# taz.de -- Kabarettist Werner Schneyder hört auf: „Man soll sein Gesicht ze… | |
> Nach Jahren des politischen Kabaretts beendet Werner Schneyer seine | |
> Karriere nun endgültig. Bei seinem Publikum habe er nichts erreicht. | |
Bild: Anfang 2017 bei der Uraufführung eines Theaterstücks: der Kabarettist W… | |
Dieses Mal soll es wirklich kein Comeback geben wie schon einmal zuvor, | |
meint Werner Schneyder. Im Januar 2017 wurde der österreichische | |
Kabarettist, der lange mit Dieter Hildebrandt zusammenarbeitete, 80 Jahre | |
alt. Seither ist er auf deutschsprachigen Bühnen auf Abschiedstournee. Eine | |
Art Best-of nennt er das Programm. Im ersten Teil politisches Kabarett, im | |
zweiten Teil Chansons. Am Morgen nach seinem letzten Auftritt im Berliner | |
Ensemble findet das Interview in einer Hotellobby statt. In der Nacht zuvor | |
war einer der vielen Terroranschläge, die es dieses Jahr schon gab, und | |
zwar der in Manchester, bei dem 22 Menschen starben. | |
taz.am wochenende: Herr Schneyder, schon wieder ein Terroranschlag. | |
Werner Schneyder: Ich werfe den Repräsentanten des Islam vor, dass sie | |
nichts gegen diesen Wahnsinn tun. Die Terroristen sagen, sie kämpfen für | |
Allah. Jetzt müssten sich die religiösen Autoritäten doch zu Wort melden | |
und sagen: Hey, das ist nicht im Sinne Allahs, dafür kommt man nicht in den | |
Himmel, kriegt keine Jungfrauen, im Gegenteil: Es ist eine schlimme Sünde. | |
Aber das sagt keiner. | |
Keiner? | |
Religiöse Dissidenten mögen es sagen, aber keine hohen Repräsentanten des | |
Islam. Man muss doch mal die Tatsache benennen, dass diese Attentäter | |
keinen Respekt mehr vor dem eigenen Leben haben. | |
Meinen Sie, wer sein eigenes Leben nicht wertschätzt, dem ist alles egal? | |
Ja. Ich saß mal in einer Fernsehdiskussion mit zwei Abgesandten des Islam – | |
übrigens immer die gleichen Leute: geschult, sympathisch, gut aussehend, | |
gebildet, sehr ruhig und gelassen, aber unfassbar verlogen. Ich sagte: | |
Bitte, Sie sind korankundig, was sagt der Koran zum Selbstmord? Was steht | |
da über den Umgang mit dem eigenen Leben? Ich habe die Frage ständig | |
wiederholt und keine Antwort bekommen. | |
In Ihrem Kabarettprogramm kritisieren Sie, dass der Respekt vor dem Leben | |
in unserer Kultur auch nicht mehr gegeben ist. | |
Das möchte ich so krass nicht sagen. In meiner Kultur ist der Respekt vor | |
dem Leben der anderen vorhanden. | |
Gut, Sie selbst verkaufen beispielsweise keine Waffen, aber Österreich doch | |
wohl? | |
Selbstverständlich verkauft Österreich Waffen. Sie erinnern sich an diesen | |
bedeutenden österreichischen Bundeskanzler Kreisky, ein politisch ernst zu | |
nehmender, qualitätvoller Mann. In jungen Jahren war ich mit einem Kollegen | |
zu einem Streitgespräch mit ihm geladen, wir sollten den Kreisky | |
provozieren. Ich sagte, die Steyrwerke haben Panzer in andere Länder | |
verkauft. Ich sagte, dass ich es nicht zulässig finde, dass das erlaubt | |
ist. Und Kreisky: Schauen Sie, das ist ein Problem der Steyrwerke, auf das | |
habe ich keinen Einfluss. Darauf ich: Herr Bundeskanzler, Sie werden doch | |
nicht sagen wollen, dass ein Panzer die österreichische Landesgrenze | |
verlässt ohne Ihre Einwilligung. Nach langer Pause er: Sehen Sie, diesen | |
moralischen Standpunkt einzunehmen, dazu sind Sie da, und deshalb genießen | |
Sie so hohes Ansehen. | |
