| # taz.de -- Protest gegen Prostituiertenschutzgesetz: Entmündigung statt Schutz | |
| > Ab 2018 müssen sich Prostituierte beim Amt registrieren. Aus Protest | |
| > wollen sie sich alle unter dem Künstlernamen „Alice Schwarzer“ anmelden. | |
| Bild: „Danke Alice! Tolle Wahl: Stigmatisierung oder ohne Arbeit“, steht au… | |
| Berlin taz | „Das Gesetz schafft Angst, nicht Schutz!“, steht auf dem | |
| Schild, das eine Frau hält, „Stigma mit Stempel – Hure“ auf dem Transpar… | |
| einer anderen. Sie stehen an diesem Freitagvormittag gemeinsam mit einer | |
| Gruppe von SexarbeiterInnen unter roten Regenschirmen vor dem Berliner | |
| Rathaus Schöneberg, um gegen das Prostituiertenschutzgesetz zu | |
| protestieren. | |
| Zum 1. Januar 2018 müssen sich nach dem neuen Gesetz alle SexarbeiterInnen | |
| registriert haben und ihren Prostituiertenausweis – in der Szene | |
| „Hurenpass“ genannt – während der Arbeit bei sich tragen. Das soll die | |
| SexarbeiterInnen vor Ausbeutung schützen. Bei den Betroffenen stößt diese | |
| Meldepflicht auf heftige Kritik. | |
| „Eines unserer größten Probleme ist die Stigmatisierung“, sagt Johanna | |
| Weber, Sexarbeiterin und Vorstand des Berufsverbands erotische und sexuelle | |
| Dienstleistungen. Die politische Idee des Prostitutionsgesetzes von 2002 | |
| sei eigentlich der Abbau von Stigmatisierung und ein Schritt in die | |
| Normalität gewesen. „Vorher war unsere Arbeit zwar erlaubt, aber | |
| sittenwidrig. Wir hatten überhaupt keine Rechte“, sagt sie. | |
| Das neue Prostituiertenschutzgesetz empfindet Weber als „totalen | |
| Rückschritt“. „Dass wir jetzt mit einem Prostituiertenausweis | |
| gekennzeichnet werden, ist für uns eine ganz klare Sonderbehandlung, die | |
| bei so einem hochstigmatisierten Beruf nicht vorkommen darf.“ | |
| Die Meldepflicht führe zu neuen Problemen, statt die SexarbeiterInnen zu | |
| schützen, kritisiert Johanna Weber. In der Branche herrsche nun eine große | |
| Angst, was mit den persönlichen Daten geschieht, unter denen sich die | |
| Prostituierten anmelden. „Viele befürchten, dass die Daten, wenn sie bei | |
| einer Behörde sind, auch bei allen anderen Behörden landen“, sagt sie. | |
| Alleinerziehende fürchteten, dass ihnen das Sorgerecht aberkannt wird; | |
| Migrantinnen, dass sie nie wieder einen anderen Job finden. | |
| „Es fühlt sich an wie ein Outing“, sagt eine der protestierenden | |
| SexarbeiterInnen mit dem Künstlernamen Fräulein Angelina. „Alle, die sich | |
| nicht anmelden können, sind nicht geschützt, sondern müssen sich | |
| verstecken.“ Auch Weber befürchtet, dass durch die Meldepflicht die Gruppe | |
| der Prostituierten, die illegal arbeiten, größer wird. Denn Bordelle sind | |
| ab dem neuen Jahr verpflichtet, die Prostituiertenausweise zu | |
| kontrollieren. „Den BetreiberInnen drohen hohe Geldstrafen und die | |
| Schließung des Betriebs, wenn illegale Prostituierte bei ihnen arbeiten“, | |
| sagt sie. Diesen SexarbeiterInnen blieben nur noch Haus- und Hotelbesuche: | |
| „Die Arbeitssicherheit erhöht sich dadurch nicht, weil sie komplett auf | |
| sich allein gestellt sind.“ | |
| ## Enttäuscht von Alice Schwarzer | |
| Selbst für Opfer von Menschenhandel, die das Gesetz besonders schützen | |
| will, könne die Meldepflicht in ihren Augen problematisch werden. „Für | |
| Menschenhändler ist es die leichteste Übung, mit den Frauen zum Amt zu | |
| fahren und sie anzumelden. Selbst Menschenrechtsorganisationen sagen, dass | |
| es zum Teil für diese Opfer, die es ja tatsächlich gibt, noch schwieriger | |
| wird, den Opferstatus juristisch anzuerkennen“, so Weber. | |
| „Das Gesetz führt zu mehr Ängsten bei migrantischen Prostituierten, die | |
| keine Krankenversicherung und keinen geregelten Aufenthalt haben“, sagt | |
| auch eine der Demonstrierenden, die als Sozialarbeiterin mit den Problemen | |
| für MigrantInnen konfrontiert ist. „Wir beobachten jetzt schon, dass sich | |
| ihre Arbeit in den Graubereich verlagert und unsere Streetworker sie nicht | |
| mehr erreichen.“ Für sie steht fest: Es bedarf der Entstigmatisierung und | |
| Antidiskriminierung statt „obligatorischer Untersuchungen und | |
| Zwangsregistrierung“. | |
| Eigentlich hatten die SexarbeiterInnen vor dem Rathaus Schöneberg geplant, | |
| sich aus Protest alle unter dem Künstlernamen Alice Schwarzer registrieren | |
| zu lassen. Der Künstlername auf dem Pass kann frei gewählt werden. | |
| Schwarzer setzt sich seit Jahren gegen Prostitution ein, freiwillige | |
| Sexarbeit gibt es in ihren Augen nicht. „Mich hat Alice Schwarzer echt | |
| enttäuscht. Frauen zu sagen, was sie machen müssen, ist antifeministisch“, | |
| erklärt „Fräulein Angelina“ die Idee dahinter. | |
| Doch zur Anmeldung kommt es an diesem Tag nicht: In Berlin hinken die | |
| Behörden mit den strukturellen Vorbereitungen für die Registrierung | |
| hinterher. Wenige Wochen vor dem Stichtag am 1. Januar 2018 stellen sie | |
| stattdessen nur eine Bescheinigung über den Anmeldeversuch aus. | |
| „Wir bekommen alle eine Bescheinigung, auf der wir bestätigt bekommen, dass | |
| wir versucht haben, uns anzumelden. Mit dieser Bescheinigung dürfen wir | |
| weiterarbeiten“, berichtet Johanna Weber. „Aber es ist die Frage, ob die | |
| anderen Bundesländer uns arbeiten lassen, wenn wir mit so einem komischen | |
| Zettel kommen, auf dem steht: Wir haben versucht uns anzumelden, aber | |
| leider gab es noch keine Behörde.“ | |
| 8 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Elisabeth Kimmerle | |
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