# taz.de -- Gastkommentar Spanien und Katalonien: Man kann über alles reden | |
> 2,3 Millionen Katalanen sind nicht genug, um über das Schicksal von 47 | |
> Millionen Spaniern zu entscheiden, sagt die spanische Botschafterin. | |
Bild: Unabhängigkeit nicht rechtens? Das Referendum war illegal, sagt Victoria… | |
„Die Katalanen sind genetisch eher mit den Franzosen als mit den Spaniern | |
verwandt, eher mit den Italienern als mit den Portugiesen und noch ein | |
bisschen mit den Schweizern. Seltsam.“(Oriol Junqueras, Ex-Vizepräsident | |
der katalanischen Regierung) | |
Angesichts der jüngsten Ereignisse in Katalonien fragen sich viele, was da | |
eigentlich los ist. Zunächst einmal steht außer Frage, dass Katalonien mit | |
seiner Sprache und Kultur ein überaus beliebter Teil unseres Landes ist. | |
Gleichzeitig ist Spanien ein Rechtsstaat, der die Rechte aller schützen | |
muss. | |
Die 40-jährige Erfolgsgeschichte unserer Demokratie gründet auf dem | |
Verfassungstext aus dem Jahr 1978, dem in Katalonien damals 90 Prozent | |
aller Wählerinnen und Wähler zustimmten. Die derzeitige katalanische | |
Regierung hat nun beschlossen, dieses Erbe in Stücke zu hauen – [1][mit | |
Unterstützung von 72 Abgeordneten], die weniger als 40 Prozent der | |
Katalanen vertreten. | |
Das ging nur, indem sich das Parlament über die eigene Geschäftsordnung | |
hinwegsetzte und die Urteilssprüche des Obersten Gerichts Kataloniens und | |
des Verfassungsgerichts ignorierte. Dieser begründet die | |
Verfassungswidrigkeit mit demselben Argument wie das | |
Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der | |
Souveränitätsbestrebungen aus Bayern. Als Nächstes veranstaltete die | |
Generalitat unter Berufung auf dieses Gesetz ein illegales Referendum ohne | |
demokratische Garantien, [2][an dem sich etwa 2,3 Millionen Katalanen | |
beteiligten]. | |
Das sind doch nicht genug, um über das Schicksal von 47 Millionen Spaniern | |
zu entscheiden. Wenn wir so etwas zuließen, wäre das genauso | |
undemokratisch, wie wenn andere populistische Bewegungen allein kraft ihrer | |
Mobilisierung auf der Straße oder an den Urnen ihre Agenda durchsetzen | |
könnten, ob sie nun Front National, Ukip oder AfD heißen. Das wäre ein | |
katastrophales Zeichen für Europa. | |
## Einseitige Unabhängigkeitserklärung | |
Es sei daran erinnert, dass nach den Regeln der Vereinten Nationen und der | |
internationalen Rechtsprechung die Normen zum Selbstbestimmungsrecht der | |
Völker nur dann ein Recht auf Unabhängigkeit vorsehen, wenn es sich um | |
Kolonialgebiete oder um Völker handelt, die einer Unterjochung, Herrschaft | |
und Ausbeutung von außen unterworfen sind. Das trifft nicht zu auf | |
Katalonien, wo seit 1978 insgesamt 35-mal gewählt wurde. | |
Ein Ausweg aus der Situation muss die Garantien des Rechtsstaates wahren. | |
Hier und da wird in den internationalen Medien die spanische Regierung zum | |
Dialog aufgefordert. Aber es ist doch so, dass die Regierung zum Dialog | |
bereit ist und aus diesem Grund den Präsidenten der Generalitat in die | |
beiden Häuser des spanischen Parlaments eingeladen hat, um vor den | |
demokratisch gewählten Volksvertretern seine Position darzulegen. Nur hat | |
Ex-Präsident Puigdemont dieses Angebot in den vergangenen 10 Monaten | |
bereits sechsmal abgelehnt. | |
Nun hat sich Puigdemont am Freitag bedauerlicherweise gegen die Demokratie | |
und den Rechtsstaat entschieden. Zuerst hat er sich geweigert, Wahlen in | |
Katalonien auszurufen, trotz der vielen Stimmen – unter anderem der | |
sozialistischen Partei und der baskischen Nationalisten –, die ihn darum | |
gebeten hatten. Dann hat er Freitagabend eine illegale und geheime | |
Abstimmung im katalanischen Parlament einberufen, um die Unabhängigkeit zu | |
erklären. 70 von 135 Abgeordneten haben für eine einseitige | |
Unabhängigkeitserklärung gestimmt – in Abwesenheit der Opposition | |
(Sozialisten, Liberale und Christdemokraten), die sich an einer | |
verfassungswidrigen Abstimmung nicht beteiligen wollte. | |
Die demokratischen Institutionen haben darauf reagiert, und so hat der | |
Senat für die Anwendung von Artikel 155 gestimmt. 214 von 266 demokratisch | |
gewählten Volksvertretern haben dafür entschieden. In der Folge hat die | |
Regierung für den 21. Dezember Regionalwahlen ausgerufen und den | |
katalanischen Präsidenten abgesetzt. Wichtig ist, dass der Region | |
Katalonien damit nicht ihre Autonomie und ihre Kompetenzen genommen werden. | |
Anders gesagt, eine neu gewählte katalanische Regierung wird alle | |
Kompetenzen der Autonomie wie gewohnt ausüben. | |
Die Regierung und das spanische Parlament haben wiederholt, dass man über | |
alles reden kann: Zuständigkeiten, Finanzierung, selbst Verfassungsreform. | |
Aber das kann nur nach den Regeln der Demokratie geschehen, schon allein | |
deshalb, weil das Prinzip der Gewaltenteilung es verbietet, dass die | |
Regierung über Angelegenheiten spricht, deren Entscheidung ihr nicht | |
zusteht. Jetzt gibt es nur den Weg von Recht und Gesetz, der uns alle – die | |
Katalanen eingeschlossen – zu freien Bürgern macht. In diesem Rahmen kann | |
man über alles verhandeln. | |
Ob das allerdings diejenigen interessiert, die ihre Politik auf genetische | |
Theorien stützen und versuchen, sich als „ewige Opfer“ über alles Recht u… | |
das Völkerrecht hinwegzusetzen? | |
29 Oct 2017 | |
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