Sie werden regelmäßig in Interviews zum Islam, zu Thomas Bernhard und | |
Elfriede Jelinek befragt. Im Grunde halten Sie alle drei für überbewertet, | |
den Islam zudem für gefährlich. | |
Der Islam ist nicht überbewertet, er ist eine Weltreligion. Und als solche | |
hat er eine Verantwortung, und ich finde, der Islam nimmt diese | |
Verantwortung nicht wahr, das kann mir keiner ausreden. | |
Klare Worte in den luftleeren Raum gesprochen. | |
Luftleer nicht, weil man ja immer Antworten bekommt. Ich habe auch | |
Standpunkte, wo linke Freunde sich wundern und bös auf mich sind. Ich bin | |
natürlich für ein Burkaverbot. Aber es soll nicht Burkaverbot heißen, | |
sondern Vermummungsverbot. Das gilt auch für alle Demonstranten, die das | |
schwarze Tuch bis über die Nase haben. Man soll sein Gesicht zeigen. | |
Übernimmt, wer kein Gesicht hat, keine Verantwortung für seine Meinung? | |
Ja. Mich interessiert nicht, wogegen Anonyme demonstrieren. | |
„Allahphabeten“ ist auch so ein Wort von Ihnen. Wer lacht da, wenn er es | |
hört? | |
Ich würde nicht darüber lachen, aber man muss hie und da dem Publikum was | |
bieten, wo die sagen, aha, der ist witzig. | |
Bei Ihren Kabaretteinlagen haben die Leute immer wieder gelacht, aber es | |
war komisches Lachen. | |
Ja fein, ein durchwachsenes Lachen. | |
Warum ist das fein? | |
Für mich ist Lachen seitenverkehrtes Weinen. Lachen ist Emotion, und ein | |
Mensch geht auf die Bühne, um Emotionen zu erzeugen. Für einen | |
Kabarettisten geht die Emotion meistens in Richtung Lachen, aber ich | |
akzeptieren, dass das sehr oft eine Abwehr ist, und ich akzeptiere auch | |
Weinen. | |
Ist das Komische am Kabarett, dass gelacht wird, obwohl es nicht zum Lachen | |
ist? | |
Komisch, hat Erich Kästner gesagt, ist immer der Kontrast. Wird man auf den | |
aufmerksam gemacht, entsteht Lachen. | |
Ein Beispiel? | |
Wenn ich jetzt beginnen würde, „E lucevan le stelle“ zu singen, dann würd… | |
Sie lachen. Sehen Sie, Sie lachen schon. Ist ganz einfach. Ich singe ganz | |
laut, dass die Leute zusammenlaufen. | |
Sie wären in der Lage dazu? | |
Selbstverständlich. | |
Tun Sie es? | |
Nein. Sie haben schon gelacht. | |
Ein russischer Clown habe einmal zu Ihnen gesagt, Sie hätten die Augen | |
eines Komikers. | |
Der ging an mir vorbei, guckt mich an, sagt: Komiker. Damals habe ich noch | |
gar nicht daran gedacht, Kabarettist zu werden. Auf mein fragendes Gesicht | |
hat er gesagt: Augen. | |
Blau sind sie. | |
Blaugrün. | |
Und etwas klein vielleicht für Ihren großen Körper. | |
In schlechten Romanen werden Menschen manchmal so beschrieben: Seine Augen | |
wurden schmal. Ich gucke auf die Welt mit schmalen Augen, weil das den | |
Blick schärft. Aufgerissene Augen lassen alles herein. Schmale Augen | |
selektieren, fokussieren. | |
Hatte der Clown recht, als er Sie einen Komiker nannte? | |
Ja freilich. Er hat eine tiefe Sehnsucht in mir angesprochen. | |
Wann haben Sie diese Sehnsucht rausgelassen? | |
Es ist mir passiert. Wissen Sie, damals habe ich geschrieben. Meine erste | |
Publikation waren Aphorismen und Epigramme. Da waren viele Lacher dabei. | |
Daraufhin sagte ein Kollege in Salzburg: Lass uns doch einen Abend machen | |
gegen die Festspiel-, die Hochkultur. Ich: Ja, machen wir. Und er: Sollen | |
wir nicht auch ein paar Dialoge machen? Ich: Bitte, machen wir Dialoge. Er | |
