# taz.de -- Nachruf Werner Schneyder: Universaldilettant und Spötter | |
> Niemand war vor ihm sicher. Die Provokation war sein Fach. Er brillierte | |
> als Autor und Sportreporter. Jetzt starb Schneyder im Alter von 82 | |
> Jahren. | |
Bild: Werner Schneyder | |
„Früher haben wir nach so einem Abend gesagt: Wo gemma noch hin? Heut sag' | |
ma: Wer tragt uns heim?“ Auch für den eigenen körperlichen Verfall hatte | |
Werner Schneyder noch ein Bonmot auf Lager. So vor wenigen Tagen zum 80. | |
Geburtstag der Bühnenikone Erika Pluhar. Jetzt ist er wenige Wochen nach | |
seinem 82. Geburtstag von uns gegangen. Sein plötzlicher Tod habe eine | |
„Lücke gerissen“, klagen auch jene, die vor seinem Spott nicht sicher | |
waren. Und das sind viele. | |
1937 in Graz geboren und in Kärnten aufgewachsen, hat sich Schneyder zeit | |
seines Lebens der klaren Einordnung entzogen. Der promovierte | |
Zeitungswissenschaftler und studierte Kunsthistoriker hat sich selbst | |
einmal als „Universaldilettanten“ bezeichnet – eine Tiefstapelei, die sich | |
nur leisten kann, wer seiner selbst gewiss ist. Denn der mit | |
Mehrfachbegabung ausgestattete Kabarettist hielt sich mit Sicherheit für | |
ein Universalgenie. | |
Als er 2017 am Tag der Deutschen Einheit im Palais Liechtenstein auftrat, | |
war er nicht in erster Linie auf Lacher aus. Vielmehr ließ er die Festgäste | |
an seinen visionären Einschätzungen teilhaben, die vor Jahren schon die | |
politische Entwicklung Europas vorausgesagt hatten. Seine größte Stärke sei | |
Bescheidenheit, behauptete der begnadete Selbstdarsteller. | |
Und seine größte Schwäche?: „Bescheidenheit“. Ein Widerspruch, den der | |
österreichische Schauspieler Felix Dworak treffend auflöste: „Er ist so | |
klug – und er weiß es.“ Kein Wunder, dass seine 2016 erschienene | |
Autobiografie „Gespräch unter zwei Augen“ trägt. | |
## Begeisterung für Sportberichterstattung | |
Als Werbetexter übte er sich nach der Uni bereits in verführerischen | |
Formulierungen, dann heuerte er 1962 als Dramaturg an den Landestheatern | |
Salzburg und Linz an und versuchte sich auch schon als Stückeschreiber. Dem | |
deutschen Publikum ist Schneyder seit den 1970er Jahren ein Begriff, als er | |
im Gespann mit Dieter Hildebrandt (2013 gestorben) als Lach- und | |
Schießgesellschaft durch die Kabaretts und die Fernsehshows tingelte und | |
dabei allen politischen Akteuren schonungslos seine Meinung geigte. Jeder | |
Punch muss sitzen. Das hatte der Autor und Kabarettist, Schauspieler, | |
Regisseur und Drehbuchautor wohl beim Boxen gelernt, das er in seiner | |
Jugend aktiv und später als Ringrichter betrieb. | |
Dass er vom Sport etwas versteht, ließ er die Fernsehzuseher als | |
Kommentator von Boxkämpfen wissen. Bei den Olympischen Spielen von Los | |
Angeles, Seoul und Barcelona war er für das ZDF vor Ort. | |
Als geistiger Ziehvater betrachtete Schneyder niemand Geringeren als Kurt | |
Tucholsky: „Ihr Werk hat zehn Bände, die les‘ ich zu Ende.“ Seine | |
politische Heimat suchte er irgendwo links von der Sozialdemokratie. Einer | |
seiner Lieblingsfeinde war Jörg Haider, den er einmal als „Politstricher“ | |
bezeichnete. „Er hat das nie klagen lassen, auch nicht den Marktlückennazi. | |
Seine Anwälte haben ihm wohl abgeraten“, [1][so Schneyder später in der | |
Zeit]. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hielt er im [2][Interview | |
mit der dpa] für „einen geschickten Vorzugsschüler, dessen Glanz verblassen | |
wird. Er möchte wie ein Streber in allen Themen sehr gut sein. Solche | |
Menschen sind mir verdächtig.“ | |
## Mit Ehrungen überhäuft | |
Wer Schneyder aber als „linkslinken Nestbeschmutzer“ abtut, der hat ihn | |
nicht verstanden. Seine Meinung über einschlägige Provokateure ist dafür | |
Beweis: „Die positive Einschätzung von Thomas Bernhard ist ein | |
literarischer Irrtum, der auf einer gewissen Magie des Faschistoiden | |
beruht. Elfriede Jelinek ist eine Autorin ohne Formgefühl, ohne Gefühl für | |
Dimensionen und Strukturen. Und André Heller ist ein virtuoser Blender.“ | |
Die Genannten werden es ihm verzeihen. „Satire ist nicht der Feind der | |
heilen Welt, sondern die Forderung danach“, hat Schneyder einmal gesagt, | |
der in seinen späteren Jahren mit Ehrungen überhäuft wurde. Darunter das | |
Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, der | |
Deutsche Kleinkunstpreis und der Salzburger Stier. In der Mainzer | |
Innenstadt ist er mit einem „Stern der Satire“ verewigt. | |
Werner Schneyder wurde am Samstag von einem plötzlichen Herzversagen | |
dahingerafft. | |
4 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/2018/41/werner-schneyder-satire-rechtspopulismus-joerg-… | |
[2] https://www.kleinezeitung.at/kultur/buehne/5138031/Jubilar_Werner-Schneyder… | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
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