# taz.de -- Knesset-Abgeordneter über Jerusalem: „Das Ergebnis kann neue Gew… | |
> Seit Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat, droht | |
> eine Eskalation in Nahost. Der linke Abgeordnete Dov Khenin über seine | |
> Befürchtungen. | |
Bild: Aufgeheizte Stimmung: Nach Trumps Statement kommt es zu Konfrontationen i… | |
taz am wochenende: Herr Khenin, US-Präsident Donald Trump will in Kürze | |
seinen Plan für einen „Jahrhundertdeal“ und für Frieden im Nahen Osten | |
vorstellen. Wie passt das zusammen mit der [1][Erklärung, Jerusalem als | |
Hauptstadt Israels anzuerkennen]? | |
Dov Khenin: Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Trump, wenn er von einem | |
Jahrhundertdeal spricht, selbst genau weiß, wovon er eigentlich spricht. | |
Trump liebt Slogans. Sehr oft sind sie völlig inhaltslos. | |
Dass die USA Jerusalem als Hauptstadt akzeptieren, ändert konkret vor Ort | |
erst einmal gar nichts. Wie erklären Sie sich den großen Unmut? | |
In der internationalen Gemeinschaft bestand über viele Jahre die Haltung, | |
dass beim Thema Jerusalem, einem der empfindlichsten Punkte, eine alle | |
Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden muss. Auf internationaler | |
Ebene gilt Ostjerusalem als besetztes Gebiet, und solange das so ist, wird | |
der Status von Jerusalem nicht verändert, man schafft dort keine Tatsachen, | |
war die Übereinkunft. Die Erklärung Trumps weicht radikal von dieser | |
Position, die im Übrigen auch die USA bislang vertraten, ab. | |
Trump spricht von Westjerusalem, wo Israels Regierung ohnehin schon seit | |
fast 70 Jahren sitzt. | |
Nein, eben nicht. Er spricht nicht nur von Westjerusalem. Das ist genau das | |
Problem. Würde er von Westjerusalem reden, hieße das, dass er Ostjerusalem | |
als besetztes Gebiet anerkennen würde. Das wäre ein komplett anderes Bild. | |
Tatsache ist, dass er von Jerusalem insgesamt spricht. Deshalb wird seine | |
Erklärung auf internationaler Ebene als so problematisch empfunden. | |
Der Status Jerusalems stand, eben weil eine Einigung so schwer ist, bei | |
Friedensverhandlungen immer ganz hintenan. Trotzdem haben die Verhandlungen | |
nicht funktioniert. Sollte man es nicht einmal umgekehrt versuchen: Erst | |
eine Einigung für Jerusalem und danach für den Rest? | |
Es ist völlig klar, dass es am Ende zwei Staaten geben wird, die Seite an | |
Seite koexistieren, Israel und Palästina. Beide Seiten haben Forderungen, | |
was Jerusalem betrifft, und auch legitime Ansprüche. Deshalb wird die | |
Zweistaatenregelung auch eine Regelung der zwei Hauptstädte, Ostjerusalem | |
für Palästina und Westjerusalem für Israel, beinhalten. Das ist ein simples | |
Prinzip. Natürlich gibt es Widerstand und Gegner einer Teilung. Wenn wir | |
eine Lösung wollen, ist das der einzige Weg. | |
Israels Regierung sitzt in Westjerusalem. Rund 150 Staaten haben Palästina | |
während der UN-Vollversammlung 2012 schon anerkannt. Warum gibt es nicht | |
jetzt schon internationale Anstrengungen zur Anerkennung Ostjerusalems als | |
Hauptstadt Palästinas? | |
Die internationale Gemeinschaft muss auf jeden Fall eine viel aktivere | |
Rolle im Nahen Osten spielen, denn wir reden hier von einer extrem | |
empfindlichen Region. Wenn es uns nicht gelingt, ein Friedensabkommen zu | |
erreichen, laufen wir Gefahr, in Gewalt abzurutschen. Ein Krieg im Nahen | |
Osten birgt das Potenzial einer Explosion, die Folgen für die gesamte Welt | |
haben wird, deshalb sollte es das Interesse der gesamten internationalen | |
Gemeinschaft sein, auf die Entwicklungen hier einen größeren Einfluss zu | |
nehmen und darauf hinzuwirken, dass es zwei Staaten mit zwei Hauptstädten | |
in Jerusalem gibt. | |
Was könnte die Welt, die EU oder Deutschland tun? | |
Ich würde gern sehen, dass die europäischen Staaten Palästina anerkennen | |
und in diesem Rahmen auch Ostjerusalem als palästinensische Hauptstadt. Das | |
würde den Prozess, der auf die Zweistaatenlösung abzielt, sehr stärken. | |
Was halten Sie von einem Boykott der Produkte, die in Siedlungen | |
hergestellt werden? | |
Die internationale Gemeinschaft betrachtet die Siedlungen als Verletzung | |
