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# taz.de -- Aktivistin über Zwangsprostitution: „Razzien diskreditieren die …
> Der große Einsatz der Polizei macht die Aktivistin Stephanie Klee sehr
> stutzig. Prostitution sollte man wie behandeln wie andere Berufe auch,
> sagt sie.
Bild: Sind Frauen, die als Sexarbeiterinnen arbeiten, automatisch ausgebeutet?
taz: Frau Klee, [1][die Razzia der Bundespolizei] hat sich gegen
Menschenhandel, Zwangsprostitution und Ausbeutung gerichtet. Ist sie ein
Erfolg?
Stephanie Klee: Das würde ich auf keinen Fall sagen. Noch liegen überhaupt
keine Ergebnisse vor. Und bei einem so großen Polizeieinsatz stellt sich
natürlich die Frage, ob das verhältnismäßig ist oder ob es eher darum geht,
in der Öffentlichkeit ein Signal zu setzen: Prostitution ist durchsetzt von
Kriminalität. Man muss deshalb abwarten und in den nächsten Wochen sehen,
was von den Vorwürfen übrig bleibt.
Es gibt 56 Verdächtige und sieben Haftbefehle. Thailändische Frauen und
Transmenschen sollen mit gefälschten Visa nach Deutschland geschleust
worden sein, um hier anzuschaffen. Das Geld, das dabei verdient wurde,
sollen sie abgegeben haben müssen. Wenn sich das bestätigt, ist es ein
Erfolg, oder?
Jeder Erfolg gegen Kriminalität ist gut. Aber ob das in diesem Fall
tatsächlich so endet, ist völlig offen. Noch ist unklar, warum die
jeweiligen Personen festgenommen wurden, vielleicht geht es oft nur um den
Missbrauch von Aufenthaltsrecht. Es ist nicht bestätigt, dass die Frauen
nicht freiwillig gekommen sind, es ist nicht bestätigt, dass sie Geld
abgenommen bekommen haben. Der große Einsatz von Personal bei der Polizei
macht mich außerdem sehr stutzig.
Warum?
Weil so große Einsätze in der Vergangenheit oft völlig unverhältnismäßig
waren, zum Beispiel beim Artemis in Berlin, bei dem die Vorwürfe von
Menschenhandel und Kooperation mit den Hells Angels nicht bewiesen werden
konnten. In Zusammenarbeit mit den Medien ging es der Polizei damals darum,
ein schlechtes Bild auf die Branche zu werfen. Die Ergebnisse der Razzia
haben das aber überhaupt nicht gerechtfertigt.
Werfen Sie der Polizei vor, dass die aktuelle Razzia eine PR-Kampagne war?
Für einige Fälle in der Vergangenheit werfe ich ihr das vor. Für den
jetzigen Fall werde ich mich hüten, das zu sagen.
Wie groß ist das Problem mit organisierter Kriminalität und Menschenhandel
im Bordellmilieu?
Die Frage ist, was man unter Menschenhandel versteht.
Geschäfte mit Menschen, um sie auszubeuten, zum Beispiel durch
Prostitution. Nehmen wir an, eine Frau möchte aus Thailand nach Deutschland
kommen, das kostet sehr viel Geld und das muss sie hier abarbeiten. Das
wäre Schleusen und Zwangsprostitution.
Juristisch ja. Aber wenn sie mit den einzelnen Frauen sprechen: die wollen
nach Deutschland. Die haben oft schon zu Hause angschafft und wollen das
auch hier tun. Die versprechen sich hier ein deutlich höheres Einkommen.
Für diese Frauen gibt es keinen Weg, um hier legal in der Prostitution zu
arbeiten.
Das macht aber doch die Lage nicht besser, wenn sie dann hier unter Zwang
und in der Illegalität ausgebeutet werden.
Natürlich nicht, Zwang ist Zwang. Alles, was in der Prositution
unfreiwillig passiert, ist ein Straftatbestand und gehört verboten und
verfolgt. Aber ich kann ihnen aus Erfahrung sagen: Diese Frauen nutzen die
illegalisierten Strukturen, um hier arbeiten zu können. Die Prostitution an
sich ist für sie aber in der Mehrheit kein Zwang, diese Arbeit kennen sie
ja schon. Misslich ist dann nur, dass sie sich permanent verstecken und in
verborgenen Prostitutionsstätten arbeiten müssen, um nicht aufzufliegen,
sonst können sie sofort abgeschoben werden. Und das führt zu äußerst
unschönen Situationen für sie.
Angenommen, die Vorwürfe in dem aktuellen Fall erhärten sich – würden Sie
da überhaupt ein Problem sehen?
Das Problem wäre, dass manche wohl gegen das deutsche Ausländerrecht
verstoßen hätten. Dass sie nicht offiziell arbeiten können, weil sie sonst
abgeschoben werden. Dass sie den Kontakt mit den Kolleg*innen nicht in der
gewünschten Situation aufnehmen können, weil sie sich verstecken müssen.
