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# taz.de -- Kommentar Führungsdebatte Union: Lame Ducks im Adenauerhaus
> Mit Merkel und Seehofer treffen am Sonntag zwei angezählte Parteichefs
> aufeinander. Aus CDU und CSU schallt der Ruf nach Verjüngung.
Bild: Wie soll Seehofer denn auf die CDU-Chefin eindreschen, wenn die Parteifre…
Wenn sich am Sonntag Horst Seehofer und Angela Merkel treffen, wird es
vermutlich hoch hergehen. Dermaßen aufgeplustert stolzieren Seehofer und
seine Adlaten Dobrindt und Herrmann seit Tagen durch die überregionale
Medienlandschaft, dass man meinen könnte, ihre CSU hätte mit dem mäßigen
Wahlergebnis der Union rein gar nichts zu tun.
Schuld ist nur diese Frau aus dem Adenauer-Haus – das ist der Spin, den
Seehofer zu setzen versucht. Sein empörtes Gehabe und das besorgte Vibrato
sollen jedoch nicht nur den Resonanzraum schaffen für ultimative
Forderungen à la „Obergrenze“. Es soll auch darüber hinwegtäuschen, dass
Horst Seehofer längst eine Lame Duck ist. Und nicht nur er ist angekratzt.
Auch Angela Merkels Zeit läuft ab.
Erinnern wir uns: Bei seinem Rückzug vom Rückzug im April dieses Jahres
hatte sich der CSU-Chef selbst in eine letzte Spielverlängerung geschickt.
Von einem „Kontra-Leben“ sprach er in der Pressekonferenz; seine Vokabel
für den Ruhestand ließ tief blicken. Da will einer einfach nicht heimgehen.
Aber er wird bald müssen.
Nun, da die Partei des 68-Jährigen von den WählerInnen abgestraft worden
ist, scharren schon die Nachfolger mit den Hufen. Der verschmähte Markus
Söder schraubt die Forderungen an den Vorsitzenden höher und höher – bringt
der keine Ergebnisse zum Parteitag Mitte November mit, könnte Nürnberg
Horst Seehofers Endhaltestelle werden.
Und aus dem Austraghäusl meldet sich Parteifeind Peter Gauweiler und ruft:
„Horst, es ist Zeit.“ Wie soll Seehofer da gepflegt auf die CDU-Chefin
eindreschen, wenn die Parteifreunde ihn derart grob zum Gehen auffordern.
## Merkels Nachfolge
Etwas anders liegt die Sache bei Angela Merkel. Die Kanzlerin hat zwar
strategisch klug nie verkündet, sich zurückziehen zu wollen. Aber sie hat
verdammt lange gebraucht, bis sie sich im November 2016 endlich erklärt
hat. Nun, da sie eine wie auch immer aufgestellte Regierungskoalition
führen muss, wird sie große Mühe haben, die vollen vier Jahre Kanzlerschaft
durchzuziehen.
Zum einen, weil sie sich spätestens ab jetzt ernsthaft um ihre Nachfolge
kümmern muss, wenn sie verhindern möchte, dass das andere für sie tun. Zum
anderen, weil allen, vor allem in der Union, seit Langem klar ist, dass
jeder neue Tag ihrer vierten Amtsperiode ein weiterer Schritt Richtung
Ausgang ist.
Merkel ist mittlerweile umstellt von Leuten, die ihr die Macht aus den
Händen winden möchten. Sie hat das sicher kommen sehen, aber das maue
Wahlergebnis verstärkt nun den Druck auf sie. Für andere Parteien wären
32,9 Prozent ein Grund zum Feiern, aber nicht für die Union. Sie hat 8,6
Prozent verloren, und zwar zum großen Teil an jene AfD, die Merkel
vergeblich zu bekämpfen versucht hat.
An dem Vorwurf, ihre Wähler nicht in die Mitte nachgeholt zu haben, ist
viel Wahres dran. Und dass sie gleich nach dem Wahlabend wieder Volker
Kauder zum Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen hat, klingt nicht gerade
nach einer Verjüngung der Führungsspitze.
## Teilhabe der Jüngeren
An diesem Samstag trifft Angela Merkel auf den Parteinachwuchs, sie wird
beim Deutschlandtag der Jungen Union erwartet. Die vom JU-Vorstand zur
Abstimmung vorgelegte „Dresdner Erklärung“ enthält nicht Seehofers
Lieblingswort „Obergrenze“. Sie fordert aber von einem zu bildenden
Jamaika-Bündnis die klare Begrenzung der Zuwanderung durch ein
Einwanderungsgesetz.
Die letzte Rede des Tages wird der Neukonservative Jens Spahn halten, der
bereits mehrfach als frecher Merkel-Kritiker aufgefallen ist. Das darf man
wohl eine auf Effekt gebügelte Dramaturgie nennen. Auch JU-Chef Paul
Ziemiak hat bereits angemahnt, die künftige Führung der Union müsse die
verschiedenen Flügel „durch neue Gesichter in Regierung, Fraktion und
Partei“ widerspiegeln.
Man mag zu Ziemiak stehen, wie man will – sein Anspruch ist berechtigt.
Generationengerechtigkeit meint immer auch Teilhabe der Jüngeren. Angela
Merkel wird dem zeitnah Rechnung tragen müssen.
7 Oct 2017
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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