| # taz.de -- Betroffener über die G20-Razzia: „Das ist eine große Show“ | |
| > Nach dem G20-Gipfel durchsuchen Polizisten Wohnungen und linke Zentren | |
| > nach Beweisen für Straftaten. In Hamburg besuchen sie einen alten | |
| > Bekannten. | |
| Bild: Sponti mit Transpi: Nach der Razzia bei G20-GegnerInnen demonstrieren Lin… | |
| taz: Herr Ergün, sind Sie der Häuptling der militanten Gipfelgegner und | |
| Riot-Kids? | |
| Deniz Ergün*: Natürlich nicht. So jemanden gibt es nicht in der radikalen | |
| Linken. Denn sie ist ja nicht monolithisch aufgebaut, sondern hat | |
| verschiedene Spektren und Farben. Ich bin ja noch nicht mal Häuptling in | |
| meiner eigenen Küche. | |
| Bei der Razzia am Dienstagmorgen wurde in Hamburg nur Ihre Wohnung | |
| durchsucht – zum zweiten Mal wurden Ihr Rechner und Ihr Handy einkassiert. | |
| Das ist eine große Show, die die Polizei da abgezogen hat, weil die Sachen, | |
| die sie mitgenommen hat, exakt die gleichen sind, wie bei der ersten | |
| Hausdurchsuchung. Ich habe mein Handy und meinen Rechner ja erst am 17. | |
| Juli wieder in Empfang genommen, also waren sie während des G20-Gipfels | |
| drei Wochen lang in der Asservatenkammer. Was glauben die also, da zu | |
| finden, was sie nicht eh schon hatten? Glauben die, dass ich im Nachhinein | |
| irgendwelche E-Mails geschickt habe, um die Aktionen zu organisieren? Auf | |
| mich wirkt das albern. | |
| Welchen Grund vermuten Sie dahinter? | |
| Die Polizei versucht, die anderen Demonstranten über mich zu | |
| kriminalisieren. Das haben sie beim Protestcamp im Volkspark auch so | |
| gemacht. Sie stellt mich an den Pranger, weil es neu für sie ist, dass | |
| jemand aus der radikalen Linken öffentlich auftritt. | |
| Warum sollte die Polizei andere über Sie kriminalisieren? | |
| Der Verfassungsschutz versucht schon seit Jahren, mich in die | |
| terroristische, linksextreme Szene zu ziehen. Ich bin der einzige aus der | |
| radikalen Linken in Hamburg, der mehrmals namentlich im | |
| Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Über mich werden dann legale | |
| Strukturen, wie das Protestcamp zum G20-Gipfel, in die linksradikale Ecke | |
| gestellt. | |
| Laut Hamburger Polizei wurde Ihre Wohnung jetzt durchsucht, weil sie bei | |
| einer Aktion am Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld dabei waren. | |
| Ich war da und einer der 14 Menschen, die dort verletzt wurden und ins | |
| Krankenhaus kamen. Ich war also haftunfähig und wurde nicht in die | |
| Gefangenensammelstelle mitgenommen. Meine Verletzung war aber nicht so | |
| schwer wie bei anderen, die zum Teil offene Knochenbrüche hatten. Ich hatte | |
| nur eine Sprunggelenkfraktur. | |
| Wie lange waren Sie im Krankenhaus? | |
| Nur ein paar Stunden. | |
| Und Sie haben seitdem nichts mehr von der Polizei gehört? | |
| Von der Polizei nicht, aber von der Staatsanwaltschaft und vom Gericht. Die | |
| ermitteln noch. | |
| Was war das Ziel der Aktion am Rondenbarg? | |
| Die Demonstranten am Rondenbarg bildeten einen der „Finger“, der losgezogen | |
| ist, um in die rote oder demokratiefreie Zone rund um die Versammlungsorte | |
| der Gipfelteilnehmer vorzudringen. Es ging darum, mit einer Demo oder | |
| Sitzblockade ein Zeichen für die Versammlungsfreiheit zu setzen. Auf dem | |
| Weg dorthin wurden wir von den Polizisten verprügelt. Es gibt ja die | |
| Videos, wie sie auf uns zulaufen. | |
| Auf Videos ist zu sehen, dass zunächst wohl Steine flogen. Die Polizei | |
| sagt, Sie waren Teil einer militanten Gruppe, die die Beamten angegriffen | |
