# taz.de -- HipHop für Kinder: Beef ums Badewasser | |
> Die Hamburger HipHopper „Deine Freunde“ gehen mit ihrem kinderkompatiblen | |
> „Keine Märchen“ auf Tour. Den Sound diggen auch rapsozialisierte Eltern. | |
Bild: Süß, die HipHopper von Deine Freunde | |
„Das Konzert im Milchsalon war der Schlüsselmoment, was die guten Vibes | |
angeht“, erinnert sich Florian Sump von Deine Freunde. Als die HipHop-Crew | |
2013 auf ihrer „Ausm Häuschen“-Tour im Roten Salon der Berliner Volksbühne | |
vor 300 meist sehr jungen Zuschauern ihre flutschenden Reime unterstützt | |
von groovy Bumper-Beats droppten, „haben die Kinder richtig Party gemacht | |
und wir hatten das erste Mal den Eindruck, krass, die Eltern gehen auch mit | |
ab.“ Damals beschlossen die drei Künstler, dass, „egal, wie das wächst“, | |
sie unbedingt versuchen, „dieses Gefühl der Nähe zu den Kids | |
beizubehalten“. | |
Fünf Jahre, drei Alben und unzählige Konzerte später spielen Deine Freunde | |
inzwischen regelmäßig vor 5.000 Fans. Viele Termine der anstehenden Tour, | |
bei der sie ihr neues Werk „Keine Märchen“ vorstellen, sind bereits | |
ausverkauft, Zusatzkonzerte anberaumt. „Actionmäßig sind das Konzerte mit | |
ausgefeilter Lightshow, choreografierter Bühnenshow und drückendem Sound. | |
Die Leute stehen nicht nur rum und wippen ab und an, die gehen richtig ab – | |
nur halt nachmittags. Und, dass direkt vor der Bühne im abgesperrten | |
Bereich ein Haufen wilder Kinder steht, und außen stehen die Eltern.“ | |
Es gibt Ordner, die extra dafür da sind, um zu schauen, ob jemand verloren | |
aussieht. Dass sich jemand bei Deine Freunde verloren fühlt, ist | |
unwahrscheinlich, dafür sorgen die Texte der Hamburger Crew, die direkt aus | |
dem Kinderzimmer zu kommen scheinen. Bisweilen weisen sie erhellende | |
Verweise für Eltern auf – und halten ihnen wie in „Mein lieber Freund, ich | |
zähl bis drei“ und „Das böse Wort“ den Spiegel vor. | |
## Rückmeldung aus der Kita | |
Zur Themenfindung tauchen die drei Freunde Florian Sump, der einst bei der | |
Popband Echt Schlagzeuger war und als Erzieher gearbeitet hat, Markus | |
Pauli, Live-DJ bei Fettes Brot und Produzent, sowie Lukas Nimscheck, der | |
den Tigerentenclub moderierte, in ihren eigenen Kinderkosmos ab. Alles, was | |
damals für sie relevant war, hat gute Chancen, zu einem Song verarbeitet zu | |
werden. Die Rückmeldung, ob die Themen den Kindern heute immer noch unter | |
den Nägeln brennen, bekommt Sump – der 36-Jährige hat selbst zwei Kinder �… | |
auch von den Kids, mit denen er wöchentlich in Kitas und | |
Ferienbetreuungsprogrammen für Grundschüler Musikworkshops abhält. Außerdem | |
wissen auch Eltern, worum es geht, wenn, wie in „Ohne mein Brudi“ die Frage | |
gestellt wird, wer ins gebrauchte Badewasser abtauchen muss. | |
Zum Komponieren der Songs von „Keine Märchen“ gingen sie in einer Hütte an | |
der Ostsee in Klausur und arbeiteten sechs Tage am Stück. Die Ideen wurden | |
in kleinen Skizzen festgehalten, Schnipsel für Schnipsel kam dazu, Text, | |
Hookline, Beat, bis genug Material vorhanden war, um ein Lied daraus zu | |
machen. Das Finetuning „geht dann vereinzelt miteinander, jeder tut das, | |
worin er gut ist“. | |
Sump ist für die meisten Reime verantwortlich, Nimscheck, 29, der ganz | |
klassisch Klavierunterricht hatte, komponiert den Großteil der | |
herzerwärmenden Melodien, während Pauli, 39, die HipHop-Halle zimmert und | |
bei der Produktion die meiste Zeit im Studio verbringt. | |
Musikalisch sind Deine Freunde aber keineswegs auf HipHop abonniert. „Nix | |
passiert“ ist ein New-Wave-Lobgesang, der den Kids die Großspurigkeit | |
nordenglischer Synthie-Produktionen der späten Achtziger in die Glieder | |
fahren lässt. Doch insbesondere bei den HipHop-Stücken bringt es ihnen | |
Spaß, mit Zitaten auf ihre eigene Rap-Sozialisation zu verweisen. | |
## Zitate raten | |
Der Erzähler in „Keine Märchen“ und der gesottene Flow von „Fontanelle�… | |
erinnern an die Flensburger Crossover-HipHop-Gang Fischmob, in der DJ Koze | |
und Cosmic DJ erste Kostproben ihres absurden Humors abgaben. In „Komm aus | |
den Puschen“ haben Eltern bei der Zeile „Oh, Puschen real good“ Anlass, | |
ihrem Nachwuchs gleich das tolle Video von Salt ’n’ Pepa, „Push it!“, zu | |
zeigen, mit Moves und Style zum Nachahmen. „Wir machen lieber deutlich, wo | |
wir etwas herhaben, anstatt Zitate irgendwie verstecken zu wollen, auch, | |
damit die Leute sich an etwas erinnert fühlen“, sagt Sump. | |
Bei „Keine Märchen“ hat er 14 Rap-Zitate eingebaut, „von ganz alten | |
Fanta-4-Sachen bis zum amtlichen Scheiß von heute“, die im Satzbau nicht | |
verändert sind, aber in einem andern Gewand daherkommen und deshalb nicht | |
so leicht zu erkennen sind. „Ich freu mich schon auf die HipHop-Daddys, die | |
mir dann auf Tour erzählen, welche sie gehackt haben.“ | |
Der zum engen Freund gewordene Mentor Rolf Zuckowski, auf dessen Label | |
„noch mal!“ Deine Freunde veröffentlichen, wird in „Du bist aber groß | |
geworden“ mit einem Hinweis auf den Klassiker „In der Weihnachtsbäckerei“ | |
zitiert. Sump hat schon als Kind gern Zuckowski-Lieder gehört. „Er hat mir | |
auch das Gefühl gegeben, der singt von Sachen aus meinem Leben.“ Auch wenn | |
soundtechnisch zwischen Zuckowski und Deinen Freunden – ihr Name ist eine | |
Hommage an Rolf und seine Freunde – Welten liegen, und Deine Freunde in | |
Sachen Humor unerschrocken anarchischer sind, eint sie der entscheidende | |
Faktor: Kinder fühlen sich von ihren Texten angesprochen und ernst | |
genommen. Und dieses Gefühl hat auch in großen Hallen Bestand. | |
10 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Sylvia Prahl | |
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