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# taz.de -- Finnland erprobt das Grundeinkommen: Arbeiten lohnt sich wieder!
> 2.000 Arbeitslose erhalten pro Monat 560 Euro und können damit machen,
> was sie wollen. Für Juha, Tuomas und Marin hat sich viel verändert.
Bild: Trägt das Grundeinkommen zur Entspannung in Finnland bei?
Juha Järvinen setzt den Hobel an. In seiner Werkstatt zwischen Birken und
Kiefern bearbeitet er eine Drachenkopfverzierung für die neue Trommel, die
er demnächst verkauft. Aus Rentierhaut wird das Fell gemacht. Diese
Instrumente sind beliebt bei Freunden volkstümlicher Musik. Der Vollbärtige
schiebt den Zylinder aus der Stirn. Es kann jetzt losgehen.
Auf dem Hof zwischen der Werkstatt und dem zweistöckigen alten Schulgebäude
aus rotem Holz, das Juha vor Jahren kaufte, liegen Ende Oktober schon zehn
Zentimeter Schnee. Vor der Tür ist der riesige grauweiße Haushund
angebunden. „Drei Viertel Husky, ein Viertel Wolf“, sagt sein Besitzer.
Etliche Autowracks stehen herum. Obwohl Juha und seine Frau sechs Kinder
haben, gibt es in und um die Häuser sehr viel Platz.
Mehr Menschen sollen hier her, in die einsame Gegend drei Zugstunden
nordwestlich der Hauptstadt Helsinki. Juha will investieren, den großen
Raum neben seiner Werkstatt für Künstlerprojekte ausbauen. Er will raus aus
der Sackgasse, in der er während der vergangenen Jahre steckte. „Das
Grundeinkommen“, sagt der 39-jährige finnische Hippie, „bedeutet das Ende
meiner Sklaverei.“
Juha – in Finnland nennt man sich meist beim Vornamen – erhält seit Anfang
dieses Jahres 560 Euro pro Monat von der Sozialversicherung. Geschenkt,
steuerfrei, ohne irgendwelche Gegenleistungen. [1][Dieses erstaunliche
Experiment hat die finnische Regierung gestartet.] Sie besteht aus der
Zentrumspartei, den Konservativen und der rechtslastigen Blauen Fraktion.
Es ist der Versuch einer epochalen Sozialreform – erstmalig in Europa.
Auch in Deutschland werden die Forderungen nach einem Grundeinkommen
lauter. Die Verhandler*innen von Union, FDP und Grünen in Berlin haben
das Thema bisher nicht auf der Liste, doch die Jamaika-Koalition in
Schleswig-Holstein vereinbarte: „Wir werden ein Zukunftslabor ins Leben
rufen.“ Neue Absicherungsmodelle, unter anderem das Grundeinkommen, sollen
diskutiert werden. Die Berliner Organisation „Mein Grundeinkommen“ schafft
unterdessen bereits Fakten: Sie verlost jedes Jahr mehrere dieser Pakete
für finanzielle Freiheit.
## Werden die Finnen fauler? Oder angespornt?
Unternehmenschefs wie Elon Musk von dem Elektroautobauer Tesla und Joe
Kaeser von Siemens plädieren ebenfalls für ein Grundeinkommen. Sie treiben
die Robotisierung der Wirtschaft und die Internetökonomie voran. Und sie
können sich vorstellen, wozu das führt: zu weniger Sicherheit in vielen
Jobs.
Wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird, wie es Visionäre
fordern, sollen alle Einwohner*innen eines Landes die staatliche Zahlung
bekommen. Die Finnen testen jetzt erst mal eine reduzierte Variante. An dem
Experiment teilnehmen können nur Arbeitslose wie Juha. Oder wie der
Journalist Tuomas Muraja und die Erzieherin Marin Heier-Reinik.
Auch wenn der Versuch begrenzt ist, wird er Antworten auf entscheidende
Fragen bringen: Macht eine Zahlung von 560 Euro, die man einfach so
bekommt, die Menschen fauler? Oder spornt das Geld sie an?