Dass sie nicht selbständig ihre Arbeitsstätten aufsuchen können, so wie ich
das kann.
Das Problem liegt also nicht in der Zwangsprostitution, sondern im
Ausländerrecht?
Wenn wir Gesetze hätten, wie sie etwa für Künstler oder IT-Fachkräfte
gelten, könnten die Frauen bei der deutschen Botschaft in ihrem Heimatland
offiziell einen Antrag stellen und über eine legale Agentur einreisen. Dann
hätten sie dieselben Rechte wie alle anderen auch. Aber es ist eben nicht
möglich, zur Botschaft in Bangkok zu gehen und zu sagen, es gibt einen
Bedarf für thailändische Sexarbeiter*innen, ich möchte in einem deutschen
Bordell arbeiten. Deshalb bleibt nur der illegale Weg. Aber Prostitution
sollte man genauso behandeln wie andere Berufe auch.
Wenn Gewalt, Drogen und Ausbeutung dazugehören, ist das doch nicht mit der
Informatikbranche zu vergleichen.
Wenn Sie sagen, dass Prostitution generell mit Gewalt, Ausbeutung und
Drogen verbunden ist…
… nicht generell, aber bei der aktuellen Razzia scheint es der Fall zu
sein.
Das warten wir erst mal ab. Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Wenn eine
thailändische Frau wie ein IT-Spezialist ein Arbeitsvisum über die deutsche
Botschaft bekommen könnte und die gleichen Rechte wie deutsche
Sexarbeiter*innen hätte, dann hätte sie auch viel bessere Möglichkeiten,
sich gegen Gewalt und Ausbeutung zu wehren.
Nun ist es nach deutschem Ausländerrecht für thailändische Prostitutierte
in absehbarer Zeit nicht realistisch, ein Visum zu bekommen. Trotzdem muss
man doch diejenigen, die hier sind und ausgebeutet werden, schützen. Oder
nicht?
Natürlich. Insbesondere wir in der Branche wehren uns heftig dagegen, dass
ein Bordell sein Geschäft mit Gewalt und Zwang und Ausbeutung macht.
Wie denn?
Indem wird Bordellbetreiber, von denen wir die Information haben, dass sie
sich nicht an Recht und Gesetz halten, aus unserem Verband ausschließen.
Indem wir Seminare durchführen und die Grenzen und Konsequenzen des
Strafgesetzbuches aufzeigen. Indem wir einzelnen Betreibern, die in den
Blickwinkel der Polizei geraten, sagen, lass die Finger von Kriminalität.
Und was ist mit denen, die nicht bei Ihnen organisiert sind, die
tatsächlich illegal und unter Anwendung von Gewalt arbeiten?
Momentan weiß ich noch nicht mal, um welche Bordelle es geht, die angeblich
durchsucht worden sind. Wenn im aktuellen Fall nichts herumkommt, ist es
ein Schauspiel. Aber wenn sich herausstellt, dass die Polizei tatsächlich
Recht mit ihren Vorwürfen hat, dann sage ich: herzlichen Glückwunsch, gut
gemacht.
Die Razzia wird die Diskussion über das Prostituiertenschutzgesetz
beeinflussen, das seit Januar gilt. Wie schätzen Sie das ein?
Allen, die gegen Prostitution arbeiten und sie verbieten wollen, ist der
aktuelle Fall Wasser auf ihren Mühlen. Ohne dass die Ergebnisse abgewartet
werden, werden die Razzien als Beweis herangezogen werden, dass
Prostitution nicht freiwillig passieren kann. Die Razzien werden die
Branche nachhaltig diskreditieren.
Es war eines der Ziele des Prostituiertenschutzgesetzes, Zwangsprostitution
zu verhindern. Vielleicht hat es nun gegriffen?
Die meisten Behörden haben das Gesetz noch nicht mal umgesetzt. Und selbst
wenn: Über das Gesetz erreichen sie sowieso nur diejenigen, die transparent
und gesetzeskonform arbeiten. Wenn die thailändischen Frauen und
Transmenschen illegal hier waren, hätten sie sich gar nicht registrieren
lassen können, wie es das Gesetz fordert, denn dann wären sie ohnehin
direkt der Polizei übergeben worden. Für solche Fälle hilft das Gesetz
überhaupt nicht.
Was wird mit den von der Razzia betroffenen Frauen und Transmenschen Ihrer
Erfahrung nach passieren, wenn sie tatsächlich illegal hier waren?
Die würden so schnell wie möglich abgeschoben werden. Entschädigungen, wie
es manche Opferverbände fordern, oder psychologische Betreuung zur
Aufarbeitung ihrer Erfahrungen würden sie nicht bekommen.
18 Apr 2018
## LINKS
[1] /Menschenhandel-und-Zwangsprostitution/!5499656
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Prostitution
Menschenhandel
Thailand
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