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# taz.de -- Pressefreiheit in Berlin: Hass via Facebook
> Auch in Berlin werden Journalisten eingeschüchtert oder angegriffen.
> Rot-Rot-Grün will einen Jahresbericht über den Stand der Pressefreiheit
> einführen.
Bild: Kein sicheres Pflaster für Journalisten: Bärgida-Demos in Berlin, hier …
Wenn derzeit das Stichwort Pressefreiheit fällt, dann meist im Zusammenhang
mit der Türkei. Doch auch in Berlin werden Journalisten in ihrer Arbeit
eingeschränkt oder dabei bedroht, wie die Antwort des Senats auf eine
kleine Anfrage des grünen Abgeordneten Stefan Gelbhaar zeigt. Danach hat
die Polizei im Jahr 2016 insgesamt 29 Fälle von tätlichen Angriffen,
Drohungen oder Einschüchterungsversuchen registriert.
Verglichen mit Diktaturen und Quasi-Diktaturen ist das eine geringe Zahl.
Aber: „Viele Übergriffe und Anfeindungen werden mutmaßlich gar nicht zur
Anzeige gebracht“, glaubt Gelbhaar. Für die Polizei ist der Umgang mit
Taten dieser Motivation neu: Vergleichszahlen aus früheren Jahren liegen
nicht vor, da die Polizei bundesweit erst seit 2016 eine Statistik mit
„gegen Medien“ gerichteten Straftaten führe, schreibt die Justizverwaltung
in der Antwort auf die Anfrage.
Aufgelistet sind dort nur jene Fälle, die sich gegen einzelne Personen
richten, und nicht jene gegen Medieneinrichtungen, also etwa Schmierereien
an Verlagshäusern. Und mehr als die Hälfte der 29 Straftaten bezieht sich
auf ein von einer Journalistin auf Youtube veröffentlichtes Video: In 16
Fällen ermittelt die Polizei gegen Youtube-Nutzer, die zu dem Video
mutmaßlich beleidigende oder antisemitische Kommentare geschrieben hatten.
Mehrere weitere Straftaten werden Rechtsextremen zugeschrieben, darunter
ein im April auf Facebook veröffentlichter Steckbrief mit 20 Namen und
Fotos von dort als „Antifa-Fotografen“ bezeichneten Fotojournalisten sowie
Einschüchterungsversuche bei Menschen, die über rechte Kundgebungen
berichteten.
## Ermittlungen gegen Linke
Ähnliche Ermittlungen laufen laut der Aufzählung gegen Linke, etwa nachdem
laut Polizei eine „dunkel gekleidete Person“ einer Journalisten auf einer
Demo „für Freiräume“ im Februar das Mikrofon entrissen habe. Meist wird
wegen Beleidigung ermittelt, in wenige Fällen auch wegen Körperverletzung
und dem Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz, wenn offenbar Bilder
unerlaubt im Netz verbreitet wurden.
Seit gut drei Jahren haben Bedrohungen und Beleidigungen von Journalisten
sprunghaft zugenommen, berichtet Andreas Köhn,
Verdi-Landesfachbereichsleiter Medien. Er macht dafür den Beginn der
Pediga-Demos sowie ihre Ableger auch in Berlin verantwortlich und den damit
salonfähig gewordenen Pauschalvorwurf der „Lügenpresse“. „Seit 2014 kann
man von einer jährlichen Verdoppelung reden“, sagt Köhn.
Etwa 70 Anfragen nur aus Berlin, wie man mit solchen Beschimpfungen und
Drohungen umgehen solle, habe Verdi 2017 bekommen. Selbst Journalisten, die
positiv über die Rechtsausleger berichten, seien betroffen. „Wir empfehlen,
alle Vorfälle anzuzeigen und mit der eigenen Email-Adresse sorgfältig
umzugehen“, sagt Köhn.
Zudem hätten sich ein Kamerateam und zwei Fotografen wegen tätlicher
Übergriffe bei Demonstrationen im Jahr 2017 bei Verdi gemeldet. „Aber es
melden sich ja nicht alle Betroffenen – meist erfahren wir nur davon, wenn
Schäden an der Technik entstanden sind“, so Köhn.
## Viele verschiedene Zahlen
Auch die unabhängige Opferberatungsstelle ReachOut führt eine eigene
Statistik. Danach gab es 2015 zehn Übergriffe auf Journalisten in Berlin,
2016 lediglich zwei. Die vielen unterschiedlichen Zahlen belegen zumindest,
wie unklar die Datenlage ist. Der rot-rot-grüne Senat will das ändern: Wie
bereits im Koalitionsvertrag festgelegt soll kritischer Journalismus
gestärkt und ein Rechtshilfefonds für Journalisten eingerichtet werden.
Zudem will Rot-Rot-Grün jedes Jahr ein Gutachten über mögliche Verletzungen
der Pressefreiheit erstellen.
Für beide Anliegen wird in dem vergangene Woche beschlossenen Haushalt
doppelt so viel Geld bereitstehen wie ursprünglich vom Senat geplant, freut
sich der Grüne Stefan Gelbhaar. Insgesamt 122.000 Euro pro Jahr.
Langfristiges Ziel dieses Engagements: „Wir wollen Berlin zum
internationalen Zentrum der Medien- und Kreativwirtschaft ausbauen.“
20 Dec 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Übergriffe
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