der Genfer Konvention. Besatzungsmächten ist eine Besiedlung der eroberten | |
Gebiete verboten. Der internationale Protest gegen die Siedlungen ist | |
deshalb logisch – einerseits politisch, weil sie ein Hindernis auf dem Weg | |
zum Frieden darstellen, und zum zweiten juristisch, denn mit den Siedlungen | |
verstößt Israel gegen internationales Recht. Deshalb ist es sinnvoll, | |
zwischen den Siedlungen und Israel zu unterscheiden. | |
Die Palästinenser lehnen Trump nun als Vermittler im Friedensprozess ab. | |
Welche Alternativen hat die PLO? | |
Ich glaube nicht, dass Trump diese Rolle aufgibt, tatsächlich hat er sie | |
nie erfüllt. Er war nie ein fairer Vermittler, sondern er unterstützte die | |
Politik von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wenn die Palästinenser | |
hier Illusionen hatten, dann wird sie sein letzter Schritt eines Besseren | |
belehrt haben. Die Palästinenser müssen ihren Kampf für die Freiheit und | |
Unabhängigkeit fortsetzen. Das sollte ein legitimer politischer Kampf sein, | |
ohne Gewalt, die nur noch mehr Schaden anrichtet. Parallel dazu sollte man | |
auf diplomatischer Bühne agieren, um internationale Rückendeckung für | |
dieses Ziel zu erwirken. | |
Die Palästinensische Autonomiebehörde stellte in der Vergangenheit | |
wiederholt in Aussicht, die Verantwortung für das besetzte Westjordanland | |
an Israel zurückzugeben. Halten Sie das für möglich, und wenn ja, welche | |
Konsequenzen würde das nach sich ziehen? | |
Die Autonomiebehörde befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Auf | |
der einen Seite trägt sie Verantwortung, auf der anderen hat sie keine | |
Zuständigkeit, keine Souveränität. Vor diesem Hintergrund sind die Stimmen | |
innerhalb der palästinensischen Führung verständlich, die dazu aufrufen, | |
die Behörde aufzulösen. Meine Aufgabe ist es nicht, den Palästinensern | |
Ratschläge zu erteilen, sondern ich muss mich in Israel dafür starkmachen, | |
ein Chaos in den palästinensischen Gebieten zu verhindern, denn das wäre | |
nicht nur für die Palästinenser schlimm, sondern auch für Israel. Wir | |
müssen tun, was nötig ist, um die Verhandlungen voranzutreiben, um den | |
Palästinensern eine Perspektive, eine Hoffnung, zu geben und die Auflösung | |
der erreichten Abkommen zu verhindern. | |
Der palästinensische Chefunterhändler bei bisherigen Friedensverhandlungen, | |
Saeb Erekat, hat diese Woche die Zweistaatenlösung für tot erklärt. Ist sie | |
das? | |
Ich kann die Frustration der Palästinenser, die seit Jahren versuchen, eine | |
Lösung voranzutreiben, und damit bei der israelischen Führung auf komplette | |
Ablehnung stoßen, gut verstehen, aber ich sehe noch immer keine Alternative | |
zur Zweistaatenlösung. | |
Ihre Partei Chadasch, die Teil der Vereinten Liste ist, setzt sich eine | |
Neudefinierung Israels zum Ziel, nach der Israel kein jüdischer Staat wäre, | |
sondern Staat aller seiner Bürger. Wie viele Israelis könnten damit leben? | |
Das stimmt so nicht. Chadasch unterstützt das Recht Israels, sich selbst zu | |
definieren. Was wir ablehnen, ist, dass dieses Recht zum Instrument wird, | |
um eine Volksgruppe zu diskriminieren. Wenn in Israel von einem jüdischen | |
Staat gesprochen wird, dann bedeutet das, dass die Araber zu Bürgern | |
zweiter Klasse werden. Dem stimmen wir nicht zu. Ich bin überzeugt, dass | |
sich eine breite Öffentlichkeit in Israel einen demokratischen Staat | |
wünscht, in dem das Recht, die Nation selbst zu definieren, nicht zur | |
Diskriminierung der arabischen Minderheit führt. | |
Nicht nur Erekat spricht vom Ende der Zweistaatenlösung. Immer mehr | |
Palästinenser präferieren die Einstaatenlösung. Was halten Sie davon? | |
Die Einstaatenlösung wäre keine Option. Ich glaube nicht, dass die Israelis | |
und die Palästinenser in einem Staat zusammenleben wollen. Der Konflikt | |
sitzt zu tief. | |
Die Fronten im Nahen Osten verschieben sich. Die Bedrohung durch einen | |
erstarkten Iran, möglicherweise eines Tages Atommacht, führt zu einer | |
Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien. Hat dieses neue Bündnis ohne | |
Lösung des Besetzungsproblems Überlebenschancen? | |
