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# taz.de -- Hurrikan Harvey in Texas: Wieviel Erderwärmung steckt drin?
> Die Zerstörungen in Houston sind nicht normal. Trump spricht nicht von
> „Klimawandel“. Unter Wissenschaftlern geht die Debatte weiter.
Bild: Eine Flutfabrik: Die Bewohner Houstons flüchten auf Rettungsbooten aus �…
Berlin taz | Der offizielle „Klimatologe für den Staat von Texas“ sah das
Unheil kommen. Weil er wusste, dass es am Wochenende „Probleme geben
würde“, schreibt John Nielsen-Gammon, Professor für Atmosphärenwissenschaft
an der Universität Texas A&M, in einer E-Mail an die taz, „bin ich schon am
Mittwoch zum Golfspielen gegangen“.
Inzwischen haben sich in Texas, das seit Jahrzehnten mit der Dürre kämpft,
die Probleme mit dem Tropensturm „Harvey“ zu einer der größten
Naturkatastrophen in der Geschichte der USA ausgewachsen: Die Region um
Houston steht unter Wasser, tausende Bewohner haben ihre Häuser und ihren
Besitz verloren.
Auch wenn US-Präsident Donald Trump und die Offiziellen in Texas und
Washington den Begriff „Klimawandel“ nicht in den Mund nehmen, diskutieren
Fachleute und Wissenschaftler ernsthaft darüber, wie viel Erwärmung in der
„Harvey“-Katastrophe steckt. Sicher sind sich fast alle über die einfachen
physikalischen Regeln: Je wärmer die Atmosphäre und das Wasser im Ozean,
desto mehr Feuchtigkeit gelangt in die Luft.
Das Wasser im Golf von Mexiko war in diesem Jahr 1,5 bis 4 Grad wärmer als
gewöhnlich und lag damit im Trend des wärmeren Klimas. „Ich habe errechnet,
dass in den letzten 100 Jahren in Texas die Stärke von extremen
Regenfällen um 7 Prozent gestiegen ist“, meint Nielsen-Gammon. Sein Kollege
Kevin Trenberth, Hurrikan-Spezialist beim US Zentrum für
Atmosphärenforschung, schätzt, dass „etwa 30 Prozent der Regenmassen durch
menschlichen Einfluss zustande gekommen sind“.
## Richtung Küste immer stärker
Was Trenberth ebenfalls beunruhigt: Alle Klimamodelle sagen voraus, dass
Hurrikane mit fortschreitendem Klimawandel nicht häufiger, aber stärker
werden. Aus dem extrem warmen Wasser des Golfs saugen sie Feuchtigkeit und
ihre zerstörerische Kraft – doch wenn sie sich der Küste nähern, schwächen
sie sich ab. Der Grund: Wenn der Wind das flachere Meer aufpeitscht, zieht
er aus tieferen Schichten auch kaltes Wasser, das seine Wut bremst.
Nicht so „Harvey“: Der wurde Richtung Küste immer stärker. Für Trenberth
ein Zeichen dafür, dass das Wasser auch in tieferen Schichten zu warm ist.
Da rächt es sich, dass die Ozeane bislang einen großen Teil der
Wärmeenergie schlucken, die über die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in
die Luft gelangt.
Und auch die andere Besonderheit von „Harvey“ ist für Wissenschaftler mit
dem Klimawandel verbunden: Das Tiefdruckgebiet mit den Regenmassen hat sich
lange praktisch nicht bewegt, sondern sein Regenfracht an einer Stelle
abgeladen. Das könnte mit einer Veränderung des „Jetstreams“
zusammenhängen, so Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für
Klimafolgenforschung (PIK). Diese Luftströmung rund um den Nordpol schwächt
sich mit dem Abtauen der Arktis ab – Wetterlagen bleiben länger über einer
Region hängen als früher.
Zwei Wochen, bevor „Harvey“ auf Land traf, habe es über Texas eine solche
Wetterlage gegeben, die „die Rotation von ,Harvey' verstärkt haben könnte
und dazu beiträgt, dass ,Harvey‘ sich tagelang kaum voranbewegt“, so
Rahmstorf. Auch die zerstörerischen Starkregen in diesem Sommer in
Deutschland, etwa in Berlin, oder die tödliche Hitzewelle in Russland 2010
werden mit einer Schwächung des Jetstreams in Verbindung gebracht.
## Metropolregion als Flutfabrik
Zu alledem kommt: Die Helfer sind überrascht und überfordert, es gibt zu
wenig Boote und Aufnahmeplätze, das Wetter verhindert großflächigen Einsatz
etwa von Helikoptern. Eine Region mit sechs Millionen Menschen ist nicht zu
evakuieren, wenn man nicht riskieren will, Tausende auf verstopften
Highways in ihren Autos in die Falle fahren zu lassen; betroffen sind vor
allem arme Menschen, nur 15 Prozent der Häuser sind versichert.
Die wilde Urbanisierung rund um das autogerechte Houston trug dazu bei,
dass der Regen zur Katastrophe wurde, schreibt der Meteorologe Eric
Holthaus im Magazin Politico: Weil Flüsse begradigt wurden und überall der
Boden durch Straßen und Shopping Malls versiegelt wurde, geriet „die
Metropolenregion zu einer Flutfabrik“. Sein Fazit: „So sieht der
Klimawandel aus, in einer Welt, die wieder und wieder beschlossen hat, den
Klimawandel nicht ernst zu nehmen.“
Ein Umdenken der Trump-Regierung in Sachen Klimaschutz ist auch im
Angesicht von „Harvey“, der ausgerechnet das US-Zentrum der Öl- und
Gasindustrie lahmgelegt hat, kaum zu erwarten. Die Leugner des Klimawandels
haben sich auch von den Sturmkatastrophen „Katrina“ 2005 in New Orleans und
„Sandy“ 2012 in New York nicht überzeugen lassen.
30 Aug 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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