Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Städtepartnerschaft gegen Antisemitismus: Austausch wider den Boyk…
> Gegen Antisemitismus hilft gegenseitiger Austausch. Bremens Partnerschaft
> mit dem israelischen Haifa trägt auf vielen Ebenen seit 30 Jahren dazu
> bei
Bild: Panorama-Blick auf Haifa im nördlichen Israel: Für diesen Ausblick lohn…
Bremen taz | Danzig, Riga, Dalia, Izmir und Durban. Auf der Touristentafel
vor dem Überseemuseum finden sich die Namen der Partnerstädte Bremens. Nur
einer war im vergangenen Januar schwer lesbar, da ihn jemand weggekratzt
hat: Haifa, Hafenstadt am Mittelmeer und Bremens zweitälteste
Partnerstadt. 2018 jährt sich der Beginn des Austauschs zum dreißigsten
Mal.
„Inzwischen gibt’s ein Netz vielfältiger Projekte und Aktivitäten“, sagt
Andrea Frohmader, die in der Senatskanzlei die Städtepartnerschaften
koordiniert. „Die Zusammenarbeit mit Haifa ist stark von Senat und
Bürgerschaft getragen. Gleichzeitig sind die zivilgesellschaftlichen
Akteure sehr wichtig.“ So organisiert die Deutsch-Israelische Gesellschaft
seit 2005 jährlich Bürgerreisen nach Haifa. Dazu kommen Projekte der
Jüdischen Gemeinde und Kooperationen zwischen den Hochschulen sowie
Schüleraustausche an drei Gymnasien.
„Zwischen Bremen und Haifa gibt es viel Fachaustausch“, sagt Frohmader,
„die Themen reichen von der Revitalisierung alter Hafenbrachen über
Müllentsorgung bis hin zu Start-Up-Unternehmen.“ Israel ließe sich nicht
auf den Nahostkonflikt reduzieren. Aus diesem Grund soll an den jährlichen
Israel-Tagen das Land nicht nur als politischer Hotspot, sondern auch als
Ort interessanter technologischer, wirtschaftlicher und kultureller
Entwicklungen präsentiert werden.
Doch dagegen regten sich in der Vergangenheit Proteste. „Antisemitismus
gehört in Deutschland zum Alltag“, sagt Elvira Noa, Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde Bremen. „Entsprechend werden auch die Projekte und
Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Städtepartnerschaft angefeindet.“
## Gegen das geschlossene Weltbild
Antisemitismus ist mehr als ein schlichtes Vorurteil, sondern ein kognitiv
und emotional zusammengesetztes Weltbild, betonte der
Antisemitismusforscher Samuel Salzborn [1][im Interview mit dem Jüdischen
Forum] für Demokratie und gegen Antisemitismus. Doch so lange ein
antisemitisches Weltbild noch nicht geschlossen ist, müsse man es
erschüttern und revidieren. Gerade bei jungen Menschen sei aufklärerische
Bildungsarbeit enorm wichtig.
Neben Schüleraustauschen und der Hochschulkooperation richten sich deswegen
viele Angebote der Städtepartnerschaft wie das Fußballturnier
„One-Nation-Cup“ explizit an Jugendliche. Daneben ermöglichen Stipendien
Künstlern aus den Partnerstädten mehrmonatige Arbeitsaufenthalte mit
Ausstellung in Bremen. Auch ein großes Graffiti an der Kleinen Weser ist
durch eine Haifaer Sprayergruppe entstanden, als Israel 2013 Partnerland
des Festivals „jazzahead!“ war.
In Haifa fördert ein 1976 gegründeter Kulturfonds junge Künstler und
Kulturprojekte. Die vom israelischen Erziehungs- und Kunstministerium sowie
den Städten Bremen und Haifa getragene Stiftung bildete die Basis für die
spätere Städtepartnerschaft.
„In Haifa leben Juden und Araber vergleichsweise gut zusammen“, sagt die
Bremer Künstlerin Elianna Renner. Trotz Konflikten gebe es im Alltag mehr
Begegnung, Austausch und Rücksichtnahme als anderswo in Israel. Dies zeige
sich etwa an städtisch geförderten Kunstprojekten. Dort gehe es immer auch
um die Einbindung von Muslimen, ebenso der äthiopischen oder
russischstämmigen Juden, der arabischen Christen und der Drusen. In Bremen
sei dies viel seltener der Fall: „Hier ist man weit weniger sensibilisiert
für die türkische, kurdische oder russische Bevölkerung, die räumlich
stärker separiert ist.“
## Die guten Menschen von „Haimen“
Renner, deren Mutter in den 1950ern mit ihrer Familie von Rumänien nach
Haifa emigriert ist, arbeitet aktuell an einem sozio-geographischen
Kunstprojekt zu den Partnerstädten. Dessen Titel „Haimen“ kombiniert nicht
nur die beiden Städtenamen, sondern verweist auf das hebräische Wort „Chai�…
für „Leben“ sowie das jiddische „heymisch“. So soll durch das Projekt …
kosmopolitisch Neues entstehen: im gegenseitigen Austausch stehende Bürger
von Haimen, die sich in der fiktiv-realen Stadt zu Hause fühlen.