Die Besetzung bleibt ein Hindernis, das eine Zusammenarbeit zwischen Israel | |
und einem Teil der arabischen Staaten verhindern wird, obwohl derzeit | |
Anstrengungen unternommen werden, verstärkt zu kooperieren. Solange das | |
Palästinenserproblem nicht gelöst ist, wird das kaum gelingen. | |
Die Hamas hat gedroht, die Intifada wieder aufleben zu lassen. Rechnen Sie | |
mit einer neuen Welle der Gewalt? | |
Wenn es uns nicht gelingt, eine Lösung zu erreichen, die beiden Seiten, den | |
Israelis und den Palästinensern, eine Hoffnung gibt, dann fürchte ich, wird | |
es am Ende zur Explosion kommen. So wie jetzt kann es auf die Dauer nicht | |
weitergehen. Wenn wir nicht vorankommen, wird es Rückschläge geben, und das | |
Ergebnis kann eine neue Runde der Gewalt sein, bei der viel, viel Blut | |
vollkommen unnütz vergossen wird. | |
8 Dec 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Trumps-Nahostplan/!5468500 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Lesestück Interview | |
Jerusalem | |
Israel | |
Palästina | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Jerusalem | |
Uno | |
Israel | |
Israel | |
Jerusalem | |
Gaza | |
Israel | |
Israel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Jerusalem | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung: PLO auf Konfrontationskurs | |
Ostjerusalem ist die Hauptstadt Palästinas, erklärt der Zentralrat der | |
Palästinensischen Befreiungsorganisation – und kündigt den Friedensprozess | |
auf. | |
Beschluss der UN-Vollversammlung: Resolution trotz Drohung | |
Die UN-Vollversammlung äußert „tiefes Bedauern“ wegen Trumps | |
Jerusalem-Entscheidung. 128 der 193 Länder, darunter auch Deutschland, | |
stimmten für das Papier. | |
Berichte über Anti-Israelische Proteste: Alles nur abgeschrieben | |
Skandierten Demonstranten in Berlin auf Demos „Tod den Juden“, wie vielfach | |
berichtet? Laut der Recherche eines medienkritischen Blogs stimmt das | |
nicht. | |
Kommentar Kampf gegen Antisemitismus: Es braucht einen Bundesbeauftragten | |
Mehr Prävention und mehr Widerstand gegen Antisemitismus: Ein Gastbeitrag | |
eines Parlamentariers aus Berlin-Neukölln. | |
Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung: Erdogans rote Linie | |
Für den türkischen Staatspräsidenten ist Israel ein Besatzungsstaat. Er | |
fordert, Jerusalem als besetzte Hauptstadt der Palästinenser anzuerkennen. | |
Annäherung zwischen Fatah und Hamas: Machtvakuum im Gazastreifen | |
Die neuerliche Gewalt im Nahostkonflikt bestimmt derzeit die Schlagzeilen. | |
Doch auch die palästinensische Aussöhnung verläuft schleppend. | |
Kommentar zu Jerusalem: Bruch des Völkerrechts | |
Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem definiert den Status der | |
Stadt neu. Und das stellt einen Völkerrechtsbruch dar. | |
Kolumne Liebeserklärung: Donald Trump macht mal was richtig | |
Die US-Botschaft soll nach Jerusalem verlegt werden. Das ist der | |
konsequenteste Schritt, den die Nahostpolitik in den letzten 15 Jahren | |
gesehen hat. | |
Arabische Liga über Jerusalem-Streit: „Die USA haben sich isoliert“ | |
Nach den Protesten in Palästina bekräftigt die Arabische Liga ihre Kritik | |
im Jerusalem-Streit. Israel hofft auf ein schnelles Abflauen der Proteste. | |
Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung: Vier Tote am ersten „Tag des Zorns“ | |
Im Westjordanland und in Gaza kam es zur Gewalt zwischen Palästinensern und | |
dem israelischen Militär. Das übte Vergeltung für Raketenangriffe der | |
Hamas. | |
Unruhen in Palästina: Zwei Tote, zahlreiche Verletzte | |
Nach der Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA gibt | |
es viele Unruhen. Zwei Palästinenser wurden von israelischen Soldaten | |
erschossen. | |
UN-Sicherheitsrat berät Jerusalem-Frage: „Drei Tage des Zorns“ | |
Der Weltsicherheitsrat will in einer Sondersitzung über Trumps | |
Jerusalem-Entscheidung beraten. Die Palästinenser kündigen eine harte | |
Reaktion an. | |
Nach Trumps Jerusalem-Erklärung: Empörung und Unruhen in Palästina | |
Nach dem Alleingang des US-Präsidenten ruft die Hamas zum Aufstand auf. Bei | |
Angriffen auf israelische Soldaten wurden zahlreiche Palästinenser | |
verletzt. |