# taz.de -- Sexarbeiterin über neues ProstSchuG: „Denen geht es um Kontrolle… | |
> Johanna Weber vom Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen | |
> klagt gegen das Prostituiertenschutzgesetz. Und erklärt, warum. | |
Bild: Schützt das neue Prostituiertenschutzgesetz die Sexarbeiter*innen? | |
taz: Frau Weber, ab Januar gilt das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz, | |
das eine behördliche Anmeldung vorschreibt, außerdem gibt es strengere | |
Auflagen für die Betriebsstätten. Haben Sie sich schon angemeldet? | |
Johanna Weber: Ich habe es versucht. Ich war im Ordnungsamt | |
Berlin-Tempelhof, aber da bekommt man nur eine Bescheinigung über den | |
Versuch. Eine offizielle Meldebehörde gibt es bisher weder in Berlin noch | |
in den meisten anderen Bundesländern. Für uns wird das total viel Rennerei, | |
und je nach Bundesland wird es auch ganz schön teuer. | |
Sehen Sie das Gesetz vor allem wegen der Kosten kritisch? | |
Auch. Aber vor allem halten wir es für stigmatisierend, kriminalisierend | |
und repressiv. Und wir machen uns große Sorgen um den Datenschutz. | |
Warum? | |
Es fängt schon beim Begriff „Prostituierte“ an. Der trägt überhaupt nicht | |
dazu bei, unsere Arbeit positiver zu bewerten und zu normalisieren. Wir | |
sagen Sexarbeiterinnen, aber das wurde in der Gesetzgebung nicht | |
berücksichtigt. | |
Was halten Sie von der Meldepflicht? | |
Wir müssen künftig einen Prostituiertenpass mitführen, mit Namen oder | |
Künstlernamen und Foto. Vorgeblich ist das zum Schutz gegen Menschenhandel. | |
So nach dem Motto: Alle melden sich an, dann gehen wir mit der Polizei | |
durch die Bordelle – und die Frauen ohne Ausweis sind die Opfer. Das ist | |
natürlich Quatsch. Wer es schafft, Menschen für sich anschaffen zu lassen, | |
für den ist es ein Leichtes, sie zur Meldebehörde zu karren und zur | |
Anmeldung zu zwingen. Genau die, die geschützt werden sollen, werden die | |
Ersten sein, die angemeldet sind. | |
Der Pass bringt also aus Ihrer Sicht nicht viel. Aber jenseits der Kosten | |
schadet er auch nicht wirklich, oder? | |
Doch. Viele Frauen befürchten, dass ungewollt Informationen über sie in | |
Umlauf geraten: Viele, darunter sehr viele Alleinerziehende, wollen nicht, | |
dass ihre Kinder wissen, in welcher Branche sie arbeiten. Sie haben Angst, | |
dass die gespeicherten Informationen an andere Behörden gelangen und sie | |
das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren. Studentinnen fürchten um ihre | |
Zukunft. Wer stellt sie noch ein, wenn bekannt wird, wie sie ihr Studium | |
finanziert haben? Migrantinnen, die in Deutschland bleiben wollen, sorgen | |
sich, dass die Sexarbeit dauerhaft mit ihnen verknüpft wird. Und auch auf | |
der Ebene der Ämter ist völlig unklar, ob der Datenschutz gewährleistet | |
wird. Denen geht es um Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle. | |
Auch in den Betriebsstätten? | |
Auch da geht es vorgeblich um unseren Schutz. Wer wegen Menschenhandel | |
vorbestraft ist, darf künftig kein Bordell mehr eröffnen. Aber das wird zu | |
nichts führen, weil dann eben der beste Freund das Bordell anmeldet. | |
Außerdem sind wir gar nicht so kriminell, wie immer alle glauben. | |
Als Betrieb gilt künftig schon, wenn sich nur zwei Frauen zusammentun. | |
Ja, die müssen dann ein Konzept vorlegen, von dem keiner weiß, wie genau es | |
aussehen soll, und in der Summe sehr teure Auflagen erfüllen, zum Beispiel | |
Alarmanlagen in jedem Zimmer. Davon abgesehen, dass wir in den Bordellen | |
selbst laut Kriminalstatistik wenig gefährdet sind, wird das in kleineren | |
Betrieben nicht funktionieren: Wenn ich den Alarmknopf mal brauchen sollte, | |
komme ich garantiert nicht an ihn heran. Wir dürfen auch nicht mehr in | |
unserer Arbeitsstätte übernachten, weshalb reisende KollegInnen, die von | |
Woche zu Woche die Stadt wechseln, teure Hotelzimmer bezahlen müssen. Das | |
Gesetz verbessert unsere Arbeitsbedingungen überhaupt nicht. | |
Mit welchen Folgen rechnen Sie? | |
Viele Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität gedrängt. Und sehr viele | |
kleinere Bordelle werden schließen. Bisher sind die meisten in Wohnungen, | |
in der zwei, drei Frauen zusammenarbeiten. Das sind gute Arbeitsplätze, die | |
Frauen haben dort ihre Ruhe und wollen oft nicht in die großen Häuser. Aber | |
dorthin müssen sie dann. | |
Ist das etwas Schlechtes? | |
Große Bordelle sind nicht automatisch schlecht. Aber während die kleinen | |
Betriebe oft von Frauen geführt werden, sind die Chefs der großen meistens | |
Männer. Es ist aber wichtig, dass die Frauen die Wahl haben, wo und mit wem | |
sie arbeiten wollen. Die kleinen sind viel privater, dort kann man auch mit | |