Zwei hohe Öfen heizen Juhas Wohnzimmer, einen ehemaligen Klassenraum. Der
fünfjährige Aamos schnappt sich das Seil, das von einem Stahlträger hängt,
steigt auf eines der beiden Klaviere und schwingt sich in den Raum. Im
Kinderzimmer nebenan gibt es ein großes selbst gebautes Trampolin und unter
der Decke einen Klettergarten aus Stricken und Sprossen. Der Vater kann so
etwas konstruieren, es macht ihm Spaß. Doch jahrelang lagen seine
Fähigkeiten brach.
In der Werkstatt tischlerte er früher Fenster und Türrahmen. Der Verkauf
lief gut. Dann überfiel ihn eine Depression. Es folgten Bankrott und
Steuerschulden. Das Altenpflegerinnengehalt seiner Frau, Arbeitslosen- und
Kindergeld summieren sich auf 3.000 Euro – in einem reichen Staat wie
Finnland nicht viel für zwei Erwachsene und sechs Kinder, wenn man auch
noch den Kredit für die alte Schule abbezahlen muss.
Ein Nachbar fragte, ob Juha ihm eine Hundehütte bauen könnte. Trotz der
knappen Finanzen lehnte der Tischler ab. „Teilst du dem Amt mit, was du
selbst verdienst, kommt das Arbeitslosengeld später“, erklärt er. Bis die
Berechnung fertig ist, können mehrere Wochen vergehen. „Da habe ich das
zusätzliche Arbeiten lieber sein gelassen.“
Tuomas Muraja, selbstständiger Journalist in Helsinki, kennt so was. Er
schäumt. Schon die Erinnerung reicht. Der 44-Jährige umkurvt einen
Bücherstapel und zieht die unterste Schublade seines verglasten
Bücherschranks auf. Das Formular segelt auf den Tisch. „Für jeden Tag musst
du deine Einnahmen eintragen, Monat für Monat aufs Neue. Und dann ziehen
sie dir einen Teil des Lohns vom Arbeitslosengeld ab.“ Das hat er hinter
sich, hofft er. Nie mehr die bekloppten Listen der Sozialversicherung
ausfüllen.
Tuomas, zurückgekämmte blonde Haare, bunter Schal, war jahrelang
EU-Korrespondent für finnische Zeitungen in Brüssel. Er arbeitete als
Pressesprecher für UN-Truppen im Kosovo und Afghanistan, ist Autor von vier
Büchern. Trotzdem hatte er schließlich Probleme, eine feste Stelle zu
finden. Finnland leidet an den Nachwirkungen der Finanzkrise. 2016 war
Tuomas zeitweise auf Arbeitslosengeld angewiesen.
## Sie können das Geld verjubeln
Das System hielt ihn in einem fatalen Schwebezustand. Immer wieder schlug
er Jobangebote aus. Wenn von 200 Euro, die er für eine Buchlesung in einer
Schule erhalte, nur 120 Euro übrigblieben, lohne sich der Aufwand nicht,
sagt er. Und dann die Fortbildungen, zu denen ihn die Sozialversicherung
schickte: „Lebenslauf schreiben“, er schaut genervt. „Dieses Seminar kann
ich selbst geben. Daran teilzunehmen ist reine Zeitverschwendung.“
Auch die Erzieherin Marin Heier-Reinik hielt sich mit dem Arbeiten lange
eher zurück. Die 31-Jährige wohnt in Vaasa, an der Westküste, gegenüber von
Schweden. Sie hat das Reihenhaus, das ihr zusammen mit ihrem Verlobten
gehört, hell eingerichtet. Vom weißen Sofa geht der Blick durch die
Glasfront in den handtuchförmigen Garten. Rechts stehen Kiefern, dahinter
liegt schon das Meer. Marin stammt aus Estland. Seit 2011 lebt sie in
Finnland; einige Jahre hat sie sich zu Hause um ihren kleinen Jungen
gekümmert und Arbeitslosengeld erhalten. Ein paar Stunden pro Woche war sie
in einem Kindergarten tätig. „Macht man mehr, verdient man unter dem Strich
sehr wenig“, sagt sie. Selbstkritisch stellt sie fest: „Ich war eher
passiv.“
Juha, Tuomas und Marin sind drei Teilnehmer*innen an dem Experiments
mit insgesamt 2.000. Diese hat die Sozialversicherung unter rund 200.000
Arbeitslosen, die finanzielle Unterstützung bekommen, ausgelost. Von Januar
2017 bis Dezember 2018 erhalten sie nun 560 Euro monatlich. Sie können das
Geld verjubeln, Dauerurlaub machen oder es in ihre Zukunft investieren.
