# taz.de -- Protest gegen Jobabbau bei Siemens: Wut über Kürzungspläne | |
> Trotz Profiten will Siemens tausende Stellen streichen. Die IG Metall | |
> mobilisiert mit Streikdrohung und Menschenkette gegen die Jobkürzungen. | |
Bild: Konzern nagt am Hungertuch: Nur 6,2 Milliarden Euro Gewinn zwingen Siemen… | |
Berlin taz | Der Grizzly guckt sehr, sehr böse. „Wir kämpfen wie die | |
Bären“, steht darüber geschrieben. Diese Warnung tragen die | |
Siemens-Arbeiter*innen an diesem Montag auf ihren roten Westen. Im Berliner | |
Stadtteil Moabit, zehn Minuten vom Regierungsviertel entfernt, haben sie | |
die Straße besetzt. Stämmige Männer in blauen Overalls und weißen | |
Schutzhelmen stehen beieinander – und lassen die Protesttröten schallen, | |
dass es in den Ohren Umstehender nur so klingelt. | |
Trotz großer Profite hatte Siemens am Donnerstag angekündigt, 6.900 | |
Arbeitsplätze zu streichen, etwa die Hälfte davon in Deutschland. | |
Bundesweit protestieren nun die Belegschaften, Betriebsräte und | |
IG-Metall-Gewerkschafter. Um die Fabrik in Moabit bilden sie am Montag eine | |
Menschenkette, um ihr „Werk zu umarmen und zu schützen“. | |
„Für augenblickliche Gewinne verkaufe ich die Zukunft nicht“, soll der | |
einstige Firmenpatriarch Werner von Siemens 1884 gesagt haben. Nun steht | |
das Zitat auf einem großen Demo-Transparent. Hier in der Berliner | |
Huttenstraße werden seit 1909 Turbinen für Kraftwerke gefertigt, früher für | |
die AEG, jetzt für Siemens. Kürzlich erst hat das Werk maßgeblich dazu | |
beigetragen, 24 der Hunderte Tonnen schweren Maschinen nach Ägypten zu | |
liefern. | |
Mit dieser Arbeit soll jedoch bald Schluss sein, beschloss der Vorstand von | |
Siemens. Gut 300 Arbeitsplätze von Technikern und Ingenieuren stehen auf | |
der Streichliste – wohl auch der von Schlosser Thomas Prantz, der für die | |
IG Metall im Betriebsrat sitzt. „Bis hierher und nicht weiter“, sagt der | |
Mann in grauer Arbeitskleidung und dicken Sicherheitsschuhen. Heute | |
protestiere er während der Mittagspause, „wir wollen ja nichts | |
kaputtmachen“. Aber der Gewerkschaftsvorstand hat bereits mit Streik | |
gedroht. Stinksauer ist die IG Metall auch über die Informationspolitik des | |
Vorstands: Einen Kürzungsplan könne „man nicht einfach per Videobotschaft | |
den Belegschaften verkünden“. Siemens-Chef Joe Kaeser solle „nicht nur bei | |
der Queen und bei Wladimir Putin auftreten, sondern vor allem auch bei | |
seinen Beschäftigten“. | |
## 6,2 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern | |
Die aktuellen Pläne sehen so aus: In Sachsen sollen 920 Arbeitsplätze | |
wegfallen – 720 davon in Görlitz und 200 in Leipzig. Diese Werke werden | |
geschlossen. In Berlin sind 300 Stellen in Moabit und weitere 570 in der | |
Dynamofabrik in Siemensstadt betroffen. In Mülheim an der Ruhr geht es | |
unter anderem um 640 gut bezahlte Industriejobs. Weitere Streichungen sind | |
in Offenbach und Erfurt geplant. Siemens begründet das Vorhaben mit einer | |
globalen Nachfrageschwäche bei Turbinen für Kraftwerke und großen | |
elektrischen Motoren. Im gerade abgeschlossenen Geschäftsjahr verzeichnete | |
der Konzern insgesamt allerdings einen steigenden Umsatz von rund 83 | |
Milliarden Euro. Der Gewinn nach Steuern wuchs auf 6,2 Milliarden. | |
Der Vorstand in München will die Stellenstreichung „mit den üblichen | |
Instrumenten“ umsetzen: „Abfindungen, Beschäftigungsgesellschaften, | |
Weiterqualifizierungen, Frühpensionierungen, Altersteilzeit“. Seien genug | |
Mitarbeiter*innen bereit, diesen freiwilligen Maßnahmen zuzustimmen, „gibt | |
es keinen Grund, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen“, sagte | |
Personalvorständin Janina Kugel. | |
Die IG Metall hingegen erzürnt, dass diese Möglichkeit überhaupt ins | |
Gespräch gebracht wird. Die Gewerkschaft beruft sich auf die mit dem | |
Vorstand geschlossene „Radolfzell-II-Vereinbarung“, die | |
Betriebsschließungen und einseitige Kündigungen ausschließe. Laut Vorstand | |
gibt es darin aber eine Öffnungsklausel. | |
20 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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