Haifas Multikulturalität ist auch Felix Meyer im Gedächtnis geblieben. Der
Bremer Politikwissenschaftsstudent verbrachte dort ein Auslandsemester.
Haifa reizte ihn vor allem wegen seines Studienschwerpunktes Internationale
Beziehungen sowie der guten Möglichkeit, dort Arabisch zu lernen, das
zweite Amtssprache in Israel ist.
„Durch den Aufenthalt hat sich meine Perspektive auf Israel verändert“,
sagt Meyer. Die Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen hätten ihn
viel gelehrt. So sei ihm in Israel sein familiärer Hintergrund als
Täternachfahre stärker bewusst geworden. Zudem begann er, eigene
Stereotypen zu reflektieren: „In Deutschland wird leider sehr häufig
selektiv und einseitig über Israel berichtet. Die Berichterstattung folgt
dann einem simplen Schema: Hier die aggressiven israelischen ‚Täter‘, dort
die unschuldigen, passiv gemachten palästinensischen ‚Opfer‘.“ Außerdem
gerate oft aus dem Blick, dass Israel seit der Staatsgründung
kontinuierlich in seiner Sicherheit bedroht ist.
Die prekäre Sicherheitslage wurde dem 27-Jährigen besonders in seiner
damaligen Unterkunft anschaulich: ein Bunkerzimmer auf dem Campus, gebaut
zum Schutz vor Hisbollah-Raketen. Dennoch hatte er den Eindruck, dass der
Konflikt mit den Palästinensern das Leben in Israel nicht gänzlich
überformt: „Es gibt es auch ein ‚normales Leben‘. Mit vielen schönen
Seiten, gerade in hedonistischen Städten wie Tel Aviv oder Haifa. Aber auch
mit alltäglichen Herausforderungen wie teurem Wohnraum.“
Für Noa von der Jüdischen Gemeinde ist die Bedeutung guter Beziehungen
zwischen deutschen und israelischen Städten enorm. Zwar würden große Teile
der Bremer Bevölkerung von den Projekten der Partnerschaft gar nicht
erreicht. Doch kontinuierlicher Austausch und ein freundschaftliches
Verhältnis „mag und darf man sich gar nicht wegdenken“, sagt Noa, „dies
sollte ein Klima begünstigen, in dem israelfeindliche Boykottbestrebungen
und Antisemitismus auf Widerspruch stoßen. Jüdisches Leben ist im
Deutschland nach der Shoah, wenn das überhaupt möglich ist, noch immer
nicht Normalität.“
Der Autor ist aktiv im Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
in Bremen
21 Aug 2017
## LINKS
[1] https://jfda.de/blog/2017/07/20/samuel-salzborn-ueber-antisemitismuspraeven…
## AUTOREN
Till Schmidt
## TAGS
Bremen
Antisemitismus
Anti-Israel
Israel
Opfer rechter Gewalt
Antisemitismus
BDS-Movement
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Judentum
Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gedenkpavillon in Bremen: Das mahnende Trafohäuschen
An die Opfer rechter Gewalt erinnert in Bremen ein umgestalteter Zweckbau.
Pietätlos? Von wegen: Dieses Mahnmal ist zukunftsweisend.
60 Jahre Bremer Synagoge: Das Gerücht über Herrn Katz
Mit einem Festakt wird am Sonntag das 60-jährige Bestehen der Bremer
Synagoge gefeiert. Ihr Gründer Carl Katz wird noch immer geschmäht.
Autorin über modernen Antisemitismus: „Woke? No fucking way!“
Politisch zu sein ist mehr denn je von Coolness geprägt, sagt die Autorin
Mirna Funk. Antizionismus habe sich sehr gut eingefügt in den Trend des
Gerechtigkeitskämpfers.
Debatte Holocaust und Erinnerung: Scheinheilige Freunde der Juden
Unser Autor ist Jude, lebt in Deutschland. Er weiß, welche Kräfte im Land
Antisemitismus befördern und Hass gegen Minderheiten schüren.
Delmenhorsts jüdische Gemeinde wird 20: Auferstanden aus der Schoah
Die jüdische Gemeinde von Delmenhorst feiert den 20. Jahrestag ihrer
Neugründung – in der Markthalle, wo jüdisches Raubgut verkauft und
versteigert wurde
Jüdische Gemeinde Bremen: Der gelandete Rabbiner
Netanel Teitelbaum ist nun offiziell Bremens neuer Landesrabbiner. In der
Stadt vernetzt und am interreligiösen Dialog beteiligt ist er schon länger.
Videokunst: Einmal nicht l'art pour l'art
Die Bremer Weserburg zeigt künstlerische Videos aus Israel. Das Thema ist
stets Identität – des Einzelnen wie der Gemeinschaft..
INTEGRATION: Die Missachtung der Vielfalt
Die Jüdische Gemeinde, selbst in vielfältiger Weise vom Thema betroffen,
bemüht sich um einen stadtweiten Dialog über "Mehr"- und
"Minderheitsgesellschaften"
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.