# taz.de -- Strategien für den neuen Bundestag: Keine Bühne für die AfD | |
> Bald wird die AfD wohl im Bundestag sitzen und das Parlament für sich zu | |
> nutzen wissen. Wie bereiten sich die anderen Parteien vor? | |
Bild: Draußen bleiben wird die AfD wohl nicht | |
Erfurt/Berlin taz | Landtagssitzung in Thüringen. Das Parlament diskutiert | |
den Zwischenbericht eines Untersuchungsausschusses, die Schüler auf der | |
Zuschauertribüne fächeln sich mit den Landtagsbroschüren Luft zu. Dann hat | |
der Abgeordnete Stephan Brandner von der AfD das Wort: alles | |
Altparteiengezänk, überflüssig und an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. | |
Überhaupt würden die Parteien Vielfalt nur vortäuschen, sich ansonsten | |
absprechen gegen die AfD, hinterfotzig sei das. Brandner kriegt einen | |
Ordnungsruf, die Schüler aber sind schlagartig aufgewacht und werfen sich | |
entsetzt-amüsierte Blicke zu. | |
In Thüringen sind sie solche Szenen gewohnt, dem Bundestag in Berlin | |
[1][stehen sie noch bevor]. Denn Brandner, Spitzenkandidat der | |
thüringischen AfD und 60 oder gar mehr weitere AfDler werden wohl dem neuen | |
Bundestag angehören, sie werden Ausschüsse leiten und Anträge einbringen. | |
Und sie werden das Parlament als Bühne für sich zu nutzen wissen. AfD | |
Landtags-TV stellt die Reden Brandners und der anderen | |
AfD-Fraktionsmitglieder ins Netz, wo sie eifrig geklickt werden. Wie | |
bereiten sich die anderen Parteien auf die AfD im Bundestag vor? | |
[2][Die Linkspartei hat bereits vorgearbeitet]. Nachdem die AfD 2014 in | |
drei ostdeutsche Länderparlamente eingezogen ist, hat der Parteivorstand | |
eine Arbeitsgruppe einberufen, die Handlungsvorschläge für den Umgang mit | |
der AfD in den Parlamenten erarbeitet hat. Ziel: einer „Normalisierung“ der | |
Partei entgegenwirken und immer wieder darauf hinweisen, „dass die AfD | |
keine demokratische Alternative ist“. | |
In Empfehlungen, die der Parteivorstand 2015 beschlossen hat, schlägt die | |
Linke vor, konsequent gegen AfD-Anträge zu stimmen, keine gemeinsamen | |
Erklärungen abzugeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten zu | |
gewähren oder anzunehmen. „Die Abgrenzung soll im Idealfall in einer | |
politischen Isolation der AfD enden“, heißt es in dem Papier. Man wolle für | |
diesen Kurs auch bei den anderen Fraktionen werben. | |
## In Sachsen kaum Ausfälle | |
Doch die politische Isolation könnte schwierig werden. Denn die Thüringer | |
AfD macht es den dortigen Landtagsparteien mit ihren Schlägen unter die | |
Gürtellinie vergleichsweise leicht. Die sächsische AfD setzt hingegen | |
darauf, als ganz normale Partei wahrgenommen zu werden. | |
„Sie werden kaum Ausfälle von sächsischen AfD-Abgeordneten hören“, sagt | |
Kerstin Köditz, die die AfD-Arbeitsgruppe in der Linkspartei leitet und dem | |
Sächsischen Landtag angehört. Die sächsische AfD und ihre Spitzenkandidatin | |
Frauke Petry gelten als die gemäßigten AfDler – nationalkonservativ, aber | |
nicht rechtsextrem. | |
Der Soziologe Wolfgang Schroeder vom Berliner Wissenschaftszentrum (WZB) | |
hat mit einem Kollegen die Arbeit der AfD in 10 der bislang 13 Landtagen | |
untersucht und unterscheidet zwei Haupttypen: parlaments- und | |
bewegungsorientierte Fraktionen. „Die einen“, sagt Schroeder, „wollen das | |
Parlament nur als Bühne benutzen, die anderen wollen es ernst nehmen.“ | |
Die Abgrenzung von der parlamentsorientierten AfD in Sachsen fällt selbst | |
der Linkspartei mitunter schwer. Bei manchen Anträgen von der sächsischen | |
AfD, etwa zur Absenkung von Hürden bei Volksentscheiden, hat ein Teil von | |
Köditz’ Fraktion sich in der Vergangenheit nur enthalten, statt mit Nein zu | |
stimmen. „Wir müssen bei jedem einzelnen Antrag gucken, wo wir die Kritik | |
ansetzen“, meint Köditz. | |
## Keine „Lex AfD“ | |
Eingeflossen in den AfD-Parlamentsnavigator der Linken sind auch die | |
Erfahrungen mit der NPD, die sowohl in Sachsen als auch in | |
Mecklenburg-Vorpommern im Landtag vertreten war. Damals änderten Länder und | |
