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# taz.de -- Kolumne So nicht: In Moosgetwittern
> Die Hashtaggerei ist ein Geschrei. Da hilft nur Ohrenzuhalten oder die
> Hashtagdebatte um diskriminierte Moose zu verfolgen.
Bild: Diskriminierte Pflanze: das Moos
Normalerweise ist es ja so, dass man sich einfach die Ohren zuhält, wenn
jemand rumbrüllt. Oder man wartet so lange, bis die schreiende Person sich
wieder beruhigt hat, um nachzufragen, was denn eigentlich los sei.
Voraussetzung ist natürlich, dass die Person nicht sofort wieder anfängt
rumzuschreien und es für ihr Geschrei überhaupt einen Grund anzugeben gibt,
außer dem, dass man jetzt eben rumschreien muss, um das eigene Geschrei im
Kopf loszuwerden.
Ich glaube nicht, dass es nichts bringt zu schreien. Im Gegenteil. Man weiß
doch wie der Hase läuft: Man brüllt so lange, bis man entweder den Lolli
oder eine Backpfeife kriegt. Irgendwas dazwischen – virtuelles
Ohrenzuhalten seitens der Zuhörer – ist selten. Denn Schreien provoziert
Reaktion, so viel ist sicher.
Dass Rumbrüllen auch ein politisch durchaus wirkungsvolles Instrument ist,
lässt sich an Hitler genauso hervorragend wie am Megafon ablesen. Keine
Pegida-Demo ohne Megafon. Aber auch kein Rudi Dutschke. Wo politische
Demonstrationen aus langem Laufen auf öffentlichen Straßen bestehen, was
von vielen oft länglichen und unlustigen Wortbeiträgen gleichen Inhalts
begleitet wird, wird das politische Sichmitteilen vor allem im
Pleistozän-Style verübt: so laut brüllen, bis andere das hören und
zurückbrüllen.
## Gewächshausatmo
Wer heute Bock auf Gewächshausatmosphäre hat, um eine politische Debatten
anzuheizen, braucht kein Megafon mehr, sondern geht auf Twitter, macht
einen Hashtag und hofft, wenn er es nicht in die Tagesschau schafft,
wenigstens in der Rubrik „Hashtag der Woche“ oder als Kolumnenstoff zu
enden.
An dem Versuch politischer Diskurswerdung via Hashtag ist nichts
verwerflicher als an jedem anderen Demoaufruf auch. Ein geiler Hashtag hat
schon für so manches Bundesverdienstkreuz oder wenigstens einen
Journalistenpreis gesorgt.
Wer etwas Erholung von den überschäumenden Geschlechter-, Idenitäts- und
Mülleimerdebatten braucht, dem seien die Trittbrettfahrer der
Aufregerhashtaggies sehr ans Herz gelegt: In der Ärzte- und
Wissenschaftswelt geht es auch ganz flott und lustig zu. Da gibt es zum
Beispiel gerade den Trend [1][#ApothekeOhneHomöopathie], gegründet von
einem gewissen Dr. Lübbers, der mal Globuli im Ohr hatte und seitdem was
gegen Homöopathie hat.
## Teil deine Zurückweisung
Es gibt aber auch den Versuch [2][#ShareYourRejections]. Hier sollen
Wissenschaftler und alle anderen animiert werden, ihre abgelehnten
Förderprojekte und andere Ablehnungen wohl analog zu #metwo und #metoo zu
beschreiben.
Einer der Hashtaggies, ein Biologieprofessor erzählt dort, dass mal ein
Projekt von ihm mit der Begründung abgelehnt worden sei, „der
Wissenstransfer von Moosen zu Pflanzen sei nicht bewiesen“.
Analog zu #menaretrash hat der Biologieprofessor noch einen weiteren
Hashtag geschaffen: #mossesareplants. #MoosesindPflanzen. Ich jedenfalls
hätte nicht gedacht, dass um diese Feststellung schwere
Auseinandersetzungen stattfinden, die es leider nie zum Hashtag der Woche
bringen. Aber ich bleib dran.
21 Aug 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/ApothekeOhneHom%C3%B6opathie?src=hash
[2] https://twitter.com/search?q=%23ShareYourRejections&src=typd
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Hashtag
Twitter / X
Bahn AG
Sibylle Berg
Reisen
Raumfahrt
Literatur
Schwerpunkt Rassismus
Fremdenfeindlichkeit
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