| hat. Sehen Sie sich als Demonstrant, der seine Meinung kundtun wollte oder | |
| als radikalen Staatsfeind? | |
| Ist das ein Widerspruch? Wir waren dort auf einer Demonstration, hatten ein | |
| Fronttransparent und haben politische Parolen gerufen – und wir hatten | |
| einen gemeinsamen Zweck, der nicht Gewalt war. Wir werden jetzt auch von | |
| der Polizei mit Hooligans verglichen. Das ist aber Schwachsinn. Ich sehe | |
| mich als politischen Aktivisten. | |
| Kannten Sie die Anwesenden? | |
| Nein. Die Leute sind vom Camp losgegangen. Es war jedem möglich, daran | |
| teilzunehmen. Wie sich herausgestellt hat, waren ja auch verdeckte | |
| Ermittler dabei. | |
| Warum dreht sich jetzt so viel um diesen Vorfall? | |
| Weil ein Drittel der überhaupt Festgenommenen von dort kommen. Wenn die | |
| Verfahren zum Rondenbarg ins Leere laufen, verliert die Polizei ihr | |
| Gesicht. Dann hatte sie nicht nur die Situation in der Schanze nicht im | |
| Griff, sondern es fallen auch noch ein Drittel der Ermittlungsverfahren | |
| weg. Ich glaube aber, wenn man das juristisch betrachtet, wird Rondenbarg | |
| fallen. | |
| Beim ersten Mal wurde ihre Wohnung durchsucht, weil Sie der taz ein | |
| Interview gegeben haben sollen. Wie lief das ab? | |
| Die Polizisten haben mit einem Rammbock die Tür aufgebrochen. Und dann | |
| standen die mit Maschinenpistolen im Anschlag vor mir und haben mich aus | |
| dem Bett gezogen. Ich lag dann auf dem Boden und wurde fixiert. | |
| Über die verschlüsselten Nachrichtendienste Signal und Telegram kursierten | |
| bereits am Montag Warnungen vor bevorstehenden Hausdurchsuchungen. Sind Sie | |
| auch vorgewarnt gewesen? | |
| Dazu will ich nichts sagen. | |
| Sie treten als Sprecher auf, es gibt Fotos von Ihnen bei der Deutschen | |
| Presseagentur. Was finden die Beamten auf Ihrem Rechner? | |
| Irgendwelche privaten E-Mails und Photoshop-Dateien. Aber ich glaube, jeder | |
| ist klug genug, um zu wissen, dass man klandestine Sachen klandestin | |
| organisiert und nicht vom Privatrechner zu Hause. | |
| Setzen Ihnen diese Erfahrungen zu? | |
| Es ist nicht schön, morgens von der Polizei geweckt zu werden. Man | |
| entwickelt schon eine Trotzhaltung. Wer sich bewegt, spürt die Fesseln, hat | |
| Rosa Luxemburg einmal gesagt. | |
| Sie sind ja bereits viele Jahre in der antiimperialistischen Szene aktiv. | |
| Nimmt die Polizei Leute wie Sie jetzt ernster? | |
| Als Migrant hat man immer Repressionserfahrungen. Durch das Racial | |
| Profiling ist man immer stärker im Täterprofil. Meine Eltern kommen auch | |
| aus der radikalen Linken aus der Türkei, deswegen ist mir so etwas nicht | |
| ganz neu. Aber es war schon eine neue Erfahrung mit Maschinengewehren | |
| geweckt zu werden. | |
| Warum sind Sie der Hauptfeind der Polizei geworden? | |
| Weil ich Interviews gebe und so eine andere Sicht biete. Sie wollen, dass | |
| sich die Linken in ihrer Szene bewegen, aber bitte nicht in der | |
| Öffentlichkeit. | |
| In der autonomen Szene ist das Gesicht-zeigen völlig unüblich. Warum machen | |
| Sie das? | |
| Das war eine Einsicht in die Notwendigkeit. Es musste jemand zum G20-Gipfel | |
| sein Gesicht anbieten. Ohne jemanden, der etwas in die Kamera sagt, kommt | |
| man nicht in die Medien. Wenn man sich dabei vermummt, kommt das ein | |
| bisschen albern rüber. | |
| Also zahlen Sie jetzt den Preis dafür? | |
| Ja, so ist das. | |
| 6 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
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