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# taz.de -- Sexismus im Bundestag: „Sie dürfen alles anfassen“
> Kompliment oder Belästigung? In einem WDR-Video zeigen männliche
> Bundestagsabgeordnete, dass #Metoo nicht viel bewirkt hat.
Bild: Alles schick im Bundestag? Aus Sicht der Frauen eher nicht
Wie ist das mit dem Sexismus in unserem Parlament? Diese Frage hat die
Macher*innen von docupy, einem Dokumentarprojekt des WDR, in den letzten
Wochen beschäftigt. Das Ergebnis: Die weiblichen Bundestagsabgeordneten
berichten von vielen Situationen, in denen sie herabgesetzt wurden, weil
sie Frauen sind. Die Interviewpartnerinnen aus allen Parteien außer der AfD
erzählen, wie häufig es in Ausschüssen und Politikrunden um ihr Aussehen
statt um ihre Kompetenz geht. Die Männer hingegen wollen im Sexismus kein
Problem sehen.
Dass die AfD zum Thema Sexismus ein schwieriges Verhältnis hat, verwundert
erst einmal nicht. So empfindet der Abgeordnete Martin Stichert die Aussage
„Du hast zu viel Holz vor der Hütten“ zum Beispiel offenbar als Kompliment
und kann gar nicht verstehen, wenn eine Frau das als Belästigung ansieht.
Allerdings sind sich auch die meisten der anderen Herren einig, dass die
Grenze zwischen Kompliment und Sexismus „schwimmend“ ist. Selbst wenn er
einer Dame in den Mantel helfe, verstünden das einige bereits als
Belästigung, meint Gero Hocker von der FDP. Auch der Linke Gregor Gysi
findet, dass er einer Frau mal sagen darf, dass sie schön gekleidet ist.
Das mache er bei Männern schließlich auch.
Natürlich darf Gysi das. Aber wenn er abschließend meint, man solle das
auch nicht „überziehen“, spielt er das dahinter liegende strukturelle
Problem herab. Würden Männer und Frauen immer überall gleich behandelt,
wäre ein Kommentar zur Kleidung sicherlich kein Grund zur Klage. Da Frauen
aber viel zu oft auf ihr Äußeres reduziert werden, hat eine solche
Bemerkung für Frauen einen völlig anderen Stellenwert als für Männer.
Das zeigt auch ein Vorfall, von dem der Grüne Sven Lehmann berichtet: Ein
Kollege meinte, er könne eine Abgeordnete nicht angreifen, weil diese viel
zu gut aussehe. Lehmann wies ihn darauf hin, dass sie vor allem sehr
kompetent sei.
Von ähnlichen Erfahrungen erzählen auch die Frauen [1][im docupy-Video vom
30. November]. Ob es nun Ulla Schmidt von der SPD, Kirsten Kappert-Gonther
von den Grünen oder Gitta Connemann von der CDU ist – sie alle berichten
davon, dass die männlichen Kollegen sie eher als attraktiv und weniger als
intelligent und durchsetzungsfähig wahrnehmen. Katja Kipping liefert die
perfekte Antwort auf die männlichen Interviewten: Sie rede gern über
Schmuck und Mode, und höre sich auch gern Komplimente an. Aber zu einem
guten modepolitischen Smalltalk gehöre eben auch das richtige Timing.
Immerhin: Einige der jüngeren Interviewpartner von Grünen, Linken und SPD
scheinen ein Bewusstsein dafür zu haben, dass die Grenzen zwischen
sexistischem Kommentar und Kompliment eben nicht fließend sind. Auf die
Frage, wann er zuletzt einen Kollegen auf sexistisches Verhalten
angesprochen hat, antwortet Falko Mohrs von der SPD: „Wahrscheinlich viel
zu selten.“ Andreas Wagner von der Linken sagt, das sei noch nicht
passiert. Als die Interviewerin nachfragt, ob er noch nie sexistisches
Verhalten erlebt hat, erwidert er: „Das kann durchaus sein, dass ich das
schon mal mitbekommen habe, aber ich habe es nicht angesprochen.“
Vielleicht sollten sich die Herren das nächste Mal zuerst die Antworten der
Kolleginnen ansehen, ehe sie in solch ein Interview gehen. Und ihnen
zuhören. Das hätte sicher auch dem CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann
gutgetan. Die Filmerin soll ihm zum Abschluss des Videos beim Richten
seines Kragens assistieren, weil er sich selbst nicht sehen kann. Sein
Kommentar: „Sie dürfen alles anfassen.“ Ein lockerer Witz zum Thema? Nein.
Es ist ein perfekter Beleg des Problems.
19 Dec 2017
## LINKS
[1] https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/video--frauen-eine-frage-100.…
## AUTOREN
Belinda Grasnick
## TAGS
Sexismus
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