# taz.de -- Amos Schliack über Gedenken an Pogrom: Eine selbsterklärende Atmo… | |
> Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 lädt Grindel-Bewohner Amos | |
> Schliack zur Stolperstein-Aktion „Grindel leuchtet“ | |
Bild: Orientierungspunkt: An Stolpersteinen wie diesem ereignet sich auch am 9.… | |
taz: Herr Schliack, warum haben Sie die Aktion „Grindel leuchtet“ mit | |
gegründet? | |
Amos Schliack: Als ich 2012, nach über 30 Jahren, zurück in den Grindel | |
zog, fand ich die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig vor, die an die | |
jüdische Vergangenheit des Viertels erinnerten. Das Thema berührte mich, | |
und ich habe mit einigen Freunden überlegt, dass man für die Stolpersteine | |
einen Tag schaffen müsse, an dem sie besonders hervorgehoben würden. Es | |
sollte eine niedrigschwellige Aktion sein, und so kamen wir 2013 auf die | |
Idee, zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht – als organisierte | |
Schlägertrupps deutschlandweit Synagogen anzündeten und Juden misshandelten | |
– Kerzen aufzustellen. | |
Und warum der Name? | |
Die Idee ist nicht neu; so etwas gibt es auch in anderen Städten. | |
Allerdings existiert nirgendwo eine Aktion, die als von außen erkennbare | |
Marke funktioniert. Dafür haben wir den Begriff „Grindel leuchtet“ | |
gefunden. Den fanden wir griffig und sympathisch. Aber letztlich ist | |
Grindel überall, wo Stolpersteine sind. | |
Was genau passiert am heutigen 9.11. im Grindelviertel? | |
Es ist eine Einladung an alle Grindel-Bewohner, zu Beginn der Dämmerung auf | |
die Straße zu gehen und an den Stolpersteinen Kerzen anzuzünden. Unsere | |
Aktion ist Teil der „sozialen Skulptur“, wie Gunter Demnig seine | |
Stolpersteine nennt. | |
Wie war der Zuspruch in den letzten Jahren? | |
Rege. Vor allem junge Eltern nutzen die Gelegenheit, um mit ihren Kindern | |
über das Thema zu sprechen. Die besondere Atmosphäre an diesem Abend | |
scheint eine Träger-Frequenz zu sein, auf der man Botschaften aussenden | |
kann. Es herrscht eine selbsterklärende Stimmung. | |
Wird es ein zentrales Gedenkritual geben? | |
In den Vorjahren fand am selben Abend die Mahnwache des Auschwitz-Komitees | |
auf dem Joseph-Carlebach-Platz statt. Diesmal war die Mahnwache schon | |
gestern, weil heute Schüler der Carlebach-Schule eine Installation zeigen, | |
um die riesige einstige Synagoge – bis 1938 die größte Norddeutschlands – | |
zu vergegenwärtigen. Um 19 Uhr wird Rabbi Shlomo Bistritzky ein Gebet | |
sprechen. Ich finde die Aktion gut und stelle mir vor, dass wir beides | |
künftig verknüpfen und aus unseren verschiedenen Aktivitäten eine kleine | |
Choreographie machen. | |
Haben Sie jüdische Wurzeln? | |
Nein, obwohl mein Vorname das nahelegt und ich viel in Israel gearbeitet | |
habe. Meine Affinität zu dem Thema entstand dadurch, dass mein Vater in | |
Israel lange als Arzt gearbeitet hat, sodass ich schon als Junge dorthin | |
kam. | |
Interview Petra Schellen | |
9 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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