50 plus noch arbeiten und muss den ganzen Schnickschnack, wie Puschel auf | |
dem Busen, nicht mitmachen. Die Abhängigkeit wird also viel größer. Dass | |
Frauen in den Bordellen ihre Rechte einfordern, fängt gerade erst an. Und | |
jetzt wird das im Keim erstickt. Wenn man sich beschwert, wird es heißen: | |
Geh doch woanders hin. Aber woanders gibt es dann eben nicht mehr. | |
Welche Regelungen wären sinnvoller gewesen, um Sexarbeiterinnen besser zu | |
schützen? | |
Vor allem sollte uns der Gesetzgeber nicht kopflos aus der Branche „retten“ | |
wollen, aber keine Ahnung haben, was nach der Rettung passiert. Für die | |
Kolleginnen, die tatsächlich lieber etwas anderes machen möchten, bräuchten | |
wir vor allem alternative Beschäftigungsmöglichkeiten. Nehmen Sie junge | |
Osteuropäerinnen, die können oft kein Deutsch, manche nicht mal lesen oder | |
schreiben. Von irgendwas müssen sie ja leben, aber da wird überhaupt nicht | |
drüber gesprochen. Die sind ja nicht blöd, die sind jung und können noch | |
alles lernen. | |
Und darüber hinaus? | |
Wir wollen Entstigmatisierung. Die Bundesregierung müsste endlich | |
akzeptieren, was wir machen, und mit uns darüber reden, was wir wirklich | |
brauchen und wollen, zum Beispiel bundesweite Fortbildungsmöglichkeiten und | |
aufsuchende Beratung innerhalb der Branche, soziale Absicherung besonders | |
für Migrantinnen ohne Krankenversicherung. | |
Sie haben im Juni Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht. Wie | |
ist der Stand? | |
Wir haben noch keine Rückmeldung. Aber auch wenn die Beschwerde Erfolg | |
haben sollte, wird nicht das ganze Gesetz wieder gekippt, sondern nur | |
einzelne Punkte wie die Unverletzbarkeit der Wohnung. Laut Gesetz darf die | |
Polizei ab Januar überall dort, wo sie Sexarbeit vermutet, einfach | |
reingehen. Das ist mit dem Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung | |
unserer Ansicht nach nicht vereinbar. | |
Wollen Sie noch in anderer Form gegen das Gesetz aktiv werden? | |
Wir haben gerade Anfragen an die Datenschutzbeauftragten der Bundesländer | |
gestellt: Die sollen prüfen, ob die Daten auch tatsächlich bleiben, wo sie | |
sind. Letztlich hoffen wir aber darauf, dass die Bundesregierung nach und | |
nach merkt, dass das Gesetz unglaublich teuer ist, aber zu nichts Gutem | |
führt. | |
27 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
## TAGS | |
Sexarbeit | |
Prostitutionsschutzgesetz | |
Zwangsprostitution | |
Bordell | |
Prostituiertenschutzgesetz | |
Prostituiertenschutzgesetz | |
Prostitution | |
Prostitution | |
Prostituiertenschutzgesetz | |
Prostituiertenschutzgesetz | |
taz-Serie Sexuelle Gewalt | |
Sexarbeit | |
Mithulogie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
BVerfG zu Prostituiertenschutzgesetz: „Abstrakt, fiktiv und lückenhaft“ | |
Karlsruhe nimmt die Klage von Sexarbeiter*innen nicht an. Das | |
Prostituiertenschutzgesetz schade mehr, als dass es nutze, kritisieren | |
diese. | |
Ein Jahr Prostituiertenschutzgesetz: Angst vor Datenlecks | |
Ein Jahr nach Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes ist nur ein | |
Bruchteil aller Hamburger Sexarbeiter*innen angemeldet. Branchenkenner | |
sehen vor allem Nachteile. | |
Aktivistin über Zwangsprostitution: „Razzien diskreditieren die Branche“ | |
Der große Einsatz der Polizei macht die Aktivistin Stephanie Klee sehr | |
stutzig. Prostitution sollte man wie behandeln wie andere Berufe auch, sagt | |
sie. | |
Prostitution in Leipzig: „Ohne Straßenstrich gibt’s keine Hilfe“ | |
Sexarbeit findet in Leipzig vor allem hinter verschlossenen Türen statt. | |
Sozialarbeiterin Viola Butzlaff kümmert sich um Prostituierte. | |
Prostituiertenschutzgesetz in Sachsen: Massage nur noch mit Hurenausweis | |
Auf Länderebene zeigen sich die Fehler des Prostituiertenschutzgesetzes. Es | |
treibt nicht nur Sexarbeiter*innen in die Illegalität. | |
Protest gegen Prostituiertenschutzgesetz: Entmündigung statt Schutz | |
Ab 2018 müssen sich Prostituierte beim Amt registrieren. Aus Protest wollen | |
sie sich alle unter dem Künstlernamen „Alice Schwarzer“ anmelden. | |
Sexuelle Gewalt und Prostitution: Das Problem ist euer Bild von uns | |
Sexuelle Belästigung gibt es in der Prostitution wie in jedem anderen Job. | |
Es braucht Lösungsansätze, die nicht die gesamte Kundschaft | |
kriminalisieren. | |
Kolumne „Mithulogie“: Mein Unterleib gehört mir? | |
Hebammen und Sexarbeiterinnen leiden unter neuen Gesetzen. Welche Rolle | |
spielen ihre Rechte im Bundestagswahlkampf? | |
Kolumne „Mithulogie“: Je suis un*e travailleur du sexe! | |
Das Prostituiertenschutzgesetz ist eine Katastrophe. Also lasst uns aus | |
Solidarität mit den SexarbeiterInnen alle Hurenpässe beantragen! |