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# taz.de -- Test des Grundeinkommens in Finnland: Für viele ein „Stückchen …
> Nach zwei Jahren ist in Finnland die Erprobung eines bedingungslosen
> Grundeinkommens zu Ende gegangen. Nun wird ausgewertet.
Bild: Wenig Geld, viel Mut: Trommelbauer Juha Järvinen erhielt auch das finnis…
Stockholm taz | Bei den Betroffenen fällt die Bilanz positiv aus. „Ganz
wichtig war für mich der psychologische Aspekt“, sagt Sini Marttinen. Sie
sei schon vorher gewohnt gewesen, selbständig zu arbeiten, und habe immer
einen ganzen Strauß verschiedener Jobs gehabt, um über die Runden zu
kommen. Da seien die zusätzlichen 560 Euro eine gute Grundlage gewesen,
„ein Gefühl größerer Sicherheit“. Aber natürlich nicht ausreichend, um
allein davon leben zu können.
Für Marin, deren estnisches Psychologieexamen in Finnland nicht anerkannt
wird, erleichterte das Grundeinkommen, ihr Pflegestudium mit Teilzeitarbeit
zu kombinieren. Und Juha Järvinen, der nordwestlich von Helsinki in seiner
Werkstatt Holztrommeln für traditionelle Musik baut, bilanziert: „2019 kann
ich ökonomisch auf eigenen Beinen stehen.“ Durch das Grundeinkommen konnte
er bessere Maschinen kaufen. Nun hat er „mehr Aufträge, als ich schaffe“,
und hofft, sein Einkommen 2019 zu verdoppeln. Auf Arbeitslosengeld
angewiesen ist er dann nicht mehr.
Sini, Marin und Juha waren drei von 2.000 Arbeitslosen, die im November
2016 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden waren, um [1][an Finnlands
zweijährigem Versuch] mit einem „Grundeinkommen“ teilzunehmen. Zum
Jahreswechsel ging der nun zu Ende. Schon am 4. Dezember waren letztmals
die monatlich 560 Euro auf ihren Konten gelandet. Geld, das unabhängig von
eventuellem anderen Einkommen ausgezahlt wurde und für das der Staat auch
keine Gegenleistung forderte. Etwa die Suche nach einem Arbeitsplatz oder
andere Aktivitäten, die man ansonsten von BezieherInnen von
Arbeitslosengeld auch in Finnland erwartet.
Gleichzeitig ist bei der Sozialversicherungsbehörde Kela mit der Auswertung
dieses Experiments begonnen worden. Vorläufige Ergebnisse werden schon im
Februar veröffentlicht. Ein umfassender Forschungsbericht, bei dem die
zwischen 25 und 58 Jahre alten Versuchspersonen mit einer Kontrollgruppe
von 5.000 ebenfalls zufällig ausgewählten Arbeitslosen verglichen werden,
die kein Grundeinkommen erhalten haben, soll im Jahr 2020 fertig werden.
## Ende des Versuchs, nicht der Debatte
„Erste Daten über die Beschäftigung, das Einkommen und den Bezug von
Sozialleistungen haben wir natürlich bereits auf Grund der amtlichen
Unterlagen“, sagt die Kela-Forscherin Minna Ylikännö. „Die werden wir jet…
mithilfe von Interviews und Fragebogen präzisieren und ergänzen.“ Abgesehen
davon, wie es den TeilnehmerInnen grundsätzlich mit dem Arbeitsmarkt oder
mit selbstständiger Arbeit ergangen sei, interessiere man sich auch für
deren ganz persönliches Erleben mit dem „Stück Freiheit“, die das
gesicherte Monatseinkommen geboten habe. Ein weiterer Forschungsaspekt
werde der Verlauf der öffentlichen Debatte über den Versuch und die Meinung
in der finnischen Bevölkerung dazu sein. Die ist gespalten, aber
überwiegend positiv.
Eines ist bereits sicher: Das Ende des Grundeinkommensversuchs wird nicht
das Ende der Debatte über eine derartige Grundsicherung bedeuten. Im April
2019 finden in Finnland Parlamentswahlen statt, und mehrere Parteien haben
sich bereits positioniert, was die Zukunft möglicher Grundeinkommensmodelle
angeht.
Die grüne Umweltpartei Vihreät und Finnlands Linkspartei plädieren dafür,
ein allgemeines und bedingungsloses Grundeinkommen möglichst bald
einzuführen. Sie hatten den Gedanken eines „Mitbürgerlohns“ ursprünglich
initiiert, aber bei der Beschlussfassung 2016 im Reichstag gegen den nun
beendeten Versuch gestimmt. Ihre Kritik: Das von der Teilnehmerzahl zu
kleine, zeitlich zu kurze und finanziell zu schlecht ausgestattete
Experiment könne eher den Effekt haben, diese Idee zu begraben. Es sei eine
neoliberale Mogelpackung und trage den Keim zu einem weiteren Sozialabbau
in sich. Mit der Intention, kurzfristige, schlecht bezahlte Jobs
schmackhaft zu machen, drohe der bereits große Niedriglohnsektor weiter zu
wachsen.
## Linkspartei will erweitern und aufstocken
Diese Nachteile will die Linkspartei mit einer Erweiterung und Aufstockung
des bisherigen Modells vermeiden: Statt 560 sollen es 800 Euro monatlich
zusätzlich zum normalen Wohngeld sein. Werden bestimmte Einkommensgrenzen
überschritten, soll das Grundeinkommen allerdings sinken oder ganz
entfallen. Finanziert werden soll es über eine Erhöhung der
Einkommensteuer. Seine Einführung, die mit einer Reform des gesamten
Sozialsystems einhergehen müsse, hält die Linkspartei-Vorsitzende Li
Andersson frühestens ab 2023 für realistisch: „Statt gegründet auf
Kontrolle und Strafe wollen wir ein System, das auf Vertrauen beruht.“
„Wie es bei so einem gesellschaftlichen Experiment nicht anders sein kann,
ist die Frage politisch sehr kontrovers“, sagt der Kela-Forschungsleiter
und Sozialwissenschaftsprofessor Olli Kangas: „Das reicht von entschiedenen
Befürwortern bis zu ganz grundsätzlicher Ablehnung.“
Kangas selbst hatte sich einen viel umfassenderen Versuch gewünscht und
bezweifelt daher auch die Aussagekraft des jetzigen Experiments.
Übertriebene Hoffnungen, was eine Zukunft für das Grundeinkommen gerade in
Finnland angeht, hat er erst einmal auch nicht: „Aber es wäre schön, wenn
die Tür nicht gleich wieder ganz zugeschlagen werden würde.“
8 Jan 2019
## LINKS
[1] /Finnland-erprobt-das-Grundeinkommen/!5460675
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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