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# taz.de -- Nach Untreue-Verdacht gegen Bosse: Weniger Geld für VW-Betriebsrä…
> Die Arbeitnehmervertreter müssen happige Einbußen hinnehmen: So will der
> Konzern den Vorwurf, sie sollten gefügig gemacht werden, entkräften.
Bild: Bernd Osterloh (Mitte) 2009 zwischen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn (l.…
BERLIN taz | Bernd Osterloh sagt, er sei „mit sich im Reinen“. Das erklärt
der Konzern- und Gesamtbetriebsratschef von VW auf der [1][Website der IG
Metall bei Volkswagen]. Da stellt sich doch gleich die Frage, was er sich
denn möglicherweise vorzuwerfen hätte? Es geht um ein für VW hochsensibles
Thema: Werden Betriebsräte beim weltgrößten Autokonzern immer noch in
unzulässiger, also überzogener Weise bearbeitet, damit sie dem Management
trotz Mitbestimmung nicht so viel Stress machen?
Immerhin erschütterte erst vor gut einem Jahrzehnt die unschöne Affäre um
[2][geheime Boni] und Lustreisen auf Firmenkosten für die
Arbeitnehmervertreter den Konzern. Als ob das nicht genug wäre: Die
Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt seit Mai 2017 erneut wegen des
Anfangsverdachts der Untreue bei Zahlungen an die Betriebsräte – gegen hohe
VW-Manager, die damit möglicherweise die Arbeitnehmervertreter unzulässig
beeinflussen. Mitte November durchsuchten Staatsanwälte und Steuerfahnder
deshalb sogar die Büros der VW-Führungsspitze. Die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen Osterloh und seine Kollegen.
Allerdings haben die VW-Bosse nun offenbar genug von den Unterstellungen –
und kürzen 14 übertariflich vergüteten Betriebsräten im Haus die Bezüge.
„Wir bedauern, dass Mitglieder unseres Betriebsrats und Vertreter des
Unternehmens dieser Situation ausgesetzt sind“, sagte VW-Vorstandschef
Matthias Müller am Freitag in Wolfsburg. Volkswagen zahle einem kleinen
Kreis von Betriebsräten vorläufig nur noch eine Vergütung bis zur obersten
tariflichen Stufe. Das bedeutet zum Teil happige Kürzungen. Die betroffenen
Betriebsräte werden bisher weit über Tarif bezahlt. Auch die teilweise
üppigen Jahres-Bonuszahlungen liegen nun auf Eis. Die Regelung gilt
rückwirkend zum 1. Dezember.
Die besondere Stellung des Betriebsrats bei Volkswagen hat auch mit der
starken Stellung des Landes Niedersachsen im Konzern zu tun. Die
Landesregierung in Hannover hält etwa 20 Prozent an VW – deshalb hatten vor
allem SPD-Ministerpräsidenten die Arbeitnehmer bei VW lange unterstützt.
Zur Erinnerung: Über die Betriebsratsaffäre stürzte auch der vom einstigen
Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Gerhard Schröder protegierte
VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz.
## Heftige Einbußen für den Betriebsratschef
Für Osterloh sind die Einbußen heftig: Sein Jahres-Grundgehalt betrug nach
eigenen Aussagen bisher rund 200.000 Euro – nach der Deckelung liegt das
Grundgehalt nur noch bei rund 96.000 Euro. In der Spitze hatte er, auch
wegen saftiger Bonus-Zahlungen, einmal 750.000 Euro verdient.
Der 61-Jährige steht – als indirekte Folge des Betriebsratsskandals – seit
2005 an der Spitze des Gremiums und ist als Mitglied im Präsidium des
Aufsichtsrats und als stellvertretender Aufsichtsratschef einer der
einflussreichsten Personen im Konzern. Er wurde bisher vergleichbar zu
einem Bereichsleiter bei VW bezahlt, also einem Mitglied der mittleren
Führungsebene unterhalb der Marken- und Konzernvorstände.
