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# taz.de -- Das Hurrikanjahr 2017: Die Saison des Schreckens
> Selten waren die tropischen Wirbelstürme über der Karibik und den USA so
> verheerend wie in diesem Jahr. Mitschuld hat der Klimawandel.
Bild: Satellitenbild vom 7. September 2017: „Katia“, „Irma“, „Jose“…
Als die US-Wetterbehörde im Frühjahr dieses Jahres davor warnte, dass eine
sehr aktive Hurrikansaison bevorstehe, ahnten die meisten noch nichts
davon, welche Verwüstungen die tropischen Wirbelstürme des Jahres 2017 der
Karibik und dem Süden der USA bringen würden.
Heute, da sich die Hurrikansaison langsam dem Ende nähert, wissen wir es
besser: Die diesjährige atlantische Hurrikansaison, die offiziell von
Anfang Juni bis Ende November geht, war eine der schlimmsten der
vergangenen Jahrzehnte, und sie war die schlimmste seit dem Jahr 2005.
In diesem Jahr gab es nicht nur Hunderte Tote und massive Schäden;
reihenweise wurden auch meteorologische Rekorde gebrochen. Das alles gibt
einen Vorgeschmack auf die Folgen des Klimawandels, der in Zukunft zu noch
heftigeren Wirbelstürmen führen wird.
Siebzehn Stürme, zehn Hurrikans, sechs schwere Hurrikans haben Meteorologen
2017 gezählt. 2005 gab es 28 Stürme, 15 Hurrikans, davon sieben schwere.
Auch das Jahr 2004 und 1995 waren Jahre mit starker Hurrikanaktivität.
## Harvey, Irma, Katia, Lee, Maria und Ophelia
Ein Hurrikan ist wie ein Taifun oder ein Zyklon ein tropischer Wirbelsturm.
Je nach Weltregion werden die meteorologisch gleichen Stürme
unterschiedlich genannt (siehe Sturmkunde). Ein Tornado ist hingegen etwas
völlig anderes: Er kann als kleinräumiger Sturm bei Gewittern in gemäßigten
Breiten entstehen, der lokal Schäden wie abgedeckte Dächer und umgestürzte
Bäume verursacht.
Ein tropischer Wirbelsturm aber ist ein großflächiges Gebilde mit
erheblicher Zerstörungskraft, was Milliarden kostet. Die Hauptgefahren der
Wirbelstürme sind: extrem viel Regen, extrem starker Sturm und extrem hoher
Wellengang.
In diesem Jahr brachte Hurrikan „Harvey“ Texas extreme Regenmengen, da er
sich eine Zeitlang kaum vom Fleck bewegte. Hurrikan „Irma“ verursachte mit
Sturm und Regen schwere Schäden in Barbuda, Kuba und Florida, die auf bis
zu 300 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Auch die Hurrikans „Katia“,
„Lee“ und „Maria“ verursachten hohe Schäden.
Ungewöhnlich war Hurrikan „Ophelia“, der sehr weit nördlich im mittleren
Atlantik entstand und daher eine besondere Zugbahn nahm. Statt wie üblich
mit Passatwinden gen Westen nach Amerika zu ziehen, gelangte er in die
Westwinddrift und zog gen Osten nach Europa.
Kurz vor Portugal drehte „Ophelia“ nach Norden/Nordosten ab und verursachte
als abflauender Sturm mit Regen und hohen Wellen schwere Schäden auf den
britischen Inseln. Zuletzt hatte im Oktober 2005 ein Tropensturm eine
ähnlich ungewöhnliche Zugbahn genommen; damals trafen die Ausläufer des
Hurrikans „Vince“ auf die Iberische Halbinsel.
Rekorde dieser extremen Hurrikansaison waren: Hintereinander weg hatten
sich zehn Stürme bis zum Hurrikan verstärkt; zuvor hatte es so etwas Jahr
1893 gegeben. In dieser Saison gab es zwei schwere Hurrikans der Kategorie
5; bislang hat es erst fünf andere Saisons mit zwei oder mehr
Kategorie-5-Hurrikans gegeben.
Niederschlagsrekorde für die USA brachte „Harvey“ in Texas. An zwei
Wetterstationen wurden innerhalb einer Woche mehr als 1.500 Liter Regen pro
Quadratmeter gemessen (das ist etwa so viel, wie in Leipzig im Durchschnitt
in drei Jahren fällt). Hurrikan „Irma“ war der stärkste atlantische
Hurrikan, der je außerhalb der Karibik und des Golfs von Mexiko entstanden
war; bei „Irma“ hielten zudem die extrem starken Winde über den bislang
längsten Zeitraum an.