wieder: Wollen wir nicht noch was singen? Sag ich: Kannst du das? Ich kann | |
es. Ich war ja Barsänger als Student. Er: Ich hab im Kirchenchor gesungen. | |
Ich: Gut, dann kannst du das auch. Damit haben wir einen | |
semiprofessionellen Abend bestückt. Danach kamen Leute auf mich zu, | |
Branchenleute, Spitzenleute, und meinten: Das ist dein Weg. Ich war fast zu | |
versnobt, es zu glauben, weil ich mich damals noch für einen großen Dichter | |
hielt. | |
Kabarett ist eher Gebrauchslyrik, Wegwerflyrik? | |
Etwa so. Aber dann passierte etwas Unglaubliches: Mein Freund, der | |
Schauspieler Kurt Weinzierl, war mit Dieter Hildebrandt auf Theatertournee. | |
Hildebrandt hatte sich vom Kabarett verabschiedet mit der Hintertür, wenn | |
er doch wieder welches macht, dann mit einem schreibenden Partner. Da hat | |
der Weinzierl gesagt: Den kenn ich. | |
So sind Sie mit Hildebrandt zusammengekommen? | |
Ja. Wir haben uns 1973 kennengelernt, und 74 war Premiere. | |
Was unterscheidet Sie von Hildebrandt? | |
Alles, außer dem Humanismus und dem politischen Verstand. Die Begegnungen | |
mit ihm und die Arbeit mit ihm nehmen einen unglaublichen Raum meines | |
Lebens ein. Auch nach seinem Tod. Die Zeit mit ihm war so prägend. | |
War er Ihr Lehrer. | |
Lehrer sind an mir immer gescheitert. Er war Partner. Wenn zwei Leute am | |
Trapez turnen und der eine greift nicht hin, liegt der andere unten. | |
Vertrauen und Harmonie? | |
Ja. | |
Wie passt das zu Ihrem weiteren Faible: dem Boxen? Da ist nicht Vertrauen, | |
da ist Kampf. | |
Das ist eine Verabredung zum Kampf. Warum sie das tun, ist schwer | |
erklärbar. | |
Sie waren Sparringpartner, Boxringrichter, Kommentator für Boxkämpfe. Woher | |
diese Faszination? | |
Ich bin auch Schachspieler. Das amerikanische Schachgenie Bobby Fischer | |
wurde mal nach dem Sinn des Schachspiels gefragt. To destroy a man’s ego, | |
antwortete der. | |
Man nennt Sie trotz allem, was Sie machten, Kabarettist – und lässt so ganz | |
viel weg. | |
Ja, ich habe auch Bücher geschrieben, die das Feuilleton übersehen hat. | |
Und Sie sind ein Räsonierer, Mahner, Ästhet, Charmeur. | |
Das hat unter dem Etikett Kabarettist alles Platz. Es ist ja kein | |
geschütztes Etikett. Selbst eindimensionale Vollidioten können sich | |
Kabarettist nennen. | |
Aber vor allem sind Kabarettisten Kassandras. | |
Ein Satiriker – ein Kabarettist ist ein szenischer Satiriker – rechnet die | |
Zukunft negativ hoch und hofft, dass er nicht recht hat. Die Kassandra will | |
dagegen Recht haben. Die fühlt sich blamiert, wenn sie nicht Recht hat. Der | |
Kabarettist hofft insgeheim, dass die negative Konsequenz, die er sieht, | |
nicht passiert. | |
Ist das dann noch authentisch, wenn pro forma Warnungen ausgesprochen | |
werden? | |
Was heißt denn pro forma, wenn ich sage, in der Hoffnung, dass es nicht | |
passiert? Wenn der Kabarettist das Publikum agitiert und das Publikum dann | |
sagt: Dem Trottel werden wir es zeigen, wir sind doch nicht so blöde, dass | |
wir unseren Untergang bis zum Schluss durchziehen. Das ist doch was. | |
Was? | |
Eine Aufhellung im Hirn. | |
Sie waren ein Leben lang Satiriker, haben Sie etwas erreicht? | |
Nichts. Natürlich nichts. Das ist ja nicht Sinn der Sache. Etwas erreichen | |
zu wollen ist eine Anmaßung. | |
Sie sagten doch eben, Sie wollen eine Aufhellung im Hirn. | |
Das aufgehellte Hirn sagt nicht, dass es etwas in meinem Sinne macht. Aber | |