Rechtfertigen müssen sie sich nicht.
Wenn die Testpersonen einfach weitermachen wie bisher, wenn sie wenig oder
gar nicht selbst arbeiten, ändert sich für sie nichts. Sie erhalten dann
weiter ihr bisheriges Arbeitslosengeld von beispielsweise 700 Euro pro Kopf
plus Wohnkosten. Erwirtschaften die Teilnehmer*innen jedoch zusätzliches
Einkommen – an einem neuen Arbeitsplatz, bei einer Teilzeittätigkeit oder
indem sie sich selbstständig machen – kommen die 560 Euro obendrauf, ohne
Abzüge.
Im bisherigen System ist das anders. Finnische Erwerbslose können nur
maximal 300 Euro monatlich ohne Anrechnung auf das Arbeitslosengeld
hinzuverdienen. Erzielen sie mehr, wird ihnen ein erheblicher Teil der
staatlichen Unterstützung gekürzt.
In der Bundesrepublik ist das ähnlich geregelt. Die Folge: Von eigener
Arbeit bleibt Hartz-IV-Empfänger*innen wenig übrig. Ein nenneswerter
finanzieller Vorteil stellt sich erst ein, wenn man etwa 1.000 Euro
monatlich verdient. Der Sprung dorthin ist aber für viele Arbeitslose zu
groß.
Das finnische Grundeinkommen soll hier einen Ausweg bieten. Die Regierung
in Helsinki will wissen: Sind die Erwerbslosen aktiver als bisher, suchen
sie sich selbst neue Tätigkeiten, wenn sie die Zusatzeinnahmen behalten
dürfen? Außerdem geht es darum, Papierkram und Arbeitszeit in der
Verwaltung einzusparen, wo bisher Tausende Leute mit den Berechnungen der
Leistungen beschäftigt sind.
Juha sehnte den Brief von der Sozialversicherung Ende 2016 herbei. Er las
alles über das Experiment. Die Chance, zu den Teilnehmer*innen zu gehören,
war 1 zu 100. „Meine Kinder freuten sich auf den Weihnachtsmann. Ich
wartete auf den Brief“, erinnert er sich. Dann fuhr das Postauto aus der
Kleinstadt auf den Hof der alten Schule. Es war der 29. Dezember, halb zehn
Uhr morgens, so etwas merkt sich Juha. Er riss das Schreiben auf.
Hauptgewinn! „Ich war superglücklich“, sagt er, mit finnischer
Zurückhaltung leicht lächelnd.
## „Wollen die mir das Arbeitslosengeld kürzen?“
Auch Tuomas in Helsinki öffnete den Brief der Versicherung am selben Tag.
„Was wollen die schon wieder?“, dachte er zuerst, „Habe ich irgendwas
falsch gemacht?“ Dann war er verwundert, schließlich erfreut.
Die Erzieherin Marin merkte da noch gar nichts. Sie schaut nicht jeden Tag
in ihren Briefkasten. Erst Anfang Januar 2017 holte sie die Post raus. „Ich
war schockiert“, erzählt sie. Die 560 Euro sind weniger, als sie
normalerweise vom Staat bekommt. „Wollen die mir das Arbeitslosengeld
kürzen?“, fragte sie sich. Als das Geld auf ihrem Konto ankam, rief sie
die Sozialversicherung an. Dort beruhigte man sie: Marin erhält weiterhin
so viel wie vorher.
In Finnland besteht ein breite Konsens darüber, dass das Experiment eine
gute Sache ist. Auch in Deutschland ist das Thema Grundeinkommen populär.
In einer Umfrage des Instituts Ipsos im Juni 2017 plädierte gut die Hälfte
der Befragten dafür.
Viele deutsche Politiker*innen jedoch sind skeptisch, wenn es darum geht,
staatliches Geld zu verteilen, ohne eine Gegenleistung einzufordern.
Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete ein bedingungsloses Grundeinkommen im
Sommer als „keine gute Idee“, SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles sieht
das ähnlich – wie wohl die Mehrheit ihrer Partei und der Gewerkschaften.
