# taz.de -- Kommentar EU-Emissionshandel: Ende der Denkfaulheit | |
> Der Kompromiss zum Emissionshandel eröffnet Chancen für Deutschland. Aber | |
> dafür braucht es Mut und einen CO2-Mindestpreis. | |
Bild: CO2-Schleuder am Himmel: ein Learjet | |
Die Hauptstadt der Sündenböcke heißt Brüssel. Wenn nationale Regierungen | |
versagen, zeigen sie gern auf die EU, auf die angeblich wuchernde | |
Bürokratie und den vermeintlichen Regulierungsirrsinn. Und auch [1][der | |
Kompromiss zum Emissionshandel] ist kompliziert und lässt viele Wünsche | |
offen. Die Emissionen sinken zu langsam für schnellen Klimaschutz, die | |
Industrie ist wieder fein raus und die Bremser in Osteuropa haben ihren | |
Willen bekommen. Aber die Regelung entkräftet zumindest einen der | |
beliebtesten Vorwürfe gegen Energiewende und Kohleausstieg. Nämlich: Egal, | |
was wir hier machen, es nutzt nichts. | |
Das hat einen wahren Kern. Denn bislang führt Klimaschutz kaum dazu, dass | |
die Emissionen teurer werden. Die CO2-Zertifikate, die durch einen | |
Kohleaussteig oder durch Öko-Energien nicht verbraucht werden, bleiben im | |
Markt und können anderswo für Emissionen genutzt werden. Und sie erhöhen | |
das Angebot, senken also die Preise. Das ist genau das Gegenteil von | |
Klimaschutz. | |
Zwar stimmte der Vorwurf noch nie so ganz – denn der Zubau von Wind, Solar | |
und Biomasse wurde bei der Obergrenze für die Zertifikate berücksichtigt –, | |
aber jetzt öffnet der Kompromiss eine neue Tür. Wenn also Deutschland ab | |
2021 Kohlekraftwerke stilllegt oder seinen Strom zu großen Teilen grün | |
erzeugt, kann es selbst die Lizenzen löschen, die es dafür aus Brüssel | |
zugeteilt bekommt. Das wäre ein großer Fortschritt. | |
Aber das muss die deutsche Regierung dann auch wollen. Und: Das dauert. | |
Deshalb muss ein Mindestpreis für diese Zertifikate den Markt schon vorher | |
wieder zum Laufen bringen. Großbritannien hat es vorgemacht, die | |
Niederlande haben es gerade festgeschrieben und in möglichen | |
Koalitionsgesprächen einer Jamaika-Koalition muss das Thema ganz nach oben. | |
Ein langsam steigender Preis in einer Allianz mit Frankreich, Benelux, | |
Österreich und Skandinavien könnte den Klimaschutz voranbringen und den | |
Investoren Sicherheit geben. Bisher sind viele der großen Konzerne von | |
Zumutungen aus dem Klimaschutz verschont geblieben und haben sogar davon | |
mit Milliardengewinnen profitiert, wenn sie ihre Gratis-Lizenzen verkauft | |
haben. | |
All das könnte Jamaika richten, wenn es nur wollte. Ein Mindestpreis würde | |
den Markt wieder herstellen, Innovation und Wettbewerb fördern, die | |
Einnahmen des Staates erhöhen. Die Industrie würde sich schnell anpassen, | |
Auswege finden oder die Kosten weitergeben. Unser Land würde Klimaschutz | |
wieder ernst nehmen und sich modernisieren. All das sind Schlagworte, auf | |
die sich Schwarze, Gelbe und Grüne gut einigen könnten. Sie müssten nur mit | |
einer lieb gewordenen Gewohnheit brechen: Den Grund für die nationale | |
Untätigkeit und Denkfaulheit in Brüssel zu suchen. | |
9 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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