| # taz.de -- Ausstellung mit Mord und Totschlag: Der Tatort hinter der Fassade | |
| > Geheimnisvolle Tode, auf verrätselten Fotos in Szene gesetzt und | |
| > tatsächlich mit Fäden dargestellte Verstrickungen: Der Kunstverein | |
| > Wolfsburg widmet sich dem Krimi. | |
| Bild: Tote Frau in Haute Couture, romantisiert in Szene gesetzt: Ausschnitt aus… | |
| WOLFSBURG taz | Ein Markenzeichen des Wolfsburger Kunstvereins ist es, sich | |
| auch mit populärkulturellen Themen und ihrem Niederschlag in der Kunst zu | |
| befassen. So hatte sich Kunstvereins-Leiter Justin Hoffmann – selbst | |
| langjähriges Mitglied der im weitesten Sinne Pop-Band Freiwillige | |
| Selbstkontrolle – schon an früheren Wirkungsstätten mit der Popmusik oder | |
| dem Comic beschäftigt. | |
| ## Ausflug in den Expressionismus | |
| Die aktuelle Gruppenausstellung in Wolfsburg nun, „Crime Art“, thematisiert | |
| mittels vierer zeitgenössischer Positionen – den Krimi. Aus dem | |
| (vor-)abendlichen Fernsehprogramm ist dieses Genre ja nicht wegzudenken, | |
| allerdings hat die fiktional-lustvolle Befassung mit dem Verbrecherischen | |
| bereits eine längere Erfolgsgeschichte hinter sich, auch in der | |
| anspruchsvolleren Literatur und eben der Kunst. | |
| Ein Kabinett expressionistischer Druckgrafik aus den Sammlungen Bönsch | |
| sowie der Städtischen Galerie Wolfsburg belegt im kunsthistorischen Exkurs | |
| den Inspirationsquell früherer Kriminalromane, etwa von Arthur Conan Doyle | |
| oder auch Agatha Christie: Die unheilschwangere Nacht, der lüsterne Mord, | |
| der in flagranti ertappte Missetäter – sie beflügelten schon Oskar | |
| Kokoschka, Max Klinger oder Max Beckmann zu Radierungen und lithografischem | |
| Mappenwerk. Der dadaistische Schriftsteller Walter Serner wiederum griff | |
| 1923 für den Einband seines 25 Kriminalgeschichten versammelnden Buches | |
| „Der elfte Finger“ auf eine erotische Todesszene von Henri de | |
| Toulouse-Lautrec zurück. | |
| Die Inszenierung des geheimnisvollen Todes einer schönen Frau als | |
| romantischer Topos: So könnte man die Fotos des 1954 in Kyoto geborenen | |
| Japaners Izima Kaoru beschreiben. Er lässt seine Modelle Ideen zur eigenen | |
| Vergänglichkeit und zum Sterben entwickeln, übersetzt diese dann in | |
| großformatige Bilder. Exquisite, per Nennung im Bildtitel nachgewiesene | |
| Designergarderobe, klassische Landschaftsaufnahmen und die in perfekter | |
| Schönheit Dahingeschiedene geben unter den ästhetischen Konventionen der | |
| Modefotografie dem Betrachter da quasi-kriminalistische Rätsel auf – nach | |
| der Todesursache etwa oder dem Tatmotiv. | |
| In einer fiktiven, vielleicht aber auch seiner eigenen Biografie erzählt E. | |
| S. Mayorga, 1975 in Mexico City geboren, per Video von einer kriminellen | |
| Karriere: vom Zigarettenschmuggel mit Hilfe von doppelwandigen Lastautos | |
| und jeder Menge Kartons. Eine Pappzelle bildet dann auch die | |
| Rauminstallation des ehemaligen Meisterschülers der Kunsthochschule | |
| Braunschweig. Zwei Leuchtkästen hat er zudem seiner Schwester gewidmet, die | |
| wie zahllose Menschen in Mexiko ein ganz reales Opfer der Drogenkriege | |
| wurde. | |
| Der in Berlin und Singapur lebende Ming Wong, Jahrgang 1971, liebt das | |
| Re-Enactment, also das vorbildgetreue Nachspielen von internationaler | |
| Filmkunst. Nach verschiedenen Fassbinder-Adaptionen hat er sich 2012 | |
| Polanskis Roman „Chinatown“ vorgenommen. Einmal mehr schlüpft Ming Wong in | |
| alle Rollen, die symbolische Chiffre des schicksalhaften Ortes erfährt eine | |
| karikierte Brechung, indem Wong den ermittelnden Detektiv nun mit | |
| Schlitzaugenbrille überdeutlich als Asiaten stilisiert. | |
| ## Politik, Wirtschaft und Waffentechnik | |
| Die Niedersächsin Fehmi Baumbach schließlich, ebenfalls 1971 geboren, | |
| stellt noch ihr Fadengespinst zu kriminellen Verstrickungen in Wirtschaft, | |
| Politik und Waffentechnik hinzu. Ein aufgeschlagenes Journal beschäftigt | |
| sich mit Lee Harvey Oswald, der als mutmaßlicher Mörder John F. Kennedys | |
| 1962 selbst erschossen wurde. | |
| Eine Parallele zwischen „Crime Story“ und der Kunst an sich erkennt | |
| Hausherr Justin Hoffmann in der Deutungsarbeit, die beide vom Rezipienten | |
| verlangen: Der Protagonist im Krimi – und sei es in der behäbigen | |
| TV-Variante – wie auch der Künstler schauen demnach im besten Falle hinter | |
| die Oberfläche gesellschaftlicher Lebenswirklichkeit. | |
| ## bis 3. Mai, Kunstverein Wolfsburg | |
| 15 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
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