# taz.de -- Polizeieinsatz bei HSV gegen Werder: Schusswaffen gegen Ultras geri… | |
> Mit Sturmhauben maskiert und mit gezogener Schusswaffe: Polizisten haben | |
> Fans von Werder Bremen am Besuch des Volksparkstadions gehindert. | |
Bild: Würden so gerne mal in die verbotene Stadt reisen, dürfen aber wieder n… | |
BREMEN taz | Das anonyme Schreiben klingt fast wie ein Hilferuf: „Das | |
Geschehen lässt mich nicht mehr los. Für meinen Verein eine Knarre ins | |
Gesicht gehalten zu bekommen, geht zu weit.“ Die Person, die das | |
geschrieben hat, war offenbar einer von jenen 171 Werder-Fans, die | |
vergeblich versucht haben, zum vergangenen Fußball-Nordderby zwischen dem | |
Hamburger SV und Werder Bremen ins Volksparkstadion zu gelangen. | |
Neu ist, dass Polizeibeamte in Zivil dabei offenbar mit gezogenen | |
Schusswaffen vorgingen. Die Polizei Hamburg bestätigte, dass Beamte zur | |
„Eigensicherung und Gefahrenabwehr“ ihre Waffen zogen. | |
Allerdings hätten die Beamten „ihre Schusswaffen in der sogenannten | |
Grundhaltung gezogen“, also nicht direkt auf Personen gerichtet. Hamburgs | |
Polizeisprecher sagt: „Das Vorgehen vor Ort war aufgrund vorliegender | |
Erkenntnisse notwendig und angemessen, um diesem Problemklientel zu | |
begegnen.“ | |
Die Hamburger Polizei hatte 171 Werder-Ultras über sechs Stunden lang | |
festgehalten, durchsucht und anschließend wieder nach Hause geschickt. Das | |
Fußballspiel verpassten die Fans. Der Vorwurf: Sie seien „konspirativ“ | |
angereist, um von einem Treffpunkt aus gewaltsam gegen HSV-Anhänger | |
vorzugehen ([1][taz berichtete]). „Gefahrenabwehr“ heißt das Zauberwort der | |
Polizei, wenn „gewisse Verhaltensprognosen“ dafür sprächen, dass Personen | |
oder Gruppen, Gewalttaten oder Ähnliches planten. | |
Mitglieder der Bremer Fanszene sowie das Fanprojekt verurteilten das | |
Vorgehen der Polizei als „Schikane“, Werders Vereinspräsident | |
Hess-Grunewald kritisierte die Maßnahmen als „überzogen“ und „nicht | |
nachvollziehbar“. Zumal es das dritte Mal in Folge gewesen sei, dass | |
Werder-Ultras nach Polizeieinsätzen nicht das Stadion erreicht hätten. | |
„Pauschales Misstrauen“ gegenüber den Werder-Fans sei „unverständlich�… | |
seiner Bewertung hatte Hess-Grunewald „intensive Kontakte“ mit | |
„Polizeibeamten, Fanvertretern, Augenzeugen und Beteiligten“. | |
Auch der anonyme Bericht liefert nun einen Eindruck vom Geschehen vor Ort: | |
Man sei zu fünft in einem Auto auf dem Weg zum Spiel nach Hamburg gewesen, | |
man habe sich mit anderen Fans auf einem Supermarkt-Parkplatz getroffen, | |
erzählt der Augenzeuge. Nur 30 Sekunden nach dem Einparken sei ein anderes | |
Auto mit Bremer Kennzeichen von Personen mit Sturmhauben und gezogener | |
Pistole umstellt worden: „Ich wurde nervös, etwas panisch und bekam es mit | |
der Angst zu tun.“ | |
## Surreale Szenen im Einkaufstrubel | |
Drei Personen seien auch zu ihrem Auto gerannt, hätten die Türen | |
aufgerissen, sie „richteten ihre Pistolen auf uns und brüllten: ‚Hände | |
hoch! Hände an die Scheibe! Und schön oben lassen!‘“ Auf dem Parkplatz, | |
inmitten des samstäglichen Einkaufstrubels, hätten sich wie im Film | |
surreale Szenen abgespielt – Personen in Zivil seien mit Knarren durch die | |
Gegend gelaufen: | |
„Wir alle im Auto fühlten uns hilflos und ausgeliefert und waren nervös. | |
Wir hatten nichts gemacht, außer unser Auto geparkt.“ Auf Nachfragen, was | |
los sei, sei die Antwort gekommen: „Fresse halten und Hände schön oben | |
lassen!“ | |
Erst mit Eintreffen von behelmten und uniformierten Polizisten habe sich | |
die Lage entspannt. Man habe die Arme wieder herunternehmen dürfen und auf | |
Nachfrage aus den Fahrzeugen aussteigen, eine rauchen oder in Begleitung | |
pinkeln gehen dürfen. | |
Hamburgs Polizeisprecher begründete den Einsatz mit den Erfahrungen aus den | |
Vorjahren, bei denen man „Passivbewaffnung, Pyrotechnik, Betäubungsmittel | |
und Vermummungsmaterial“ gefunden hatte. Die Personen vom Parkplatz wurden | |
„teilweise“ als dieselben Personen identifiziert, die in den Vorjahren | |
kontrolliert wurden. Er hatte bereits angekündigt, auch im nächsten Jahr | |
„konspirative Anreisen“ zu unterbinden. | |
Werders Ultra-Gruppe Infamous Youth [2][erklärte am Mittwoch auf ihrer | |
Website], warum sie in Privatautos anreiste: Weil man bei der Auswärtsfahrt | |
nach Hamburg entweder im Wanderkessel der Polizei Flaschenwürfen von | |
HSV-Fans ausgesetzt gewesen war oder gestellte Shuttle-Busse mit Steinen | |
angegriffen worden waren, sei man seit 2009 der Überzeugung, die Polizei | |
könne die Gästefans nicht ausreichend schützen. | |
Nachdem die Hamburger Polizei Gesprächsangebote ignoriert habe, sei man | |
dazu übergegangen, auf alternativen Wegen anzureisen. Auch in Zukunft werde | |
man nicht die „gesundheitsgefährdenden Anreisekonzepte der Polizei“ nutzen. | |
Das sei ja schließlich nicht illegal. | |
12 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5451720/ | |
[2] https://infamousyouth.org/mitteilung-zur-derbyanreise-2017/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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