| # taz.de -- Kolumne So nicht: Das Rauschen deutscher Dialekte | |
| > Grenzen und Beschränktheit beim Inselbesuch: Wer eine Reise tut, hört | |
| > deutsche Mundarten in ungeahnter Diversität. | |
| Bild: Auf Inseln im Atlantik lernt man viel über Deutschland | |
| Wenn man eine Reise tut, kann man viel hören. „Isch soge mol so, de | |
| fünfundzwanzisch Fondes dätn misch schon inderessiern“, ist ein Satz, dem | |
| man beispielsweise auf einer Atlantikinsel begegnet. Überhaupt hört man | |
| oft weniger das Meer rauschen als das Rauschen deutscher Dialekte. | |
| Diskussionen über Wanderwege, gleichzeitig auf Sächsisch, Schwäbisch und | |
| Hessisch geführt. Kommentare über das Bier, die Kartoffeln oder die | |
| Feststellung, dass die Wellen in Australien höher sind als hier, in | |
| verschiedenen deutschen Mundarten, die man in dieser Diversität höchstens | |
| noch am Ballermann oder am Deutschen Eck anzutreffen meint. | |
| Man hört unfreiwillig am Frühstückstisch auf Schwäbisch, das sich eine | |
| Arbeitskollegin einen Seitensprung mit einem Ausländer erlaubt hat, oder | |
| man läuft auf einer Klippenwanderung hinter zwei Damen her, die auf | |
| Österreichisch über die vielen Serben und Kroaten in der Firma des | |
| Schwagers vom Nachbarn des Großonkels berichten und sich aufregen, dass die | |
| Ausländer „sogar schon“ die Leitung der Firma übernommen haben. | |
| Viele der Bewohner der Atlantikinsel, mit denen man als Tourist so zu tun | |
| hat – Marktverkäufer, Taxifahrer, Barbetreiber – sprechen hingegen fehler- | |
| und akzentfrei Deutsch. Man ist hier außerdem sehr stolz auf seine | |
| Auswanderer. In kleinsten Bergdörfern gibt es Kneipen, die den Namen „Bar | |
| Emigrante“ tragen. | |
| ## Denkmäler für berühmte Auswanderer | |
| Leute, die von der winzigen Insel auswanderten, um Geld zu verdienen und es | |
| zurück auf die Insel schickten, wurden in ihren Geburtsorten Denkmäler | |
| gebaut. Kann auch sein, dass die Gönner sich die Denkmäler einfach selbst | |
| finanzierten. | |
| So wie ein berühmter Fußballer, der kürzlich ein weltweit bestauntes | |
| Weltwundertor schoss und hier geboren und aufgewachsen ist und dem im Hafen | |
| der Hauptstadt ein Museum eingerichtet wurde, das gleichzeitig ein Hotel | |
| ist, das ihm gehört und das quasi wie ein Geheimtipp funktioniert, denn es | |
| heißt: CR7. | |
| Selbst einem Ausländer, der nur hier auf der Insel landete, weil er sich | |
| aus niederen Gründen in die damalige Herrscherfamilie vom Festland | |
| einheiratete und von dem nicht mal klar ist, ob er überhaupt jemals auf der | |
| Insel war, wurde hier ein Museum eingerichtet. Gut, er gilt als Entdecker | |
| der Neuen Welt und heißt nicht Ali oder Slobodan, die bisher unsere Klos | |
| putzten und jetzt unsere Firmen übernehmen. | |
| ## Paradies und Gefängnis | |
| Der amerikanische Schriftsteller John Dos Passos, dessen Großvater von | |
| dieser Insel stammte, war nur zwei Mal sehr kurz hier. Trotzdem hat man | |
| auch ihm ein kleines Kulturhaus gewidmet. Und das, obwohl eines der | |
| nachweislich wenigen Zitate, die der Autor über diese Insel je gesagt hat, | |
| lautet: „Diese Insel ist Paradies und Gefängnis zugleich.“ | |
| Sich seiner Grenzen und Beschränktheit bewusst zu werden, ist sicher ein | |
| guter Grund für einen Inselaufenthalt. Viele der Inseltouristen halten sich | |
| aber für weltoffen, weil sie hier kein deutsches Bier trinken. | |
| 18 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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