Kommunalparlamente reihenweise Geschäftsordnungen und parlamentarische | |
Gepflogenheiten. So einigte man sich in Sachsen darauf, dass jeweils nur | |
ein Redner der Opposition und der Koalition Stellung zu NPD-Anträgen nehmen | |
sollte, um die Rechtsextremen nicht zu sehr aufzuwerten. „Hirnrissig hoch | |
drei war das“, meint Köditz heute. „Es bringt nichts im Kampf gegen die | |
Feinde der Demokratie, auch die Demokratie einzuschränken.“ | |
Eine Änderung parlamentarischer Regelungen und Gepflogenheiten extra wegen | |
der AfD lehnt auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, | |
Britta Haßelmann, ab. „Wir wollen keine Lex AfD“, sagt Haßelmann, „wir | |
werden denen keine Gelegenheit bieten, sich als Opfer zu inszenieren.“ Für | |
ebenso abwegig hält sie es, bereits im Vorfeld über die mögliche Besetzung | |
von Ausschüssen zu spekulieren. | |
Die Bild-Zeitung hatte vergangene Woche berichtet, dass sich die Haushälter | |
im Parlament bereits darauf geeinigt hätten, keinem AfD-Abgeordneten die | |
Leitung des Haushaltsausschusses zu übertragen. Der Ausschuss ist einer der | |
einflussreichsten des Parlaments, denn dort wird entschieden, wofür die | |
Regierung Geld ausgeben darf. Den Vorsitz hat normalerweise die stärkste | |
Oppositionsfraktion inne – und das könnte nach dem 24. 9. die AfD sein. | |
Haßelmann plädiert für einen selbstbewussten, coolen Umgang mit der AfD. | |
„Im Parlament gibt es klare Regeln, an die hat sich auch eine AFD zu | |
halten. Wir als Parlament sollten souverän, aber hart in der Sache mit der | |
AfD umgehen. Und über kein Stöckchen springen.“ Konkrete | |
Handlungsempfehlungen, wie sie die Linkspartei vorlegt, gibt es bei den | |
Grünen nicht. Man werde sich am 25. September mit den anderen | |
demokratischen Parteien zusammensetzen und über einem gemeinsamen Umgang | |
sprechen, meint Haßelmann. | |
## Die AfD jubelte | |
Auch für die SPD steht bislang lediglich fest: „Wir werden inhaltlich keine | |
gemeinsame Sache mit der AfD machen und sie politisch nicht einbinden“, | |
erklärt die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Christine | |
Lambrecht. „Es wird keine Anträge geben, wo draufsteht: SPD, AfD.“ | |
Ansonsten werde man nicht zulassen, dass die AfD die Opferrolle für sich | |
beanspruche, und deshalb mit ihr so umgehen, wie man mit jeder anderen | |
demokratisch gewählten Fraktion umgeht. Allerdings behalte man sich vor, | |
AfD-Abgeordnete nicht in Gremien zu wählen, wenn sie sich fachlich nicht | |
eigneten. | |
Die CDU-Zentrale erklärt zum künftigen Umgang mit der AfD: „Die | |
Parteivorsitzende, der Generalsekretär und andere Mitglieder der | |
Parteiführung haben immer wieder deutlich gemacht, dass es keine | |
Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Das gilt.“ | |
## Selbst für Parteifreunde nicht bundestagstauglich | |
Doch das stimmt so nicht. In Sachsen-Anhalt etwa hat die CDU bereits mit | |
der AfD zusammengearbeitet. So stimmte die Mehrheit der Magdeburger | |
Fraktion für einen Antrag der AfD, eine Enquete-Kommission einzurichten, | |
die sich mit Linksextremismus beschäftigen soll. Die AfD-Fraktion jubelte. | |
„Inzwischen streben alle Parteien einen mehr oder weniger normalen Umgang | |
mit der AfD an“, erzählt AfD-Analytiker Schroeder vom WZB. Eine harte | |
Abgrenzung schweiße die mitunter sehr fragilen Fraktionen der AfD zusammen | |
und mobilisiere zudem Widerstand außerhalb des Parlaments. „Die | |
Selbstzerstörungskraft, die vielen Fraktionen innewohnt, wirkt viel | |
stärker, wenn die AfD genauso behandelt wird wie andere Parteien.“ | |
Je größer die Bundestagsfraktion wird, desto komplizierter wird es für die | |
AfD. Denn dann werden die Spannungen, die es in der zutiefst gespalteten | |
Partei gibt, deutlicher zum Tragen kommen. Und auf den hinteren | |
Listenplätzen stehen auch Leute, die selbst Parteifreunde für nicht | |
bundestagstauglich halten. | |
19 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Sabine am Orde | |
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