| # taz.de -- Abgesetzter katalanischer Regierungschef: Puigdemonts Gegenoffensive | |
| > In Belgien hat Kataloniens abgesetzter Regierungschef mächtige Freunde. | |
| > Von hier aus kämpft er gegen die Entmachtung. | |
| Bild: Kampf um die Deutungshoheit: In Brüssel demonstrieren Katalanisten neben… | |
| Brüssel taz | Carles Puigdemont spricht abwechselnd Katalanisch, | |
| Französisch und Spanisch. Während der abgesetzte katalanische | |
| Regierungschef im Press Club von Brüssel vor mehreren Hundert Journalisten | |
| vorträgt, demonstrieren draußen mehrere Hundert Befürworter und Gegner der | |
| katalanischen Unabhängigkeit, durch die belgische Polizei kaum voneinander | |
| getrennt. | |
| Er sei weiterhin der „legitime Präsident“ der katalanischen Regierung, sagt | |
| Puigdemont bei seinem Presseauftritt am Dienstag in Brüssel. Er sei zudem | |
| nicht gekommen, um in Belgien um Asyl nachzusuchen, sondern um „im Herzen | |
| Europas das katalanische Problem vorzutragen“ und die „Politisierung der | |
| spanischen Justiz“ sowie das „schwerwiegende Demokratiedefizit“ des | |
| spanischen Staats aufzuzeigen. Die Generalitat, Kataloniens abgesetzte | |
| Autonomieregierung, sei weiterhin im Amt und arbeite weiter, „trotz der ihr | |
| auferlegten Beschränkungen“, behauptete er. | |
| Die Pressekonferenz von Kataloniens Unabhängigkeitsführer dient vor allem | |
| der Selbstrechtfertigung. Puigdemont sagt, die einseitige katalanische | |
| Unabhängigkeitserklärung sei erfolgt, als man erfuhr, dass Madrid „eine | |
| beispiellose Offensive gegen die regierungstreuen Beamten“ in Katalonien | |
| plane, und als die Staatsanwaltschaft Anklagen vorbereitete, die insgesamt | |
| 500 Jahre Gefängnis für Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Barcelona | |
| bedeutet hätten. | |
| Dies zusätzlich zu den Anklagen gegen 700 separatistische Bürgermeister und | |
| Tausende Teilnehmer am Unabhängigkeitsreferendum des 1. Oktober. Puigdemont | |
| will weiterhin eine katalanische Republik, und die soll „ein anderer Staat“ | |
| sein. | |
| Die Madrider Anklage wegen Rebellion nennt Puigdemont unbegründet. Die | |
| Klage, die ihm dreißig Jahre Haft einbringen könnte, diene dazu, „Ideen zu | |
| verfolgen und keine Delikte“, sagt er: „Der spanische Staat hat den Weg der | |
| maximalen Gewaltbereitschaft eingeschlagen“, aber in die „Falle der Gewalt�… | |
| wolle man selbst nicht tappen. Stattdessen hofft Puigdemont, das Volk werde | |
| die Institutionen schützen, und warnt, das katalanische Volk müsse sich auf | |
| einen „langen Weg“ einrichten, mit als einziger Waffe „die Demokratie, die | |
| uns unbesiegbar macht“. | |
| ## Brüssel ist der Sitz der EU-Institutionen | |
| Es ist kein Zufall, dass Carles Puidgemont die Gegenoffensive gegen seine | |
| Entmachtung in Brüssel startet. Brüssel ist der Sitz der EU-Institutionen – | |
| und vor allem genießt Kataloniens Unabhängigkeit große Sympathien bei | |
| Belgiens größter Regierungspartei, der flämisch-nationalistischen NVA | |
| (Nieuwe Vlaamse Alliantie) mit Innenminister Jan Jambon. | |
| Am vergangenen Samstag hatte Belgiens Staatssekretär für Asyl und | |
| Migration, Theo Francken (NVA), im Rundfunk erklärt: „Kataloniens | |
| Ministerpräsident darf um politisches Asyl bitten.“ Er erklärte diese auf | |
| den ersten Blick erstaunliche Äußerung mit der Gefahr der Festnahme | |
| Puigdemonts in Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung vom Vortag. Auf | |
| die Frage, ob ein Asylantrag des Katalanen in Belgien Erfolgsaussichten | |
| habe, antwortete Francken, dass Belgien in der Vergangenheit baskische | |
| Flüchtlinge aufgenommen habe. | |
| Es ist vor diesem Hintergrund auch kein Zufall, dass sich Puigdemont in | |
| Belgien den Anwalt Paul Bekaert genommen hat, in der Vergangenheit | |
| Vertreter gesuchter Aktivisten der baskisch-separatistischen | |
| Terrororganisation ETA auch nach dem Ende der spanischen Franco-Diktatur. | |
| Innerhalb des flämischen Establishments gibt es eine lange Tradition der | |
| Solidarität mit Autonomiebewegungen anderswo. Im Jahr 1993 gewährte die | |
| belgische Justiz zwei ETA-Sympathisanten, deren Auslieferung Spanien | |
| wollte, Asyl: Sie waren der Beihilfe zum Diebstahl und des Schutzes von | |
| Mördern angeklagt, aber aus belgischer Sicht waren es politische Delikte. | |
| NVA-Führer, darunter Francken, wohnen regelmäßig der katalanischen | |
| Nationalfeier Diada jedes Jahr am 11. September bei. Der Präsident des | |
| belgischen Unterhauses, Jan Peumans (NVA), nahm am 10. Juli 2010 in | |
| Barcelona an einer Demonstration gegen die Aussetzung des katalonischen | |
| Autonomiestatuts von 2006 teil. Damals hatte Peumans angemerkt, dass | |
| woanders in Europa Nationen mit weniger Einwohnern als Katalonien | |
| entstanden seien, beispielsweise im Baltikum. | |
| Für viele Flamen gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen der katalanischen | |
| Sache und ihrer eigenen. Es geht um den Schutz der Sprache und Kultur einer | |
| Minderheit – Katalanen in Spanien, Flamen in Belgien – gegen französischen | |
| und spanischen „Sprachimperialismus“. | |
| Dass die Flamen in Belgien die Mehrheit bilden, ändert an diesem Gefühl | |
| nichts: Bis heute sehen sich viele Flamen im Widerstand gegen eine alte | |
| frankophone Leitkultur, obwohl die Wallonen längst zahlenmäßig und | |
| ökonomisch ins Hintertreffen geraten sind. Nach Belgiens Gründung im Jahr | |
| 1830 dauerte es 43 Jahre, um überhaupt die Anerkennung der Zweisprachigkeit | |
| durchzusetzen. Die katalanische Sprache war in Spanien unter Franco | |
| ebenfalls jahrzehntelang nicht als Amtssprache zugelassen. | |
| Dies führt allerdings auch dazu, dass die Sympathie für Katalonien bei | |
| anderen politischen Kräften Belgiens auf Ablehnung stößt. Sie ist für allem | |
| für den wallonischen Liberalen und Regierungschef Charles Michel peinlich. | |
| Er hat Theo Francken vorgeworfen, in Spanien Öl ins Feuer zu gießen. Das | |
| reicht den oppositionellen Grünen, Sozialisten und Christdemokraten | |
| Walloniens nicht: Sie werfen Regierungschef Michel „Komplizenschaft“ mit | |
| Spaltern vor. | |
| 31 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| François Misser | |
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