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# taz.de -- FDP-Comeback im Bundestag: Wählerisch in Sachen „Koalition“
> Vier Jahre außerhalb des Parlaments haben die FDP erst so richtig
> durchstarten lassen. Auch weil sie versprochen hat, nicht in jede
> Koalition zu gehen.
Bild: Diiiiigitalisiiieruuuuung, yeahaehe!
Berlin taz | Es hatte keiner ernsthaft erwarten können, dass [1][Christian
Lindner am Sonntagabend enthusiastisches Regieren ankündigen würde]. Egal,
wie gut das Ergebnis für die FDP bei dieser Bundestagswahl ausgefallen
wäre. Nun stehen die Freien Demokraten [2][in den Hochrechnungen bei über
10 Prozent]. Grandios für eine aus der außerparlamentarischen Opposition
kommende Partei.
Im Genscher-Haus in Berlin-Mitte drängeln sich die Leute vor den
Fernsehschirmen und hüpfen vor Begeisterung. Aber der Wahlabend wird
bestimmt vom Ergebnis der AfD und der Frage, wie endgültig die eilige
Ankündigung der desaströs geschlagenen SPD sein wird, unverzüglich in die
Opposition zu gehen. Wenn das nicht eine Strategie ist, um die anderen in
die Vorlage gehen zu lassen, bliebe ansonsten nur noch eine Regierung der
gerupften Union mit FDP und Grünen. „Ich muss nach Jamaika fragen“, sagt
ein Fernsehjournalist im Off zu FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, die die
TV-Frühschicht hatte. Sie lacht scheppernd, sagt dann aber nichts
Substanzielles.
Viertel vor sieben kommt schließlich der Chef mit dem Parteipräsidium aus
dem dritten Stock runter ins Atrium – und gegen seine Gewohnheit – kaum zu
Wort. „Wenn ihr nach jedem Satz jubelt, wird das ein langer Abend“, sagt
Lindner.
Und findet dann zunächst Worte der Demut, spricht von „der großen
Verantwortung für unser Land“ und setzt nach: „Wir stellen uns dieser
Verantwortung.“ Er erinnert an den grandiosen Sieg von 2009 und an die
bittere Niederlage von 2013, erzählt die Geschichte der Läuterung und der
Notwendigkeit einer modernisierten FDP.
## Ihren Inhalten und Wählern verpflichtet
Die Rückkehr in den Bundestag nach vier Jahren Abgeschnittenheit von
ökonomischen und medialen Ressourcen ist allein schon eine Leistung, die
Christian Lindner in die Parteigeschichte eingehen lässt. Eines der
zentralen Versprechen des Parteichefs und Spitzenkandidaten besteht in
dieser Läuterung der Partei vom klassischen Vorwurf des Machtopportunismus.
Weshalb Lindner im Wahlkampf den Gebrauch des rhetorischen Instruments
„Sowohl – als auch“ benutzte: Die Unterschiede zu Grünen, zur SPD und au…
zur EU-Finanzpolitik der Union als Trennendes markieren und gleichzeitig
die Notwendigkeit von FDP-Einfluss in der Regierung belegen wollen.
Lindners FDP soll maximal ihren Inhalten und Wählern verpflichtet
erscheinen. Weshalb er schon in Nordrhein-Westfalen nach der Mehrheit für
Schwarz-Gelb das Gemeinsame und Trennende erst mal schön in der Balance
hielt, ehe die Koalition dann doch zustande kam.
Doch die SPD hat mit dem angekündigten Rückzug Lindners Strategie über den
Haufen geworfen. Er finde das „bedenklich“, dass die SPD so schnell
abdrehe, sagte der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. „Wir gehen zu Gesprächen,
aber wir sind nicht die Ausputzer.“
Kubicki hatte in Schleswig-Holstein in einem Gespräch mit dem
stellvertretenden Ministerpräsidenten Robert Habeck (Grüne) die Idee
entwickelt, FDP und Grüne müssten so clever sein, sich selbst den Partner
und den Ministerpräsidenten auszusuchen statt sich gegenseitig zu
schwächen. Genau das zogen Kubicki und Habeck in Kiel durch. „Ob das
übertragen werden kann, wird man sehen.“ Die Lage in Berlin ist eine
andere. Zum Beispiel gibt es hier keinen Habeck. Derzeit.
## „Rote Linien“ gegenüber der Grünen
Vier Jahre Opposition hatten die FDP womöglich erst so richtig durchstarten
lassen. Im Wahlkampf nährte sich Lindner von der Äquidistanz zu den Grünen.
Deshalb ist Jamaika in jedem Fall ein sehr weiter Weg, auch wenn Liberale
und Grüne in Rheinland-Pfalz (mit SPD) und in Schleswig-Holstein (mit CDU)
gemeinsam Regierungsverantwortung haben. Das grün-schwarz regierte
Baden-Württemberg ist Lindners Beispiel dafür, dass eine FDP eben nicht in
die Regierung geht, wenn sie dort nicht „Gutes bewirken kann“. Da hatte der
grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann vergeblich für Grün-Rot-Gelb
geworben. Am Sonntag sagt Lindner: „Wir lassen uns nicht in eine Regierung
drängen.“
Lindner hat in der Europapolitik, der Flüchtlingspolitik und vor allem in
der Energiepolitik [3][andere Vorstellungen als die Grünen]. „Rote Linien“
waren für ihn im Wahlkampf ein Verbot des Verbrennungsmotors, aber auch mit
Blick auf die Union die „Schuldenvergemeinschaftung in Europa“ sowie die
Verweigerung eines Einwanderungsgesetzes.
Im Grunde sieht Lindner alle anderen Parteien als Parteien von gestern, die
vor allem auf die sich vollziehenden Veränderungen in der
gesellschaftlichen Mitte nicht mit der angemessenen Sozial-, Arbeits- und
Steuerpolitik reagieren. Die Frage wird sein, ob durch den in dieser Form
nicht erwarteten Erfolg der AfD ein neuer demokratischer Mindestkonsens
aller anderen Parteien diskutiert wird. Für den auch Lindner bereit ist,
Abstriche zu machen. Oder ob ihm einfach keine anderen Wahl bleibt.
[4][Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt]
25 Sep 2017
## LINKS
[1] /Lindners-FDP-stark-im-Bundestag/!5449919
[2] /Ergebnis-der-Bundestagswahl-2017/!5449920
[3] /Gruene-vor-der-Bundestagswahl/!5447369
[4] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
FDP
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Christian Lindner
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