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# taz.de -- Kolumne So nicht: Seehofers Grammatik-Hausaufgaben
> Berufspolitiker reden über die Zukunft – und verheddern sich dabei in
> Floskeln und fragwürdigen Tempusformen. Das geht einfacher.
Bild: Sind das die „Hausaufgaben“ Horst Seehofers?
Es ist immer schwierig, über die Zukunft zu reden. Viel Spekulation
einerseits. Die richtige grammatikalische Form andererseits. Horst Seehofer
hat am vorletzten Tag des Jahres gefordert, die Regierungsbildung bis
Ostern abzuschließen. „[1][Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere
Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker].“
Lassen wir weg, dass es andere Arten gegeben hätte, den Satz zu
formulieren, zum Beispiel ganz einfach „Sonst werden wir unsere
Hausaufgaben nicht gemacht haben als Berufspolitiker.“ Viel wichtiger als
die Frage, warum der alte Rechthaber einen verunglückten Konjunktiv II
benutzt, ist, warum für Seehofer die Bildung einer Regierung unter
Hausaufgaben fällt? Politiker werden dafür bezahlt, und unterliegen darüber
hinaus der Verfassung, die diesem Berufsstand vorschreibt, dafür zu sorgen,
dass es dazu kommt.
Schon 1982 konstatierte der Spiegel: „[2][Hausaufgaben sind
Hausfriedensbruch]“. Diverse Studien stellen seit Jahrzehnten fest, dass
die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung nicht nachweisbar sei. Lehrer,
Schulminister und andere Experten fordern seit Jahrzehnten die Abschaffung
der Hausaufgaben, da sie außer Quälerei nur soziale Ungerechtigkeit
manifestieren und pädagogisch wertlos seien. „Hausaufgaben“ wurden 2015
sogar zum „Unwort des Jahres“ gekürt, weil dessen Verwendung im
Zusammenhang mit der Kritik der EU an Griechenland, die Griechen zu
unmündigen Schülern herabwürdige.
Nun gehört das Hausaufgabenmachen zu den Floskeln, die der Berufsstand
Politiker so redundant verwendet, wie sonst nur den Satz „Lassen Sie mich
ausreden“ in Talkshows. Aber nicht nur sie. Sportler, Journalisten,
Manager, also alle, die sich ungefähr so viele Gedanken machen wie
Berufspolitiker über das, was sie zu sagen haben, verwenden diese
bescheuerte Metapher.
Aus den letzten Tagen: „Wo hat Seehofer seine Hausaufgaben gemacht? Was
bleibt für seinen Nachfolger liegen?“ (Kommentator Bayerischer Rundfunk, 6
.12. 2017). „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und genug Potenziale für
die Zukunft“ (Vorstand der Molkerei Schwälbchen am 29. 12. 2017).
Sehr lustig wird es, wenn Journalisten die Hausaufgaben auch noch zur
Überschrift, also zu dem Teil machen, der die wichtigste, prägnanteste,
interessanteste Aussage des Interviewten sein sollte. So zuletzt das Portal
stadionwelt: „Wir müssen unsere Hausaufgaben erledigen“ – am 30. 12. 2017
über dem Interview mit dem Geschäftsführer der Kölner Haie. Oder die taz:
„Die Hausaufgaben sind gemacht“ am 29. 12. über dem Porträt des
Skispringers Richard Freitag.
Werden Hausaufgaben, die die Pädagogen abschaffen wollen, in
außerpädagogischen Zusammenhängen immer wichtiger, weil bei Hausaufgaben
sowieso niemand kontrollieren kann, ob man sie selbst erledigt hat oder
andere?
Ich jedenfalls hätte anders als Seehofer formuliert: Wenn Deniz Yücel bis
Ostern nicht zu Hause ist, haben die Berufspolitiker ihre Aufgabe nicht
gemacht.
2 Jan 2018
## LINKS
[1] http://www.zeit.de/news/2017-12/30/regierung-seehofer-fordert-groko-bis-ost…
[2] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14337317.html
## AUTOREN
Doris Akrap
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So nicht
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