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# taz.de -- Merkel beim Deutschland-Tag der JU: Keine Spur von Rücktritt
> Am Freitag gab Jens Spahn noch den Scharfmacher bei der Jungen Union.
> Kompetent und charmant konterte die Kanzlerin und holte sich lauten
> Applaus.
Bild: Gewohnt sachlich: Angela Merkel beruhigt die Junge Union
Dresden taz | Vor dem Kongresszentrum in Dresden bleibt der erwartete
Protest gegen Kanzlerin Angela Merkel aus, von einer Handvoll Menschen
abgesehen. Drinnen, beim „Deutschland-Tag“ der Jungen Union (JU), sieht es
anders aus. Die Nachwuchskräfte von CDU, insbesondere aber der CSU, saßen
zum Protest bereit, um ihrer Parteichefin Dampf zu machen. Für
Unionsverhältnisse ungewohnt scharf gingen Einzelne die Kanzlerin an.
Ein Delegierter des Rheinisch-Bergischen Kreises wollte wissen, ob Merkel
selbst für einen „inhaltlichen und personellen Neuanfang“ Platz mache. Aus
der Ruhe ließ Merkel sich dadurch nicht bringen, die Angriffe vom rechten
Flügel konterte sie kompetent und charmant – und empfahl ihrer Partei als
mit Abstand stärkster politischer Kraft im Land mehr Selbstbewusstsein.
Einer Kernforderung der JU, die 110.000 MitgliederInnen hat, gab Merkel
ohnehin nach. Wie vom JU-Vorsitzenden Paul Ziemiak gefordert, wird ein
Bundesparteitag über einen möglichen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU,
FDP und Grünen abstimmen. An der Basis sitzt der Frust über das
schlechteste Bundestagswahlergebnis seit 1949 tief. Als Merkel unter dem
Fanta4-Hit „Troy“ in den Sitzungssaal einmarschierte, blieben die
bayrischen Delegierten demonstrativ sitzen. Stattdessen hielten sie Merkel
Pappschilder entgegen, die Botschaften enthielten wie „Zuwanderung
begrenzen“, „Alle Ziele erreicht?!“ oder „Inhaltlicher und personeller
Neuanfang jetzt“. Den Merkeltreuen CDU-Generalsekretär Peter Tauber buhten
Teile des Saals aus.
Die JU-Hoffnung heißt Jens Spahn, 37 Jahre alt, CDU-Präsidiumsmitglied und
Staatssekretär von Finanzminister Wolfgang Schäuble. 55 Minuten lang hatte
Spahn am Freitagabend die JU-Delegierten heiß gemacht. Bezogen auf die
Bundestagswahl wetterte er: „Dieser Tag war einschneidend! Wir können nicht
einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Jetzt brauche es „eine klare Sprache,
eine klare Abgrenzung“, um die AfD zurückzudrängen.
Spahns Rezept sieht so aus, dass er die „bürgerliche Politik“ wieder ins
Zentrum rücken will, „linkes moralisieren“ hätten die Menschen satt. In d…
CDU müsse wieder um die richtige Lösung gerungen werden, forderte Spahn,
außerdem dies: „Integration schafft nur, wer Grenzen setzt.“ Es sei egal,
ob der Begriff Obergrenze verwendet werde, entscheidend sei das Signal. Die
JU-Delegierten beklatschten Spahns Auftritt lautstark.
## Den Tonfall entschärfen
Merkel war am Samstagmittag sichtlich bemüht, nach Spahns Rhetorik zu
entschärfen. Zu Beginn ihrer 95-minütigen Rede hob sie die Wahlerfolge der
CDU in den Ländern hervor, das Saarland sei überzeugend gewonnen worden, in
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen habe man einen Führungswechsel
hinbekommen. „Und wenn wir ehrlich sind: Im November 2016 sah es nicht so
aus, als ob das locker gelänge“, sagte die Kanzlerin in gewohnt sachlichem
Tonfall.