## Das Wasser war drei Grad wärmer als üblich
Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf spricht bereits von einer
„historischen Hurrikansaison im Atlantik“. Er verweist auf andere
Weltregionen, wo es in letzter Zeit ebenfalls heftige Wirbelstürme gab. So
richtete im Mai dieses Jahres der Zyklon „Donna“ schwere Verwüstungen in
Vanuatu im Pazifik an. „Es war der stärkste Tropensturm, der je in einem
Mai – außerhalb der normalen Tropensturmsaison – auf der Südhalbkugel
verzeichnet wurde.“
Und Fidschi leide noch heute unter den Folgen von Zyklon „Winston“ im
Februar 2016, dem stärksten Tropensturm, der je auf der Südhalbkugel
beobachtet wurde. „Tropenstürme von früher nie beobachteter Stärke häufen
sich in den letzten Jahren“, sagt Rahmstorf. Und nun die heftige
Hurrikansaison im Atlantik, mit massiven Schäden auf den Karibikinseln und
in den USA. Rahmstorf: „Es gibt wohl kaum Hurrikanexperten, die hier keinen
Zusammenhang mit den gestiegenen Meerestemperaturen sehen, die schließlich
die Energiequelle dieser Stürme sind.“
In der Tat war das Wasser im Entstehungsgebiet der atlantischen Hurrikans
in diesem Jahr ein bis drei Grad wärmer als üblich in dieser Jahreszeit.
Damit ein Hurrikan entstehen kann, müssen aber – glücklicherweise – noch
weitere meteorologische Bedingungen erfüllt sein.
Andernfalls gäbe es ja ständig tropische Wirbelstürme. Die wichtigsten
Bedingungen sind eine Wassertemperatur von mindestens 26 Grad und die Lage
des Ortes, an dem sich ein Hurrikanvorläufer zusammenbraut; hinzu kommen
die Luftfeuchtigkeit sowie Richtung und Stärke der Winde in den
darüberliegenden Luftschichten (siehe Grafik). Erst wenn alles passt,
entstehen fürchterliche Wirbelstürme.
## Das Ozeanwasser wird zur Heizplatte
Dass es in diesem Jahr auf dem Atlantik so oft „gepasst“ habe, liege auch
an dem Abklingen des El-Niño-Phänomens im zentralen Pazifikgebiet, sagt
Andreas Friedrich, Hurrikanexperte beim Deutschen Wetterdienst. El Niño,
eine immer wieder aufkommende kräftige Erwärmung des Pazifiks vor der
peruanischen Küste, hat weitreichende Auswirkungen und senkt beispielsweise
das Hurrikanrisiko im Atlantik. Verschwindet El Niño, steigt das
Hurrikanrisiko wieder an.
„Das war auch ein Grund dafür, warum für dieses Jahr eine aktive Saison
vorhergesagt wurde.“„Das warme Ozeanwasser wirkt wie eine Heizplatte“, sa…
Friedrich. Ob aber ein Kochtopf darauf gestellt werde und wie lange er
darauf stehe, bis das Wasser in ihm überkoche, das hänge von vielen
weiteren Faktoren ab.
Bisher sei statistisch noch nicht feststellbar, ob es zu mehr oder
heftigeren Hurrikans gekommen ist. In den vergangenen Jahren habe es einige
relativ schwache Saisons im Atlantik gegeben. „Wir müssen das ja über einen
längeren Zeitraum beobachten.“
Für die Zukunft erwarten Friedrich und der Deutsche Wetterdienst allerdings
stärkere Hurrikans. Der Klimawandel, insbesondere die Erwärmung der
Atmosphäre und der Ozeane, wirke sich auf die Aktivität der tropischen
Wirbelstürme aus, heißt es in einer Analyse der deutschen Wetterbehörde.
„Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Daher ist es
wahrscheinlich, dass die Regenraten in tropischen Stürmen in Zukunft höher
ausfallen.“
Modellsimulationen zeigten zudem, dass Hurrikans in einem wärmeren Klima
wahrscheinlich stärker werden, das heißt, dass mehr Stürme von hoher
Intensität auftreten. Der ansteigende Meeresspiegel verschlimmert laut
Deutschem Wetterdienst die Sturmfluten der auf Land treffenden Hurrikans.
Über die Häufigkeit künftiger Hurrikans könnten dagegen zurzeit noch keine
robusten Aussagen getroffen werden.
19 Nov 2017
## AUTOREN
Richard Rother
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