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# taz.de -- Kommentar Armut in Deutschland: Wohnungsbau statt Steuern senken
> Die Armutsschere geht immer weiter auf. Auch bei Jamaika geht es nur
> darum, die Besitzenden zu fördern. Die ärmere Hälfte geht wieder leer
> aus.
Bild: Neue Wohnungen sind dringend notwendig
Warum gibt es Armut mitten im Reichtum? Diese Frage hat schon Karl Marx
beschäftigt, und sie bleibt aktuell. Gerade in Deutschland ist zu
beobachten, dass Menschen ins Elend stürzen – obwohl die Wirtschaft wächst.
Am Dienstag wurden zwei Studien veröffentlicht, die wieder zeigen, dass der
allgemeine Wohlstand viele Bürger nicht erreicht.
Erster Befund: Die Wohnungslosigkeit steigt – und zwar schon seit einem
Jahrzehnt. Die Flüchtlinge sind also nicht die Ursache, sondern haben die
Not nur noch verschärft.
Zweiter Befund: Die unteren 50 Prozent der Bevölkerung haben fast kein
Vermögen – können also für Unglücksfälle nicht vorsorgen. Wenn diese är…
Hälfte krank oder arbeitslos wird, reicht das Geld nur wenige Monate, bis
der letzte Notgroschen aufgezehrt ist. Diese Menschen sind also zwingend
auf den Staat angewiesen.
Doch die Politik spart am liebsten bei den Schwächsten – und bedient die
Reichen. Die jetzigen Jamaika-Verhandlungen sind typisch: Da der
Staatshaushalt momentan Überschüsse verzeichnet, sollen die Steuern gesenkt
werden. Wie immer der „Soli“ am Ende abgeflacht oder abgeschafft wird – d…
ärmere Hälfte hat nichts davon. Denn sie zahlt meist keine Einkommensteuer
und daher auch keinen Soli. Von den Steuerplänen profitieren allein die
Gutverdiener.
Noch schlimmer: Wenn jetzt die Steuern sinken, sind die nächsten
Haushaltslücken programmiert. Momentan haben wir einen Boom und damit
Überschüsse, doch eine Rezession kommt bestimmt – und dann fehlen jene
Milliarden, die man jetzt an die Wohlhabenden verschenkt. Sobald aber
wieder Defizite im Staatshaushalt auftauchen, muss gekürzt werden. Wie
immer wird es bei den Armen sein.
## Für die Armen ist kein Platz in „Jamaika“
Sinnvoller wäre es, jetzt die überschüssigen Milliarden in den sozialen
Wohnungsbau zu investieren. Nicht nur die Armen würden profitieren, die von
der Angst befreit wären, dass die Mieten in unbezahlbare Höhen steigen.
Auch für den Staat wäre es ein gutes Geschäft, den öffentlichen Wohnungsbau
zu verstärken: Er müsste nicht mehr die Gewinne von privaten
Immobilienbesitzern finanzieren, wenn er Bedürftige unterbringen will.
Doch leider verfolgt Jamaika ein Lieblingsprojekt der Union: das
„Baukindergeld“. Gegen Familienförderung ist nichts zu sagen, aber bauen
kann nur, wer Vermögen besitzt – wieder wird die untere Hälfte nicht
bedacht, die es so nötig hätte.
Diese Ignoranz ist gefährlich, denn die Armen nehmen wahr, dass sie nicht
zählen. Aus ihrer Sicht hilft nur: eine Protestwahl. In zu vielen Teilen
Deutschlands ist die AfD schon jetzt die größte Partei der Geringverdiener.
14 Nov 2017
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt Armut
Steuern
Obdachlosigkeit
Soli
Jamaika
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Armut
Lesestück Recherche und Reportage
Obdachlosigkeit
Diabetes
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