Auch im Bund habe man die strategischen Wahlziele erreicht, „gegen die
Union kann keine Regierung gebildet werden und wir sind stärkste Kraft“.
Hier und da gab es Applaus, nickten einige zustimmend. Eigentlich aber
wartete der JU-Clan auf die Analyse des mageren 32,9-Prozent-Ergebnisses
der Bundestagswahl.
„Ein wichtiger Punkt ist der Herbst 2015, das Thema bewegt die Menschen“,
kam Merkel denn auch schnell bei der Flüchtlingsdebatte an, in der auch die
JU gespalten ist; speziell, was die Diskussion um eine Obergrenze betrifft.
Am Freitagabend hatten die 276 Delegierten die sogenannte „Dresdner
Erklärung“ verabschiedet. Darin heißt es unter anderem: „Dabei sollte in
einem Einwanderungsgesetz auch eine klare Begrenzung für klassische
Zuwanderung festgeschrieben werden.“
Den liberalen Kräften in der JU passte dies nicht, sie beantragten, man
solle Begrenzung durch Regulierung ersetzen. Das Murren aus den bayrischen
Reihen folgte prompt, erst recht als der Antrag mit 95:90 Stimmen
angenommen wurde. Die Abstimmung per Handzeichen zweifelte Bayerns JU an,
woraufhin Stimmkarten ausgegeben wurden. Resultat: Ein 148:122-Sieg für die
Begrenzungsbefürworter, die Bayernfraktion johlte.
## Die Bayern bleiben bockig
Vielleicht auch deshalb sah sich Merkel dazu berufen, nochmal Position zu
beziehen. „Artikel 16 des Grundgesetzes kennt keine Obergrenze“, rief sie
also, das sei ihre Position. Als die Bayern wieder murrten, schob sie
lächelnd nach: „Ich weiß es ja, ich weiß es ja.“ Es gebe eben einen Diss…
zwischen den beiden Schwesterparteien, man habe es aber geschafft, damit zu
leben. Ihr sei bewusst, dass kein anderes Thema CDU und CSU so erschüttert
habe. Eine Obergrenze, das machte Merkel deutlich, steht für die Kanzlerin
als Lösungsweg nicht zur Debatte.
Stattdessen gelte es, bei der Integration generell viel aufzuholen. Wahr
sei auch, dass sich Deutschland um einen gemeinsamen Grenzschutz bis 2010
lange gesperrt habe. Den Türkei-Deal verteidigte Merkel, mit „ganz
Nordafrika“ strebe sie ähnliche Abmachungen an. Gleichzeitig müsse
Deutschland eine wichtige Rolle in der Entwicklungspolitik spielen,
„Ordnung und Steuerung“ bedeuteten, dass man über den eigenen Tellerrand
hinausschaue, um woanders Strukturen zu schaffen. Es sei nötig, „Brücken in
die Welt zu bauen“.
Von personellen Schnellschüssen („Ich bin auch ein alter Kopf“) hält Merk…
eher wenig, vielmehr müsse sich ihre Partei mehr mit sozialen Fragen
beschäftigen. „Die CDU neigt dahin, sich um klassische Wirtschaftsfragen zu
kümmern, um soziale Fragen weniger.“ Die steigenden Mieten in den
Ballungszentren nannte sie als Beispiel, im ländlichen Raum seien Fragen
zum ÖPNV, Gesundheit und Digitales zu lösen. Dann wohl in einem
Jamaika-Bündnis. „Mit gutem Willen sollte es gehen“, so Merkel. Den Saal
verließ sie unter lautem Applaus, nur die Arme der Bayern blieben eisern
verschränkt.
7 Oct 2017
## AUTOREN
David Joram
## TAGS
Junge Union
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU
CSU
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Paul Ziemiak
Jens Spahn
Jens Spahn
CDU
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