| # taz.de -- Kommentar Journalisten beim G20: Einmal auffällig, immer auf der L… | |
| > Wer der Polizei einmal auffällt, kann dauerhaft in einer Datenbank | |
| > landen. Dafür reichen Nichtigkeiten. Das wird jetzt endlich | |
| > skandalisiert. | |
| Bild: Beim G20 legte das Bundespresseamt manchen Journalisten Steine in den Weg | |
| Berlin taz | Danke, Steffen Seibert. An einem Tag wie heute müssen wir das | |
| auch einmal sagen. Der Chef des Bundespresseamtes war dafür verantwortlich, | |
| dass seine Behörde während des G20-Gipfels unbescholtenen Journalisten die | |
| Akkreditierungen klaute. Damit hat er es geschafft, dass das Land endlich | |
| über die willkürliche Speicherpraxis der Polizeibehörden spricht – und dass | |
| die Bundesregierung diese Praxis möglicherweise entschärfen wird. | |
| „Bei der Datenqualität gibt es Handlungsbedarf“, gestand ein Sprecher des | |
| Innenministeriums am Mittwoch. Viel zu spät, aber immerhin. Anlass für den | |
| Sinneswandel ist die [1][Berichterstattung der ARD über den | |
| Fotojournalisten Björn Kietzmann], der beim G20-Gipfel zu den Ausgesperrten | |
| gehörte und jetzt, knapp zwei Monate später, den Grund erfuhr. | |
| Das Bundeskriminalamt hat dem 37-Jährigen mitgeteilt, dass es 18 Einträge | |
| über ihn gespeichert habe. In einem Fall geht es um einen Verstoß gegen das | |
| Versammlungsgesetz, für den Kietzmann nach ARD-Angaben 2003 zu einer | |
| Geldstrafe von 320 Euro verurteilt wurde. Alle anderen Einträge sind ohne | |
| Richterspruch zustande gekommen. Einmal explodierte zum Beispiel während | |
| einer Demo, von der er berichtete, ein Feuerwerkskörper. Kietzmann hatte | |
| nichts damit zu tun, die Polizei kontrollierte ihn trotzdem, und schon | |
| hatte der Fotograf wegen „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ den | |
| nächsten Eintrag. Fast wie Zauberei. | |
| Der Fall lenkt die Aufmerksamkeit auf ein perfides Datensystem: Wer der | |
| Polizei auch nur einmal auffällt, bei einer Demonstration, in der Fankurve | |
| oder beim Taubenfüttern im Park, kann schon in den Datenbanken der Behörden | |
| landen. Ob ein Ermittlungsverfahren folgt oder nicht, ob der Fall vor | |
| Gericht kommt oder nicht, ob es einen Freispruch gibt oder nicht – der | |
| Eintrag bleibt. Die Betroffenen erfahren davon im Normalfall nichts. Wehren | |
| können sie sich in vielen Fällen auch nicht. Der Rechtsstaat betreibt hier | |
| ein Instrument, das mit dem Rechtsstaat nichts zu tun hat. | |
| ## Hoffnung auf eine Reform | |
| Neu ist das nicht. Immer wieder ploppt das Thema für ein paar Tage in den | |
| Medien auf, regelmäßig fordern Datenschützer Änderungen, hin und wieder | |
| streichen die Behörden auf die Kritik hin hier und da einen Eintrag. | |
| Nachhaltig war bisher aber alles nicht, was damit zu tun haben könnte, dass | |
| die Betroffenen häufig im Zusammenhang mit linken Demos, rechten Demos oder | |
| Fußballspielen in die Datenbank gerieten – also den polizeilich gewünschten | |
| Anschein erwecken, so oder so nicht ganz sauber zu sein. | |
| Diesmal schlägt das Thema aber stärker ein als je zuvor. Diesmal gibt es | |
| Hoffnung auf eine ernst zu nehmende Reform. Das liegt zum einen an den | |
| ausdauernden Recherchen des ARD-Journalisten Arnd Henze, der in dieser | |
| Sache Hartnäckigkeit und Reichweite miteinander vereint. Das liegt zum | |
| anderen am Charakter des Großereignisses G20-Gipfel, bei dem Tausende | |
| Journalisten Zeugen des Akkreditierungsentzugs wurden. Und das liegt nicht | |
| zuletzt eben auch an Steffen Seibert, dem Chef des Bundespresseamtes. | |
| Er ließ es zu, dass seine Behörde auf Wunsch des Bundeskriminalamts und | |
| ohne vernünftige eigene Prüfung Dutzenden Journalisten den Zugang zur | |
| Konferenz verweigerte. Und das, obwohl er als ehemaliger Journalist von der | |
| Bedeutung des Begriffs „Pressefreiheit“ schon mal gehört haben sollte. Er | |
| lieferte den Anlass für die Recherchen der ARD. Dafür, lieber | |
| Regierungssprecher: Vielen Dank. | |
| Offenlegung: Die Polizei führte zumindest in der Vergangenheit den Autor | |
| dieses Textes in der Datei „Politisch motivierte Kriminalität – links“. | |
| Während des G20-Gipfels war er im Urlaub. | |
| 30 Aug 2017 | |
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| [1] https://www.tagesschau.de/inland/gzwanzig-datenschuetzer-101.html | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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