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# taz.de -- Bargeldlos und sicher zahlen in Kenia: Das Land der Handy-Nerds
> Beim Bezahlen per Handy liegt Kenia vorn. Dort gibt es keine
> Warteschlangen vor Bankfilialen, auch Taschendiebe haben es schwer – dank
> „M-Pesa“.
Bild: Es gibt in Kenia inzwischen mehr Handys als Wasserhähne.
NAIROBI taz | Kenianer brauchen kein Portemonnaie und auch keine
Kreditkarte in der Tasche, wenn sie zum Einkaufen gehen. Sie benutzen
einfach ihr Telefon.
In Kenia ist der bargeldlose Zahlungsverkehr überall üblich, am
Gemüsestand, im Taxi und beim Buchen eines Flugtickets. Beinahe acht Jahre
lang gibt es diese Art der Zahlung schon in Kenia, und immer mehr Länder in
Afrika, Asien und Europa folgen diesem Beispiel.
„Wir haben das Handy nicht erfunden, aber wir haben die Möglichkeiten, die
das Mobiltelefon bietet, stark erweitert“, sagt Ralph Ofuye, ein
IT-Experte. Viele Kenianer seien Stolz auf M-Pesa. Das „M“ steht für
„mobil“ und „Pesa“ ist Suaheli und bedeutet „Geld“. Entwickelt hat …
System Safaricom, die größte Telefongesellschaft im Land. Kleinere
Telefonbetriebe in Kenia haben das mobile Zahlungssystem mittlerweile
kopiert. Deshalb gibt es jetzt auch Airtel oder Orange Money, aber das
gängige Wort für mobiles Bezahlen ist „M-Pesa“ – so wie „Tempo“ heu…
allgemein für Papiertaschentücher steht.
„M-Pesa wurde aus der Not heraus geboren“, erklärt Ofuye. „Die lokalen
Gegebenheiten brachten die Entwickler auf die Idee.“ Vor der Einführung von
M-Pesa bildeten sich oft Dutzende Meter lange Schlangen vor den Filialen
der Banken sowie bei den Elektrizitäts- und Wasserbetrieben. Mehrere
Stunden dauerte es, um eine Rechnung zu bezahlen. Wichtiger aber noch waren
die mehreren hunderttausend Arbeitsmigranten, die ihren Familien Geld nach
Hause schickten – per Überweisung, für die teure Gebühren anfielen. Von der
oft ohnehin schon mageren Überweisung blieb nur wenig übrig. M-Pesa hat
dieses System revolutioniert.
## Drei Viertel der Kenianer haben ein Handy
Weil das mobile Zahlungssystem in kurzer Zeit viele neuen Kunden gewinnen
konnte, reduzierten sich die Kosten schnell. Hatte eine Überweisung anfangs
noch 50 kenianische Schilling (50 Cent) gekostet, ist sie heute für 10
kenianische Schilling (10 Cent) zu haben. Eine Studie der Universität
Edinburgh zeigt, dass das Einkommen einer kenianischen Familie auf dem
Lande zwischen 5 und 30 Prozent gestiegen ist, seit die Mehrheit M-Pesa für
Geldtransfers nutzt.
Die Revolution begann aber schon viel früher. Nur wenige Menschen in Kenia
besaßen einen eigenen Telefonanschluss, bis 1992 die ersten Handys auf den
Markt kamen. Besonders ab 1999, als die einfachen und deshalb billigen
Nokia-Geräte zu haben waren, explodierte das Geschäft. Inzwischen besitzen
mehr als drei Viertel aller Kenianer (Kinder mitberechnet) ein Handy. 80
Prozent davon verwenden das Gerät auch für Zahlungen – das sind mehr als 15
Millionen Menschen.
Das Bildungsniveau in Kenia ist im Vergleich zu vielen anderen
afrikanischen Ländern relativ hoch, ungefähr 85 Prozent der Kinder werden
eingeschult, bevor sie acht Jahre alt sind. Vor allem die Jugendlichen
nutzen das Internet, um zu erfahren, was los ist in der Welt. Die
populärsten Studiengänge an den Universitäten sind Telefon- und
Computer-Technologie.
„Das meiste, was ich auf dem Markt verkaufe, wird mit M-Pesa bezahlt“, sagt
Wanjira Mungai, eine Marktfrau aus dem Nyeri. „Ich brauche keine Angst vor
Taschendieben zu haben, weil ich kaum Geld bei mir habe. Das meiste steckt
im Telefon.“ Denn M-Pesa gilt auch als sicher, besonders in der Hauptstadt
Nairobi, die im Volksmund wegen der hohen Kriminalitätsrate „Nairobbery“
heißt. Wird das Telefon gestohlen, benötigt man eine Geheimzahl, um an das
darauf gespeicherte Geld zu kommen. Wer Opfer eines Diebstahls wird,
bekommt zudem kostenlos eine neue SIM-Karte zur Verfügung gestellt – und
hat sofort wieder Zugriff auf sein Geld.