eine Aufhellung im Hirn zwingt zu klarerem Denken, damit verbindet sich die | |
Hoffnung, dass dieses Kratzen der Laus an der Mauer einen Beitrag zur | |
Evolution bewirkt. Eines muss klar sein, und das ist jetzt eine ganz | |
private Philosophie: Man muss vor sich sagen können: Ich begreife, dass ich | |
lebe. Ich begreife nur, dass ich lebe, wenn ich etwas nach meinem | |
Verständnis zur Verbesserung der Spezies Mensch beitragen kann. Alles | |
andere wäre für mich sinnlos. | |
Wie kommt es, dass etliche Leute diese Haltung nicht haben? | |
Wie soll ich anders antworten als präpotent? Es gibt eben unglaublich viele | |
Idioten auf der Welt. Und es gibt gesellschaftsspezifische Entwicklungen, | |
wo junge Leute hineingetrieben werden in ein Karrieredenken, | |
Shareholder-Value-Denken. Ich komme aus einem mittelbürgerlichen Haus, das | |
auf großbürgerlich machte, und habe mit meiner Mutter immer große | |
Schwierigkeiten gehabt. Wie ich begonnen habe, alt zu sein, was auch schon | |
eine Weile her ist, und mit ihr so ein Bilanzgespräch führte, sagte ich: | |
Ach Mutti, wenn es nach dir gegangen wäre, wäre ich jetzt Oberregierungsrat | |
einer Landesregierung. Sie schrie schrill auf: Hofrat wärst du, Hofrat. | |
Was macht es mit einem, wenn man gegen zugeschriebene Rollen rebelliert? | |
Man wird verändert. | |
Also diese Frage mit der Kassandra hat vorher nicht funktioniert, weil Sie | |
sagen, sie bringt nicht zum Lachen, da sie nicht im Kontrast denkt, sondern | |
eindimensional. | |
Man kann eine Kassandra aber auslachen – auch eine Form des Lachens. | |
Wie ist es für Sie, mit einer Frau, einer Kassandra, verglichen zu werden? | |
Ich finde den Vergleich unzulässig. Mich mit einer Frau zu vergleichen ist | |
schon wegen der Körperlichkeit hinfällig. | |
Die Frage zielt auf etwas anderes. Ihr neues Buch, „Gespräche unter zwei | |
Augen“, in dem Sie sich selbst interviewen, hat ein dreiseitiges | |
Personenverzeichnis. Unter den 50 Welterklärern auf der ersten Seite taucht | |
eine einzige Frau auf – ihre böhmische Großmutter. Nur ansatzweise besser | |
wird es auf den zwei folgenden Seiten. Da stellt sich die Frage: Können nur | |
Männer die Welt erklären? | |
Meine Großmutter hat nicht die Welt erklärt, sie hat fantastisch gekocht | |
und sich um mich gekümmert, liebevoll, still, dienend, nämlich meinen | |
Eltern dienend. Der Vorwurf steht im Raum, dass meine Eltern meine | |
Großmutter gehalten haben wie eine Magd. Ganz wesentlichen Raum in dem Buch | |
nimmt aber meine erste Frau ein, mit der ich 46 Jahre zusammen war. Die | |
nenne ich nicht mit Namen, die steht nicht im Register. Ilse Schneyder | |
steht nicht im Register, glauben Sie mir. Ich möchte Ihnen über meine | |
Beziehungen zu Frauen etwas Entscheidendes sagen: Als Kabarettist wird man | |
oft gefragt, warum gibt es so wenig Frauen im Kabarett. Dann antworte ich, | |
dass ich das nicht wisse, nicht dafür verantwortlich bin und es bedauere. | |
Es gibt ja gute Kabarettistinnen. Ich habe viel Freude gehabt, dass ich | |
spät die unglaublich gute Hannelore Kaub kennengelernt habe, Frontfrau des | |
linken Kabaretts. Noch dazu eine schöne Frau. | |
Ah. | |
Das ist ganz bemerkenswert, sie war keine Verhärmte, Verbitterte. | |
Nun wollen Sie die Bühne für immer verlassen. | |
Von Wollen ist keine Rede, ich muss. | |
Warum? | |
