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# taz.de -- Debatte Wissenschaft und Klimaskeptiker: Mehr Action fürs Klima!
> Angesichts mächtiger „Klimaskeptiker“ wie Trump wird Klimapolitik immer
> wichtiger. Dafür braucht es aber eine konsequente Klimabildung.
Bild: Leidet unter dem Klimawandel: der Irrgarten von Schloss Mosidkau in Sachs…
Die Absage von Politikern wie Donald Trump und Alexander Gauland an
wissenschaftliche Befunde führt die Notwendigkeit vor Augen, nochmals neu
über die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse nachzudenken. Während
der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sowie Trumps
„klimaskeptische“ Parolen einen weltweiten Widerstand entfachten, Protest
auch aus akademischen Kreisen hervorriefen und die Unterstützung des
Pariser Abkommens durch alle anderen Unterzeichner festigten, gibt die
Situation weiterhin Anlass zu Beunruhigung.
Beunruhigend ist nicht nur, dass politische Parteien und Gruppierungen die
Wissenschaften missachten und dem Anspruch der Wahrheit den Rücken
zukehren. Sorge bereitet vor allem die gesellschaftliche Aufmerksamkeit,
die die Verleumdung und Delegitimierung der mehrfach bestätigten
wissenschaftlichen Erkenntnisse überhaupt erlangen konnte.
Damit soll nicht behauptet werden, dass wissenschaftliche Ergebnisse stets
der Wahrheit entsprechen. Welche Erkenntnisse wahr sind und welche falsch,
darüber kann jedoch nicht parteipolitisch entschieden werden. Hier gelten
die Regeln der Logik und der Empirie – und nicht die der moralischen
Überzeugung oder der Glaube. Dass der Klimawandel menschengemacht ist,
bereits heute gefährliche Auswirkungen hat und sich in naher Zukunft akut
zuspitzen wird, gilt heute als belastbare wissenschaftliche Erkenntnis.
Zweifel an der Gültigkeit dieser Aussagen lenken jedoch von den zentralen
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen ab,
die bei der Entwicklung und Implementierung nationaler Klimaschutzpläne
anstehen. Eine der Ursachen hierfür ist, dass der Diskurs über die globale
Erwärmung bislang in einer Sprache stattgefunden hat, die nicht von allen
verstanden wird. Verstärkend wirkt außerdem, dass viele generell enttäuscht
sind von der Wissenschaft – oft wird erwartet, dass sie Probleme schneller
und besser löst.
## Unmenge an Klimakonzepten
Die Verantwortung für die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und
ihrer gesellschaftlichen Relevanz liegt allerdings nicht allein bei
Wissenschaftsjournalisten. Sie ist ebenso im Bildungssystem begründet, das
es bislang versäumt hat, die Bevölkerung angemessen über Ursachen und
Effekte des Klimawandels aufzuklären. Klimabildung spielt bislang nur eine
marginale Rolle – sowohl in den Schulen als auch in außerschulischen
Bildungseinrichtungen.
Trotz der Relevanz des Themas wird es selbst in Wahlprogrammen ignoriert.
Das im Wahlkampf viel zitierte Kooperationsverbot kann hierfür keine
Ausrede sein. Das Kooperationsverbot wurde im Jahr 2006 im Grundgesetz
verankert und legt fest, dass Bund und Länder in der Bildung nicht
dauerhaft zusammenarbeiten dürfen. Es führt dazu, dass jedes Bundesland
selbst entscheidet, inwiefern Klimabildung in Curricula und Unterricht
integriert wird. Das Resultat: eine Unmenge an Konzeptionen – den Überblick
scheint niemand zu haben.
Auch wenn der Umgang mit Klimabildung jedem Bundesland und teils jeder
Kommune oder Schule selbst überlassen ist: In Ländern wie Deutschland sowie
anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ist die Integration von
Klimabildung keine freiwillige Angelegenheit mehr. Das im Jahr 2015 von den
Vereinten Nationen verabschiedete Pariser Abkommen hebt Klimabildung als
zentrale Maßnahme hervor, um die Verhinderung einer „gefährlichen
anthropogene[n] Störung des Klimasystems“ zu erreichen.
„Action for Climate Empowerment“ – so wird Klimabildung von den nationalen
Verhandler*innen hier bezeichnet, um die Befähigung der Individuen zum
Handeln zu betonen. Verdeutlicht wird durch den neuen Begriff auch, dass
sich der Ton der Klimabildung und -politik geändert hat: Es geht um
Befähigung, nicht um Betroffenheit; um Resilienz anstelle von Resignation.
Die konsequente Umsetzung dieser Verpflichtung findet aktuell jedoch noch
nicht statt. Debattiert wird eher über Bildungsreformen (wie
Jahrgangsübergreifendes Lernen/JÜL) oder Schulleistungsvergleichsstudien
(wie PISA). Diese sind zwar wichtig, sollten aber nicht vom
gesellschaftlichen Auftrag der Schulen ablenken, Schüler*innen zu einer
selbstständigen Urteilskraft und Handlungsfähigkeit zu befähigen.
## Eine lebhafte Streitkultur
Die Fähigkeit, zwischen populären Mythen und harten Fakten in Bezug auf den
Klimawandel zu unterscheiden, nimmt sogenannten Klimaskeptikern den Wind
aus den Segeln. „Action for Climate Empowerment“, also Bildungsinitiativen,
die zum Handeln angesichts komplexer Fragen der Anpassung und der Minderung
des Klimawandels befähigen, machen die Gesellschaft resilienter; sowohl,
was klimatische Veränderungen angeht, als auch in Bezug auf populistische
Politiksurrogate. Die Aufgabe von Klimabildung ist es dabei nicht, als
elitäres Diktum daherzukommen, sondern unter anderem gesellschaftliche
Debatten zu befeuern.
Denn wie wir mit einer möglicherweise katastrophalen Veränderung unserer
Umwelt umgehen, ist keinesfalls ausgemacht. Informierte Diskussionen und
eine lebhafte Streitkultur sind angezeigt. Hierfür müssen die zentralen
Erkenntnisse aller relevanten Disziplinen – von der Klimafolgenforschung
über die Ökonomie des Klimawandels bis hin zur Bildungsforschung –
verständlich kommuniziert werden, was auch ein Auftrag an die Wissenschaft
selbst ist.
Durch die Unterzeichnung des Pariser Abkommens ist Klimapolitik eine
bundespolitische Aufgabe geworden. Wer jedoch in Anspruch nimmt, das
Pariser Abkommen ernst zu nehmen, muss Klimabildung konsequent in die
Bildungspläne integrieren. Klimabildung orientiert sich eben nicht an
Ablenkungsmanövern von rechts. Sie impliziert eine fundierte
Auseinandersetzung mit Ursachen, Folgen und Prozessen des Klimawandels,
klärt über die Wirkungen individuellen Handelns auf und stärkt Initiativen,
um die in Paris gesetzten Ziele zu erreichen.
2 Oct 2017
## AUTOREN
Nina Kolleck
Mareike Well
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