# taz.de -- Berliner Posse: Wie hältst du's mit dem Kapitalismus? | |
> Man kann sich als Abgeordneter mit Ampelanlagen beschäftigen. Man kann | |
> aber auch Grundsatzfragen stellen – so wie der FDP-Mann Marcel Luthe. | |
Bild: Die Mieten in Berlin steigen immer weiter – hat das etwa mit dem Kapita… | |
BERLIN ta |z Als Abgeordneter im Berliner Parlament kann man dem Senat | |
Anfragen stellen. Man kann sich etwa nach den statischen Berechnungen für | |
einen Ampelmast in der Heiligenseestraße erkundigen, wie es der | |
CDU-Abgeordnete Stephan Schmidt neulich tat, oder nach Regenschäden in | |
Charlottenburger Kleingartenkolonien, was jüngst den SPD-Mann Fréderic | |
Verrycken interessierte. Man kann aber auch etwas grundsätzlicher werden, | |
so wie Marcel Luthe von der FDP: „Kapitalismus“ lautet die Überschrift | |
seiner letzten Anfrage an den Senat, deren Beantwortung nun vorliegt. | |
Der Stein des Anstoßes für den FDP-Abgeordneten: „Wir leben bis zum Hals im | |
Kapitalismus. Das ist das Problem“, hatte Stadtentwicklungssenatorin Katrin | |
Lompscher auf einer Veranstaltung in Berlin-Kreuzberg im vergangenen März | |
gesagt. Luthe will nun wissen, ob der Senat diese Auffassung der Senatorin | |
teile, und schiebt dann als besonderen Clou noch vier weitere Fragen zu | |
einem anderen Sachverhalt hinterher: Ob es zutreffe, dass Lompschers | |
Verwaltung sich von einer Kanzlei beraten lasse, die 400 Euro Honorar pro | |
Stunde verlange, und ob das notwendig, angemessen und gerecht sei? | |
Der Höhö-Witz, auf den der Mann hinaus will, springt einen förmlich an: | |
Wasserprediger und Weintrinker, dieser Senat, da gegen Kapitalismus hetzen | |
und dort fette Honorare verteilen! Hut ab, FDP, du alte Speerspitze der | |
Kapitalismuskritik. | |
Ebenso schön wie die Anfrage ist aber auch die Antwort des Senats, gegeben | |
von Staatssekretär Sebastian Scheel, Nachfolger eines gewissen Andrej Holm. | |
Die Fragen zwei bis fünf werden schnell abgehandelt – die Kanzlei habe | |
lediglich in einem Einzelfall rechtlich beraten –, auf die erste Frage gibt | |
es jedoch eine längere Antwort: Die Aussage der Senatorin ziele auf ein | |
„gesellschaftliches Grundproblem und seine Folgen für die Gesellschaft.“ | |
Und weiter: „Dieses äußert sich in einer vor Jahrhunderten entstandenen und | |
bis heute vorherrschenden Wirtschaftsweise, die auf einen möglichst großen | |
Zugewinn als zentrales Ziel des Wirtschaftens abstellt.“ | |
Ob nun der Kapitalismus dieses Grundproblem sei oder ob sich in ihm nur ein | |
anderes Problem äußere – und welches das sein könnte –, lässt der | |
Staatssekretär damit mysteriös offen, stellt dafür aber klar: „Der Senat | |
hat sich zu diesem Grundproblem keine abschließende Meinung gebildet.“ | |
Lieber Senat, ist nicht schlimm – ihr habt noch vier Jahre! | |
4 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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