# taz.de -- Uganda fürchtet um seinen Mobilfunk: Ein Mord und seine Folgen | |
> Vom Polizeiskandal zum Technikskandal: Warum Millionen Ugander fürchten, | |
> dass sie demnächst zwangsweise ihren Handy-Anschluss verlieren. | |
Bild: Schon wieder so eine blöde SMS: Handynutzerin in Uganda | |
Kampala taz | Die Uhr tickt. Jeden Tag gibt es Erinnerungs-SMS an Ugandas | |
Mobilfunknutzer. Ende August läuft die Deadline aus: Bis dahin müssen alle | |
Handynutzer ihre SIM-Karten neu registriert haben: mit Personalausweis und | |
Foto. Sonst wird der Anschluss deaktiviert und die Handynummer | |
abgeschaltet. | |
Dreimal wurde die Frist bislang verlängert. Zuletzt nach hitzigen Debatten | |
im Parlament. Denn im Mai waren Millionen Handynutzer tagelang vom Netz | |
getrennt, Bankautomaten und das mobile Geldtransfersystem waren plötzlich | |
offline. Die Frist wurde also bis Ende August ausgeweitet. Jetzt versucht | |
es Ugandas Kommunikationsbehörde erneut. | |
Wozu das alles? Ursprüngicher Grund war der mysteriöse Mord an Ugandas | |
Vizepolizeichef Andrew Kaweesi im März. Über 100 Kugeln aus einem | |
halbautomatischen Maschinengewehr durchsiebten seinen Geländewagen, als der | |
berühmte Polizeibrigadier seine Villa verließ. Sein Fahrer und sein | |
Leibwächter starben ebenfalls im Kugelhagel. | |
Ganz Uganda stand unter Schock. Geschäfte schlossen tagelang, kaum jemand | |
wagte sich auf die Straße. Ältere Ugander fühlten sich an die | |
Terrorherrschaft von Idi Amin in den 1970er Jahren erinnert. Denn dieser | |
Mord, vermuteten viele, sei von Rivalen im eigenen System in Auftrag | |
gegeben worden. | |
Polizeichef Kale Kayihura bestätigte vor laufenden Kameras: „Es gibt eine | |
Mafia in unseren Staatsorganen, die ehrenwerte Regierungsmitglieder | |
ermordet – die Ugander sollen sich fürchten“, warnte er. Die Mafia habe | |
Beziehungen bis nach ganz oben. | |
## Nato-Draht und festgenommene Kinder | |
Seitdem sind die Leute restlos verunsichert. Landauf und landab diskutiert | |
man über Sicherheit, kauft neue Vorhängeschlösser, spannt Nato-Draht auf | |
Grundstücksmauern. Wer es sich leisten kann, heuert fürs Eigenheim eine | |
Sicherheitsfirma an. | |
Während die Polizei auf der Suche nach Kaweesis Mördern wahllos Männer, | |
Frauen und sogar Kinder festnahm, kündigte die Regierung harte Maßnahmen | |
an: Überwachungskameras in den Straßen, Telefone abhören – und eben mobile | |
Geldtransfers prüfen. Innerhalb von einer Woche sollten alle Handynutzer | |
ihre SIM-Karten neu anmelden. „Mobiltelefone sind Waffen, wenn sie in die | |
Hände von Kriminellen gelangen“, so Polizeichef Kayihura. | |
Also standen Millionen Ugander tagelang an Telefonshops Schlange, um ihre | |
Personalausweise vorzulegen. Zusätzliche Registrierungsstellen wurden | |
eröffnet, sogar am Straßenrand oder an Tankstellen. | |
Es gab lange Schlangen, Schlägereien. Umso näher die Deadline rückte, umso | |
mehr Ugander bekamen Panik, offline gezwungen zu werden. In Uganda gibt es | |
kein Festnetz, sämtliche WLAN-Router sind ebenfalls mit SIM-Karten | |
bestückt. | |
## Ausweise sind Pflicht, aber wer hat sowas schon? | |
Der Haken: Um die SIM-Karte zu registrieren, muss man einen Personalausweis | |
oder Reisepass vorlegen. Doch die meisten Ugander haben so etwas nicht. | |
Seit knapp fünf Jahren bemüht sich Ugandas Innenministerium, alle seine | |
rund 40 Millionen Einwohner mit biometrischen Ausweisen auszurüsten, | |
selbst Kinder. Doch mehrfach wurde dieses gigantische Projekt korrumpiert: | |
Zuerst von der deutschen Firma Mühlbauer, dann von Ugandas Armee. 2016 | |
schloss die Regierung einen Vertrag mit der deutschen Firma Veridos ab. | |
Doch noch sind nicht alle deutschen Maschinen installiert, die Anträge | |
stapeln sich in der zuständigen Behörde meterhoch. | |
Viele Ugander warten Wochen, wenn nicht Monate, manche schon seit | |
vergangenem Jahr. Und ohne Ausweis lässt sich die SIM-Karte nicht | |
verifizieren. | |
So droht nun Millionen Ugandern, sobald die jüngste Deadline nächste Woche | |
wirklich ausläuft, bei jeder Handynutzung die Nachricht: Kein Anschluss | |
unter dieser Nummer. | |
Währenddessen ist Ugandas Polizei bei der Aufklärung des Mordes an ihrem | |
zweithöchsten Chef keinen Schritt weiter. Im Gegenteil: Vorvergangenes | |
Wochenende marschierten Unbekannte in Ugandas Polizeihauptquartier und | |
räumten das Waffenarsenal leer. Statt Handys nutzen die Verbrecher nämlich | |
lieber richtige Waffen. | |
29 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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