Einer der deutlichsten Kritiker ist Armutsforscher Christoph Butterwegge,
den die Linken 2017 als Bundespräsidenten-Kandidaten nominierten. „Eine
Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip widerspricht dem vorherrschenden
Gerechtigkeitsverständnis“, sagt er. Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei
zudem absurd teuer.
Die hohen Kosten sind ein zentrales Argument gegen ein solches Modell.
Bekämen alle Erwachsenen in Deutschland 800 und die Kinder 400 Euro, würde
das über 700 Milliarden Euro jährlich kosten. Das ist etwas weniger als die
Summe aller heute in einem Jahr ausgezahlten bundesdeutschen
Sozialleistungen. Einen Teil davon könnte man zugunsten des Grundeinkommens
streichen, andere, wie die Krankenversicherung, jedoch nicht. Einige
Hundert Milliarden Euro müsste der Staat wohl zusätzlich aufbringen.
Verfechter*innen eines bedingungslosen Grundeinkommens geben sich alle
Mühe, die Vorzüge einer solchen gigantischen Sozialreform
herauszustreichen: den Abbau von Bürokratie, die materielle Sicherheit für
alle Bürger. Befürworter finden sich bei den Linken und den Grünen, auch in
der FDP gibt es gewisse Sympathien. Und dann sind da Manager wie
Telekom-Chef Timotheus Höttges, Ökonomen wie Thomas Straubhaar und
Intellektuelle wie Oskar Negt, die ein Grundeinkommen fordern. Doch auch
sie können nur schwer erklären, woher die jährlich 800 Milliarden Euro, ein
Viertel der bundesdeutschen Wirtschaftsleistung, kommen könnten – und wie
es gelingen soll, das gesamte Sozialsystem zu demontieren und neu
zusammenzusetzen.
Auf Juhas altem Schulhof passiert mittlerweile etwas. Er hat seine neue
Firma, Yxpila Art Production, registrieren lassen. Sie residiert in dem
einstöckigen Schuppen gegenüber der Schule, wo auch die Werkstatt ist.
Hinter der Werkbank des Tischlers steht eine mannshohe Bohrmaschine, alles
ist übersät mit Holzstaub und Spänen. An der Wand hängen sieben halbfertige
Handtrommeln, an den Rückseiten verziert mit Tiermotiven nach sämischer
Tradition und – neuerdings – mit Engelsgesichtern. „Die Darstellung von
Menschen habe ich mir früher nicht zugetraut“, sagt Juha, „aber es
funktioniert.“
Unlängst lud man ihn zu einem Festival nach Norwegen ein, wo er einige
Instrumente verkaufte. Eine deutsche Lehrerin wollte gleich mehrere Stücke
erwerben. Überschlägt Juha seine aktuellen Einnahmen im Vergleich zum
vergangenen Jahr, so kommt er auf ein monatliches Plus von ungefähr 1.000
Euro. Das Geld verdient er zusätzlich zum Grundeinkommen.
## „Eigentlich arbeite ich lieber ohne Lohn“
Und er träumt von einem „Artbnb“, so etwas Ähnlichem wie der
Internetwohnungsvermittlung Airbnb, allerdings für Künstler. Der Raum neben
der Werkstatt soll ein Studio werden für Maler, Fotografen und Bildhauer.
Im ersten Stock der Schule stehen zudem mehrere Hundert Quadratmeter leer.
„Wir könnten hier eine Art Hippiekommune aufbauen“, überlegt Juha, auf
seinem Stammplatz in der Küche sitzend.
Dort hält er sich häufig auf und philosophiert. Juha hat viele Pläne,
einiges bleibt auf der Strecke. Etwa die Baustelle im Flur, wo früher
Waschräume waren. Die wollte er abreißen, um Platz zu schaffen; er traf
eine Leitung, Wasserschaden, der feuchte Holzboden musste raus. So liegt
das Elend da, seit 2016. Aber jetzt gebe es Wichtigeres, sagt er: Geld
verdienen. Andererseits: „Eigentlich arbeite ich lieber ohne Lohn. Ich bin
Idealist.“ Juhas Leben ist langsam. Als es wieder zu schneien beginnt,
fotografiert er draußen die letzte Blume.
