# taz.de -- Kommentar Unterbringung Geflüchteter: Noch schlimmer geht immer | |
> Notunterkünfte waren mal Notbehelfe. Inzwischen gelten sie als normal. | |
> Denn es gibt noch prekärere Unterkünfte. | |
Bild: Helfer bauen Feldbetten in einer Notunterkunft auf | |
Der Mensch gewöhnt sich an alles, heißt es ja. Sogar Zustände, die | |
untragbar sind, werden mit der Zeit zur „Normalität“. Aktuell kann man das | |
Phänomen [1][an der Unterbringung von Geflüchteten studieren]. Noch vor | |
wenigen Jahren galten Notunterkünfte als das, was sie sind: Notbehelfe, die | |
schnellstmöglich zu beenden sind. Heute sind Notunterkünfte „normal“ | |
geworden, denn es gibt etwas noch Schlechteres: „besonders prekäre | |
Notunterkünfte“. | |
Als solche bezeichnete die Sozialverwaltung diese Woche Immobilien mit | |
riesigen Flächen wie Kauf-, Turn-, Fabrikhallen, in denen Hunderte Menschen | |
nur durch Vorhänge oder Pressspanplatten voneinander getrennt leben. Im | |
Vergleich dazu, finden die Bürokraten, bieten andere Notunterkünfte, die | |
abschließbare Zimmer haben und eigene Sanitärräume, „ein ganz anderes | |
Niveau der Unterbringung“. So kann man Zustände natürlich auch schönreden. | |
Der Vorteil: Dann muss man sich nicht so viel vornehmen. Dieses Jahr war | |
das Ziel der Verwaltung schlicht, die „besonders prekären Notunterkünfte“ | |
bis Jahresende zu schließen. Hat man „leider“ auch nicht geschafft – aber | |
nächstes Jahr ganz bestimmt, wir schwören! | |
Das Problem: Die Menschen, die in den Notunterkünften leben, können sich | |
nicht an diesen Zustand gewöhnen. Zahlreiche Studien haben in den letzten | |
Jahrzehnten gezeigt, dass das Leben in Massenunterkünften Geflüchtete | |
ohnehin krank macht – um wie viel schlimmer muss es für die Betroffenen | |
sein, wenn sie in Notunterkünften oder Erstaufnahmeeinrichtungen nicht | |
einmal kochen können. Für viele ist das in ihrem neuen Leben hier zunächst | |
das Einzige, worüber sie autonom entscheiden können. | |
Doch das können Bürokraten in ihren Amtsstuben offenbar nicht | |
nachvollziehen. Warum sonst hat das Landesamt für | |
Flüchtlingsangelegenheiten im Frühling/Sommer Hunderte Plätze in besseren | |
Heimen mit Kochmöglichkeit frei gehalten, während Tausende Geflüchtete in | |
Notunterkünften („prekären“ und „normalen“) still litten? | |
In der Tat könnte Schlimmeres dahinterstecken als fehlende Empathie: Die | |
Kritik des Flüchtlingsrats, das Amt halte – zumindest bestimmte – | |
Flüchtlingsgruppen aus Gründen der Abschreckung in schlechteren Heimen | |
fest, ist nicht abwegig. Schließlich ist die These, Geflüchteten ginge es | |
hierzulande viel zu gut, längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr von ganz | |
rechts. Da kann man den Standard ruhig mal wieder absenken. Wir werden uns | |
schon dran gewöhnen. | |
25 Dec 2017 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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