VW erklärte mit Blick auf die Ermittlungen, das Unternehmen habe sich dazu
entschlossen, diese „für alle Beteiligten belastende Situation“
schnellstmöglich zu klären. „Wir danken den Betriebsräten ausdrücklich,
dass sie diesen Schritt mittragen“, sagte Müller. Insgesamt gibt es 262
Betriebsräte im Konzern. Mehr als 90 Prozent von ihnen wurden bislang nach
Tarif bezahlt – und sind somit nicht von Kürzungen betroffen.
Das Betriebsverfassungsgesetz lasse in Bezug auf die Entgeltfestsetzung von
Betriebsräten wichtige Fragen unbeantwortet, sagte Müller. Er kündigte an,
mit Nachdruck eine „proaktive“ rechtliche Klärung anzustreben. Ein Sprecher
sagte, dies könne etwa ein Schiedsverfahren mit einem externen und
unabhängigen „Schiedsrichter“ sein.
## Osterloh kritisiert die Kürzungen
Im Gesetz heißt es sinngemäß, dass Betriebsratsmitglieder nicht weniger
verdienen dürfen als vergleichbare Mitarbeiter mit einer für den Betrieb
üblichen Entwicklung. Das Problem aber ist, dass ein Unternehmen bei
freigestellten Betriebsräten, zumal wenn sie diese Tätigkeit lange ausüben,
„hypothetische Karriereverläufe“ feststellen muss. Dies geschieht bei
anderen Konzernen beispielsweise dadurch, dass die Betriebsräte sich einen
„normalen“ Arbeitnehmer auswählen, an dessen Gehaltsentwicklung sich die
ihre orientiert.
Der VW-Konzernbetriebsrat erklärte, der Schritt des Vorstands sei nötig, um
eine rasche arbeitsrechtliche Klärung vorantreiben zu können. „Die
Entscheidung minimiert strafrechtliche Risiken für die verantwortlichen
Manager.“ Aus Sicht des Betriebsrats steht das vom Unternehmen festgelegte
Gehalt etwa Osterlohs im Einklang mit rechtlichen Vorgaben, dies werde
durch externe Gutachten bestätigt.
Osterloh selbst äußerte in einem Interview auf der Homepage der IG Metall
bei Volkswagen Kritik am Schritt des Vorstands. „Ich denke, dass hier jetzt
nach der jüngsten Aktion der Braunschweiger Staatsanwaltschaft einige im
Unternehmen auf 110 Prozent sicher gehen wollen. Deshalb gibt man
strafrechtlichen Befürchtungen eine höhere Priorität als arbeitsrechtlichen
Würdigungen, die von anerkannten Experten stammen“, wird er dort zitiert.
Die strafrechtlichen Berater des Vorstands hätten empfohlen, jedes Risiko
auszuschließen. „Und in diesem Fall heißt das für einige Betriebsräte, die
bislang eine Management-Vergütung bekommen haben, dass ihr Entgelt erst mal
reduziert wird.“ Die 14 vom Schritt des Vorstands betroffenen Betriebsräte
fielen nun in die oberste Tarifstufe zurück. „Das sind etwa 8.000 Euro pro
Monat“, sagte Osterloh.
Er betonte, alle renommierten Arbeitsrechtler seien sich einig, dass der
Gesetzgeber klare gesetzlichen Vorgaben machen sollten. Er fügte hinzu, ihm
würden „von vielen Seiten Managementqualitäten zugeschrieben. Ich stecke
oft privat zurück und arbeite regelmäßig mindestens 70 Stunden die Woche“.
Er denke, seine Eingruppierung im Management vergleichbar zu einem
Bereichsleiter sollte „in Ordnung“ sein. Der Betriebsratschef hatte im Jahr
2015 das Angebot abgelehnt, Personalchef bei VW mit einem Millionengehalt
zu werden. (mit dpa)
22 Dec 2017
## LINKS
[1] http://www.igm-bei-vw.de/detail/bernd-osterloh-zur-betriebsratsverguetung-w…
[2] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/zehn-jahre-vw-affaere-geb…
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
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