Weil Bücherstapel den Weg versperren, steigt der Journalist Tuomas in
Helsinki über die Lehne des Sofas. Er tritt auf den Balkon des
Jugendstil-Altbaus. Zigarette, Feuer. „Jetzt nehme ich niedrig bezahlte
Aufträge an“, sagt er. Lesungen in Schulen, Journalistenseminare, solche
Sachen. Der Zuverdienst wird ihm nicht mehr angerechnet. Er sagt: „Ich habe
jetzt mehr Möglichkeiten.“
Die Erzieherin Marin arbeitet mittlerweile 25 Stunden pro Woche. Wegen des
Grundeinkommens ist der niedrige Stundensatz von 11 Euro für sie noch zu
verschmerzen. Man kann es so sagen: Niedriglohnsektor plus Grundeinkommen
ergeben eine einigermaßen erträgliche Bezahlung.
Vielleicht ist das eine Lehre, die sich für Deutschland aus dem finnischen
Experiment ziehen lässt: Ein wesentlicher Schritt in Richtung
Grundeinkommen wäre schon getan, wenn die Bundesregierung bei Hartz IV auf
das Fordern verzichten und sich auf das Fördern beschränken würde. Wer ein
Recht auf Arbeitslosengeld II hat, bekommt es einfach. Punkt. Der Zwang
wird abgeschafft, das Antanzen beim Jobcenter, die Drohung, dass das Geld
gekürzt wird. Und man darf ohne Abzüge zusätzlich arbeiten. Wie eine solche
Reform wirken würde, könnte man auch in der Bundesrepublik mit einem
staatlichen Versuch ausprobieren.
In Finnland halten viele das Experiment für notwendig. „Unsere
Sozialversicherung stammt aus der alten Zeit“, sagt Touko Aalto,
33-jähriger Chef der finnischen Grünen, in Helsinki. Im Glaspalast aus den
1930er Jahren mit der großen Fensterfront finden seine Arbeitstreffen
statt. Die Grenze zwischen Selbstständigkeit und Lohnarbeit wird in Zukunft
verschwimmen, glaubt er. Auch in den reichen Ländern könnten Millionen
nicht mehr mit unbefristeten, gut bezahlten Tätigkeiten rechnen, wenn
Internetkonzerne wie Amazon, Airbnb, Uber, Facebook oder Rocket Internet
das Arbeitsleben bestimmen. „Deswegen müssen wir das System drehen“, sagt
der Grüne. Er vollführt mit den Händen eine Bewegung wie am Steuer eines
Wagens. Wenden in der Sackgasse.
Mehr oder weniger kann das auch Martti Talja unterschreiben, der
Sozialexperte der Zentrumspartei, die den Ministerpräsidenten stellt. „Die
Internetökonomie gefährdet möglicherweise bis zu einem Drittel der
Arbeitsplätze.“ Das aktuelle Experiment sei nur ein Anfang. Spätestens ab
2020 werde die Regierung weitere Versuche durchführen, mit anderen
Fragestellungen, eventuell mehr Teilnehmer*innen. „Unser Sozialsystem macht
viele Leute depressiv“, sagt Talja. „Wir müssen es modernisieren. Das
Grundeinkommen ist vielleicht ein Teil dieses Prozesses.“
Dem Journalisten Tuomas geht es gut zurzeit. „Es ist wunderbar, bei dem
Experiment mitzumachen“, sagt er. Er führt Tagebuch darüber, später will er
es veröffentlichen. Und er hat die Hoffnung, dass bei den kleinen Aufträgen
mal ein großer Job um die Ecke kommt. Auch Marin möchte mehr arbeiten. Sie
hofft auf eine Vollzeittätigkeit ab 2019, wenn das Experiment ausgelaufen
ist.
Von seinem Platz am Küchentisch aus blickt Juha auf den verschneiten
Schulhof. „Ich könnte jeden Tag zwei Trommeln bauen“, sagt er. Aber dann
würde der Geist nicht mehr drinstecken, fürchtet er – die Kunden würden die
Instrumente vielleicht nicht mehr mögen. In ihm kämpfen der Hippie und der
Unternehmer miteinander. Juha glaubt daran, dass sie sich einigen werden.
2019 will er sich wieder komplett selbst finanzieren.
23 Nov 2017
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## AUTOREN
Hannes Koch
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