# taz.de -- Kataloniens Ex-Präsident Puigdemont: Von Barcelona nach Europa | |
> Der abgesetzte Präsident Kataloniens soll mit fünf seiner Minister nach | |
> Brüssel gereist sein. Gründe für die Wahl der europäischen Hauptstadt | |
> gäbe es mehrere. | |
Bild: An seinem alten Arbeitsplatz, der Generalitat, war Kataloniens Obersepara… | |
Barcelona taz | Die spanische Generalstaatsanwaltschaft hat am Montagmorgen | |
ein Verfahren eröffnet gegen den abgesetzten Chef der katalanischen | |
Regierung „Generalitat“, Carles Puigdemont, sein gesamtes Kabinett sowie | |
gegen die Mitglieder des Präsidiums des Autonomieparlamentes. Ihnen wird | |
„Rebellion, Aufstand und Veruntreuung“ vorgeworfen. | |
Später wurde bekannt, dass Puigdemont und fünf seiner Minister – | |
Regierungsangelegenheiten, Arbeit und Soziales, Inneres, Gesundheit, | |
Landwirtschaft – auf dem Weg nach Belgien sind. Puigdemont und zwei | |
Minister gehören zu der eher konservativen Demokratisch-Europäischen Partei | |
Kataloniens (PDeCat), die anderen drei zur Republikanischen Linken | |
Kataloniens (ERC). | |
Puigdemont sei „an einem sicheren Ort“ und werde am Dienstag eine Erklärung | |
abgeben, hieß es später im katalanischen Fernsehen. Ein Sprecher der | |
Partido Popular (PP) des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy | |
bestätigte die Brüsselreise der sechs. [1][Laut der Zeitung El Periódico] | |
sollen sie mit dem Auto nach Marseille gereist sein und dort einen Flieger | |
in die europäische Hauptstadt genommen haben. | |
Nun fragt sich die Presse in Spanien, ob der Regierungschef und seine | |
Minister in Belgien Asyl beantragen wollen. Der bekannte Liedermacher und | |
Parlamentarier im aufgelösten Autonomieparlament Lluis Llach ist sich | |
sicher, das dem so ist: „Ein exilierter Präsident einer Republik ist eine | |
schwere Anklage gegen Spanien“, [2][erklärte er auf Twitter]. | |
Gründe zur Flucht haben sie jedenfalls. Den Beschuldigten drohen allein | |
wegen „Rebellion“ bis zu 30 Jahre Haft. Hinzu kommen bis zu 15 Jahre wegen | |
„Aufstands“ und bis zu 10 Jahre wegen „Veruntreuung öffentlicher Gelder�… | |
Die Staatsanwaltschaft beantragte bisher keine Haftbefehle, verlangt aber | |
300.000 Euro Kaution pro Angeklagten. Sollte einer der Betroffenen den | |
anstehenden richterlichen Vorladungen nicht Folge leisten, wird sofort ein | |
Haftbefehl erlassen, so der Schriftsatz der Staatsanwaltschaft. | |
## „Absolute Verachtung gegenüber der Verfassung“ | |
Laut Generalstaatsanwalt José Manuel Maza haben die Angeklagten mit der | |
[3][Durchführung des Referendums am 1. Oktober] und der [4][Ausrufung der | |
Unabhängigkeit Kataloniens] am vergangenen Freitag „mit absoluter | |
Verachtung gegenüber der Verfassung gehandelt“. Puigdemont und seine | |
Minister werden vor dem Madrider Sondergerichtshof für Terror, Banden- und | |
Finanzkriminalität, der Audiencia Nacional, angeklagt. | |
Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und ihre drei Kollegen müssen vor den | |
Obersten Gerichtshof, da sie weiterhin parlamentarische Immunität genießen | |
und somit nur dort abgeurteilt werden dürfen. | |
Puigdemont hatte sich am frühen Montagmorgen auf Instagram gemeldet. [5][Er | |
veröffentlichte ein Foto], aufgenommen aus einem der Fenster des | |
Regierungspalastes der Generalitat. „Bon día“ und ein Smiley begleiteten | |
es. Das Bild war wohl früher aufgenommen worden. Puigdemont war längst auf | |
dem Weg nach Brüssel. | |
Für die Entscheidung für Belgien gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Zum | |
einen ist Brüssel die europäische Hauptstadt. Die Flucht stößt damit auf | |
viel politisches und mediales Interesse. Zudem prüfe Belgien | |
Auslieferungsanträge genauer als andere EU-Staaten und lehne Auslieferungen | |
regelmäßig ab, berichtet die spanische Presse. Außerdem hatte der belgische | |
Staatssekretär für Einwanderungspolitik, der Flame Theo Francken, am | |
Wochenende in einem Interview angedeutet, Puigdemont könnte Asyl in Belgien | |
bekommen. | |
## Proteste in Barcelona blieben aus | |
Montag war der erste Tag, an dem Kataloniens Verwaltung nach der Absetzung | |
der Autonomieregierung mit Hilfe des Verfassungsartikels 155 unter dem | |
Kommando der Madrider Regierung des konservativen Ministerpräsidenten | |
Mariano Rajoy stand. Alles verlaufe normal, hieß es aus Madrid. | |
Von den restlichen Mitgliedern der Regierung, gegen die ebenfalls Klage | |
wegen Rebellion erhoben wurde, erschien nur einer kurz an seinem alten | |
Arbeitsplatz und veröffentlichte das Foto in den sozialen Netzwerken. Die | |
anderen blieben fern. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil Madrid angekündigt | |
hatte, dass jeder, der seinen alten Platz einnehme, wegen „Amtsanmaßung“ | |
belangt werden könne. | |
Größere Proteste gegen die neue Situation blieben am Montag aus. Nur vor | |
dem Gebäude der Vertretung der Generalitat in Puigdemonts Heimatstadt | |
Girona kam es zu einer Menschenkette, die von der Mitarbeiterversammlung | |
beschlossen worden war. Rund 1.000 Menschen umkreisten den Komplex, um zu | |
zeigen, dass sie „den Artikel 155 kategorisch ablehnen“. Sie trugen | |
Schilder mit der Aufschrift „SOS Demokratie“. | |
Von den angeklagten „Rebellen“ arbeitete nur die Präsidentin des | |
katalanischen Parlaments Carme Forcadell normal weiter. Anders als die | |
Regierung ist sie noch im Amt. Das Parlament wurde zwar von Rajoy aufgelöst | |
und Neuwahlen wurden für den 21. Dezember angesetzt, doch Forcadell gehört | |
der ständigen Vertretung an, die bis zum Wahltag regelmäßig tagt. | |
Allerdings beugt sich auch Forcadell den Zwangsmaßnahmen aus Madrid. Sie | |
sagte alle Sitzungen des Präsidiums und damit auch die regulären | |
Plenarsitzungen ab. | |
30 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.elperiodico.com/es/politica/20171030/puigdemont-esta-en-bruselas… | |
[2] https://twitter.com/lluis_llach/status/924989315456880640 | |
[3] /Referendum-in-Katalonien/!5450449 | |
[4] /Separatisten-stimmen-fuer-Unabhaengigkeit/!5455950 | |
[5] https://www.instagram.com/p/Ba3MehjBMXv/?taken-by=carlespuigdemont | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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