redet, wird von Science Fiction kaum schweigen: „Ta… | |
Madonna war’s: Ihre Single [1][„Vogue“, erschienen 1990,] habe aus dem | |
„Vogueing“ einen „relevanten internationalen Tanz gemacht“, das behaupt… | |
Ende 2017 noch (oder wieder) irgendein Youtube-Nutzer. Daran ist, klar, so | |
einiges ärgerlich, aber wohl wahr: Dass es zur „Relevanz“ etwa erst einer | |
mainstreamtauglichen Pop-Königin bedurfte, weil, tja, allzu schwarz und | |
allzu queer war, worum es hier geht? | |
Ziemlich bald nach Madonna, 1991 erstmals auch in Deutschland zu sehen, | |
besorgte dann Jennie Livingstons [2][Dokumentarfilm „Paris is Burning“] den | |
Rest: Stellte den Reichtum jener spezifischen Communitys in New York dar, | |
zeigte die „Balls“, diese doppelbödig zu nehmenden Laufsteg-Wettbewerbe | |
schwuler, crossdressender Schwarzer und Latinos, verdeutlichte, dass es | |
eben nicht bloß crazy war, wenn sich da ausdrücklich schwule Männer | |
überweiblich codierte Catwalk-Posen aneigneten, zu zeitgenössischer | |
Tanzmusik. | |
Vom Vogueing als „queerem Bruder des B-Boyings“ hat der Berliner Journalist | |
Jan Kedves, als DJ auch selbst Teil der Szenerie, wiederholt gesprochen. | |
Und in Hamburg erzählte jetzt auch Rashaad Newsome von Jungs aus schlecht | |
beleumundeten New Yorker Bezirken, für die das Vogueing eine alternative | |
Form des Wettstreits sei. Zuvor hatte der Wahl-New-Yorker seine Performance | |
„Five“ zur Aufführung gebracht, im Rahmen des kleinen Festivals | |
„Futur|isms“ auf Kampnagel. Genau genommen war es bereits Version fünf | |
(oder sechs?) dieser die Fünf im Titel tragenden Sache, eigens konzipiert | |
für je drei Vorstellungen in Hamburg sowie, [3][kommende Woche, beim | |
Festival CTM in Berlin]. | |
„Five“, das ist seit 2010 einerseits eine Konstante: Stets dabei sind fünf | |
atemberaubende Voguer*innen mit (Bühnen-)Namen wie Davon Amazon, Starr | |
Revlon oder Justin Monster Labeihja. Auch Felix Marmol alias Princess Mami | |
Precious steuert stets diese dann eben doch sehr deutlich die | |
Verwandtschaft zur schwarzen Klubkultur, zum HipHop klar machenden | |
Vocal-Permutationen bei, dazu singt jemand Oper, und all das in Reaktion | |
auf die vorgeführten Posen. | |
Newsome, 1979 in New Orleans geboren, ist studierter Kunsthistoriker, aber | |
auch Programmierer, und Letzteres erklärt vielleicht den, tja, | |
futuristischen Anteil der Arbeit: Die Tänzer werden per Motion Tracking | |
aufgenommen, ihre Bewegungen in Echtzeit in farbige Linien übersetzt, die | |
am Ende eine Art Knäuel bilden, das im Hintergrund zu sehen ist. Manchmal | |
übersetzt Newsome diese Quasi-Verschriftlichung bewegter Körper zurück in | |
Anfassbares – per 3-D-Drucker. | |
Er nennt es wichtig, für seine im weitesten Sinne choreografischen Arbeiten | |
immer auch die Community zu beschäftigen, im ganz profanen Sinne, dass er | |
ansonsten prekär Lebenden einen Broterwerb ermöglicht. Folgerichtig ist es | |
da, dass ein Teil der Mitwirkenden immer erst vor Ort dazu kommt: Die | |
Musiker, die nun an „Five“ mitwirken, hat Newsome in Hamburg und Berlin | |
gefunden, etwa Jakob Hersch, Gitarrist der [4][Band „Der Ringer“]. Auch | |
dass nun irgendwann ein Akkordeon zu hören (und sehen) ist, erklärt Newsome | |
mit dem Umstand, dass man ja in Deutschland ist. | |
Nun geht es ihm aber, wiederum, nicht ums Kuriose; sehr wohl aber darum, | |
Neues aufzunehmen: Ein Bild, dessen er sich gerne bedient, auch jetzt im | |
Publikumsgespräch, ist das „tumble weed“, also die zumeist in trockenen | |
Gegenden anzutreffenden Boden- oder Steppenrollergewächse – zur Erinnerung: | |
Der Mann ist vieles, aber kein Botaniker. | |
Und nicht zuletzt will „Five“ Wissen vermitteln, das Wissen etwa um die | |
fünf Elemente – auch das klingt ja schon wieder nach | |
Hip-Hop-Geschichtsschreibung – des Vogueing. Ganz praktisch geschieht das | |
am Sonntag: in einem Vogueing-Workshop mit Omari Mizrahi, der auch bei | |
„Five“ mittanzt (14–16 Uhr, Anmeldung nötig bei | |
[5][[email protected]]). | |
Nun könnte man fragen: wozu Geschichtsunterricht, und sei es | |
subkultureller? Vielleicht weil neuerdings wieder so umkämpft ist, was die | |
Erfinder des Vogueing, diese immer gleich in mehrfacher Hinsicht | |
randständigen, ausgegrenzten verhinderten Diven erreicht haben mögen – in | |
Zeiten, da der stets schon ums Entscheidende privilegierte weiße Mann das | |
Jammern partout nicht abstellt? Newsome beantwortet die Frage, ob die | |
Zeiten unter einem Präsidenten Donald Trump eigentlich noch etwas härter | |
sind, angenehm unaufgeregt. Nein, sagt er, es sei derselbe Kampf zu führen | |
wie immer schon. | |
Von anderen, aber vielleicht auch gar nicht so anderen Kämpfen handelt, | |
unter anderem, die Installation „She who sees the unknown“ der iranischen | |
Künstlerin Morehshin Allahyari, die in einem Nebenraum läuft; zusammen mit | |
dem Rapper Prince Harvey erläutert sie die Arbeit am frühen Abend in einer | |
Lecture-Performance. | |
Mit der Bezeichnung „transtemporal drag“ wiederum wurde bereits das | |
Schaffen von Ming Wong belegt – und da ist man dann schon ganz nahe bei | |
Newsomes blauhaarigen Tänzern; in Hamburg präsentiert der in Singapur und | |
Berlin lebende Künstler jetzt „Tales from the Bamboo Spaceship“, seine | |
Befassung mit Science-Fiction mit den Mitteln der traditionellen | |
chinesischen Oper – oder doch umgekehrt? | |
26 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=GuJQSAiODqI | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=78TAbjx43rk | |
[3] http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/programm/alphabetisch/ctm-2018-rashaa… | |
[4] /!5386869/ | |
[5] http://kampnagel.de | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Tanz | |
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