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# taz.de -- Pädagogin über Antisemitismus: „Überall dient ‚Jude‘ als S…
> Kürzlich brannten in Berlin Israelflaggen. Saba-Nur Cheema von der
> Bildungsstätte Anne Frank über Antisemitismus unter Muslimen und
> Gegenmaßnahmen.
Bild: Demonstrierende verbrennen eine selbstgemalte Fahne mit Davidstern am 10.…
taz: Frau Cheema, was empfinden Sie, wenn Sie brennende Israelflaggen in
Berlin sehen?
Saba-Nur Cheema: Erschütterung. Es hat mich schockiert, so etwas erneut zu
sehen. Das war ja nicht das erste Mal.
Lassen Sie das Argument gelten, es gehe bei dieser Art von „Protest“ „nur…
um Kritik am Staat Israel?
Nein. Eine Flagge zu verbrennen, ist ein hetzerischer Akt, es geht darum,
etwas auszulöschen. Mit der Ideologie, dass Juden vernichtet werden
sollten, sehen sie sich seit Jahrhunderten konfrontiert. Das Existenzrecht
Israels zu hinterfragen, speist sich aus genau dieser antisemitischen
Logik.
Einige Medien titeln derzeit mit der Frage, wie gefährlich der muslimische
Antisemitismus sei. Was würden Sie darauf antworten?
Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, es gibt
nicht den muslimischen Antisemitismus. Was wir aber beobachten, ist, dass
es spezifische Artikulationsformen von Antisemitismus gibt, und genau mit
diesen müssen wir uns viel intensiver auseinandersetzen. Jugendliche mit
muslimisch-arabischem Background äußern oftmals einen stärkeren
Israelbezug, haben eine deutlich emotionalere Verbindung zu dem Staat. Da
spielt die geografische Nähe zu dem Konflikt eine entscheidende Rolle, auch
wenn sie selbst gar keine Migrationsgeschichte mehr haben.
Also existieren diesbezüglich Unterschiede zwischen der muslimischen und
nichtmuslimischen Community?
Antisemitische Feindbilder existieren überall auf der Welt, in jeder
Community. „Du Jude“ wird allerorts als Schimpfwort verwendet, unabhängig
von Herkunft oder Religion. Gerade deshalb ist es aber so wichtig, die
spezifischen Anknüpfungsmomente zu lokalisieren. Aktuell werden die Muslime
zu einer homogenen Gruppe stilisiert, die sie schlichtweg nicht sind.
Natürlich werden in muslimisch-arabischen Familien andere Narrative und
Geschichten weitergegeben als in nichtmigrantischen Familien. Was ich
wahrnehme, ist etwa, dass Jugendliche mit muslimischem Background weniger
Hemmungen zeigen, als diejenigen, die aufgrund der deutschen Vergangenheit
vorsichtig sind. Doch sollte man das nicht identitätspolitisch begründen,
sondern die Person vom Problem entkoppeln.
Wie kann das funktionieren?
Indem klar wird, dass man Antisemitismus und Rassismus nur zusammendenken
kann. Wer behauptet, muslimische Araber seien per se antisemitisch, bedient
sich eines rassistischen Vorurteils. Das ist die gleiche Verdachtslogik und
Homogenisierung wie bei den Behauptungen, Muslime seien generell
sexistisch, homophob und gewalttätig. Es geht darum, die spezifischen
Artikulationsformen des Antisemitismus in der muslimischen Community zu
benennen, ohne Muslime zu diffamieren oder Applaus von rechts zu bekommen.
Das ist ein ständiger Balanceakt.
Haben Sie Empfehlungen, wie das gelingen kann?
Die pädagogische Kompetenz in Schulen muss diverser werden. Ich selbst habe
einen muslimischen Background und kann mit muslimischen Jugendlichen ganz
anders ins Gespräch kommen. Wir brauchen muslimische Verbände als
Verbündete, aber auch die Mitarbeit der Mehrheitsgesellschaft. Ich werde
von Personen der Mehrheitsgesellschaft häufig gefragt, wie es denn sein
könne, dass ich in der Bildungsstätte Anne Frank arbeite, obwohl ich das
doch gar nicht „müsse“, weil es nicht „meine Geschichte“ sei. Doch die
Schoah ist Teil der Menschheitsgeschichte.
14 Dec 2017
## AUTOREN
Hanna Voß
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Gaza
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