## Handy ist Konto für alle
Per Mobiltelefon zu zahlen ist einfach. Man geht zu einer der mehr als
37.000 Agenturen und zahlt Geld auf die eigene Handynummer ein oder erteilt
der Bank einen telefonischen Auftrag. Bis zu 1.400 Euro können so auf dem
Telefon gespeichert werden. Große Geschäfte haben ihre eigenes Mobilkonto.
Kleine Firmen oder Privatpersonen geben ihre Telefonnummer an und die
Zahlung ist innerhalb kurzer Zeit abgewickelt. Auch Sparen kann man mit
M-Pesa – ebenso wie einen Kredit aufnehmen und Schulgeld für die Kinder
überweisen. Laut dem Africa Gender Institut sparen vor allem Frauen mobil.
Auch hier hat M-Pesa eine kleine Revolution in Gang gebracht. Denn vorher
konnten sich nur wenige ein Bankkonto leisten, die Gebühren waren viel zu
hoch. Knapp die Hälfte aller Kenianer lebt unter der Armutsgrenze. Anfangs
nahmen die Banken die Konkurrenz von M-Pesa nicht ernst, betrachteten das
Angebot als „etwas für arme Leute“. Als aber auch Politiker und
Geschäftsleute begannen, den Dienst zu nutzen, gerieten die Banken unter
Druck. Heute arbeiten die meisten kenianischen Banken mit dem „Feind“
zusammen. Ihnen bleibt schlicht keine andere Möglichkeit.
Die Server für M-Pesa wurden bislang in Deutschland untergebracht,
mittlerweile aber baut Vodafone, der Mutterkonzern des M-Pesa-Entwicklers
Safaricom, mithilfe des chinesischen Konzerns Huawei eigene Server in Kenia
auf. „Wenn das klar ist, und wir die Server in Deutschland nicht mehr
brauchen, wird es für uns als Betrieb billiger, also auch für unsere
Kunden“, sagt Nzioka Waita, einer der Direktoren von Safaricom. Er hofft,
mit niedrigen Gebühren noch mehr Kunden gewinnen zu können. „Es gibt schon
mehr M-Pesa-Konten als Wasserhähne in Kenia“, fügt er stolz hinzu.
## International überweisen
Seit Safaricom mit Western Union kooperiert, können auch Menschen im
Ausland Geld auf kenianische Handykonten einzahlen. So werden mehr als eine
Milliarde Euro jährlich aus dem Ausland geschickt – in erster Linie von
Kenianern, die im Ausland arbeiten und ihre daheimgebliebenen Familien
finanziell unterstützen. „Mein Bruder arbeitet in Dubai und er hilft mir
mit meine Studienkosten“, erzählt Elizabeth Adala, die an der Universität
von Nairobi studiert. „Ich bekomme das Geld auf mein Handy und leite es an
die Uni weiter. Er schickt immer etwas mehr, so dass ich mir etwas Schönes
kaufen kann.“
Auch andere Länder haben diese Art des mobilen Zahlungsverkehrs eingeführt,
darunter Rumänien, Ägypten, Indien, Afghanistan, Mosambik und Tansania. In
Afghanistan etwa führte man das Bezahlmodell ein, um Polizistengehälter
auszuzahlen. Das führte zunächst dazu, dass die Polizisten dachten, sie
hätten eine Lohnerhöhung bekommen, [1][wie das Onlinemagazin Techcrunch
berichtet]. Das war aber nicht der Fall. Dank der mobilen Überweisung
hatten sie nur erstmals ihr volles Gehalt bekommen – ohne illegale Abzüge
der Beamten, die zuvor für die Auszahlung zuständig waren.
Und doch wächst in keinem der genannten Länder die Zahl der M-Pesa-Nutzer
so schnell und massiv wie in Kenia. Safaricom dringt mittlerweile bis in
die weit entferntesten Winkel Kenias vor. Dort ist das Bezahlen mit M-Pesa
von der Wüste bis in die Bergen im Norden, entlang der Küste im Osten und
selbst in den leeren Savannen im Süden des Landes möglich.
1 Jan 2015
## LINKS
[1] http://techcrunch.com/2010/10/17/m-paisa-ending-afghan-corruption-one-text-…
## AUTOREN
Ilona Eveleens
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