Weil ich alt bin. Es ist doch so, da spielt Eitelkeit auch eine Rolle. Das | |
Publikum hat von mir ein Bild, und ich möchte das nicht verändern. Ich | |
möchte nicht als großer alter Mann da oben auf der Bühne sitzen. | |
Im Abschiedsprogramm ging es ziemlich viel um das, was war, und um das, was | |
nicht mehr kommen wird. Haben Sie das Gefühl, bald zu sterben? | |
Ich zitiere aus meinem neuen Buch: Man kann nicht früh genug mit dem | |
Sterben beginnen, dann hat man mehr davon. | |
Angst? | |
Mir macht nichts Angst. Oder doch: Angst macht mir jede Wahl. Angst macht | |
mir der Blick auf die Weltlage. | |
Sie sind 1937 in Graz geboren. Da war die Welt auch nicht gerade in | |
Ordnung. | |
Für mich als Kind war die Welt noch in Ordnung, für die Erwachsenen nur | |
unter der Voraussetzung, dass sie Nazis waren oder wurden. Ich habe erst | |
als Siebenjähriger erfahren, dass ich kein Deutscher bin. | |
Glauben Sie, die Zeit, in die Sie hineingeboren sind, hat Ihnen das | |
Werkzeug gegeben, die Welt infragestellen zu können? | |
Da haben Sie vollkommen Recht. Eines meiner prägendsten Erlebnisse war am | |
Millstädter See, wo wir evakuiert waren, und es hieß: In zwei Tagen kommen | |
die Engländer. Da hat meine Großmutter die Hitlerfahne zertrennt und daraus | |
die rotweißrote Fahne gemacht. Aber da, wo vorher das Hitlerkreuz war, war | |
die Farbe nicht ausgebleicht. Man hat es noch erkannt – | |
verräterischerweise. | |
Stellte es sich nach dem Krieg als Chance heraus, in diese Zeit geboren zu | |
sein? Alles stand Ihnen offen. Sie konnten alles werden. | |
Die Leute reden immer von der unglaublich dynamischen Zeit des | |
Wirtschaftsaufschwungs. Aber um diesen Aufschwung erleben zu können, musste | |
man vorher alles niederbomben. Ich meine, die Katastrophe, um dann nur eine | |
heilsame Zeit zu erleben, das ist Zynismus, wenn man sich das wünscht. | |
Es geht nicht um Wünschen. Sie konnten die Situation positiv für Ihre | |
Entwicklung nutzen. | |
Selbstverständlich. Jede Generation lebt im Rahmen ihrer Koordinaten. Was | |
das bedeutet, weiß man mitunter erst später. Wenn die jungen Leute heute | |
nicht mehr begreifen, dass es eine Zeit geben könnte, wo man nicht in ein | |
Geschäft gehen und sich kaufen kann, wonach einem gerade der Sinn steht, | |
wissen wir noch nicht, was das mit ihnen macht. | |
In Ihrem Programm haben Sie deutlich gemacht, was am Ende zählt: die | |
Momente von Glück. Und die Liebe. Wie viele große Lieben hatten Sie? | |
Viele, weil ich unter Liebe soviel subsumiere. Nicht nur die Liebe unter | |
Menschen, auch Menschen verschiedenen Geschlechts, sondern die Liebe zum | |
Leben. | |
Unendlich viele klingt überfordernd. | |
Ich darf mich zitieren: Das Morgenlicht am Wörthersee, der Fußballplatz des | |
KAC, der Karpfen, wann er im Schweinefett paniert ist, das Kaffeehaus, das | |
Schach, das Zirkuszelt und und und – das ist einfach Liebe in einer sehr | |
komplexen Auffassung. | |
Haben Sie sich nach dem Auftritt wirklich von allen im Berliner Ensemble | |
verabschiedet. Den Bühnenarbeitern, den Beleuchtern, der Inspizientin? | |
Ja. | |
Wie ist das? | |
Das weiß ich noch nicht, ich bin ja noch nicht zu Hause. | |
Wird es, wie schon einmal, ein Comeback geben? | |
Nein. Ein Wortbruch im Leben genügt. | |
9 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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