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# taz.de -- Arabischer Boykott von Berliner Festival: Pop-Kultur als Politikum
> Nach einem Boykottaufruf fehlen vier Künstler bei einem Berliner
> Festival. Der Grund: Die israelische Botschaft ist Partner der
> Veranstaltung.
Bild: Gar nicht mehr kuschlig: Am Festival „Pop-Kultur“ entzündet sich Str…
Das kommende Woche in Berlin beginnende Festival Pop-Kultur wird zum
Politikum: Vier Künstlerinnen und Künstler aus dem arabischen Raum haben
ihre Teilnahme an der dreitägigen Musik- und Diskursveranstaltung abgesagt
– mit der Begründung, dass die israelische Botschaft ein Partner des
Festivals ist.
Damit folgten sie einem Boykottaufruf der [1][„Boycott, Divestment and
Sanctions“(BDS)-Initiative], deren Agenda es ist, Israel auf
wirtschaftlicher, politischer und seit jüngster Zeit auch verstärkt auf
kultureller Ebene zu boykottieren und isolieren. Es steht zu befürchten,
dass den vier Acts – dem syrischen Rapper Abu Hajar und dessen Landsleuten
Hello Psychaleppo, der tunesischen Sängerin Emel Mathlouthi sowie dem
ägyptischen Elektronik-Trio Islam Chipsy & EEK – noch weitere folgen
werden.
Denn BDS forderte offenbar alle der rund 100 gebuchten KünstlerInnen in
persönlichen Anschreiben auf, dem vom Berliner Senat und dessen
Pop-Institution Musicboard ausgerichteten Festival fernzubleiben – mit der
Behauptung, die israelische Regierung nehme direkt Einfluss auf die
Ausrichtung des Festivals. Katja Lucker, Chefin des Musicboards, sagt dazu,
es gebe nicht die geringsten inhaltlichen Absprachen. Bei dem Sponsoring
handelt es sich im Übrigen um einen Reisekostenzuschuss für Künstler in
Höhe von insgesamt 500 Euro.
Verärgert zeigt sich auch der Berliner Kultursenator Klaus Lederer. Die
Absage sei „enttäuschend für all jene, die wie ich dachten, wir seien
weiter – wären klüger“, sagte er [2][gegenüber der Berliner Morgenpost].
Und weiter: „Mit Fake-News über eine angebliche Kofinanzierung des
Festivals durch den Staat Israel zu operieren, ist widerlich und entsetzt
mich“.
## „Schaden vor allem für Berlins Kulturszene“
Fassungslos zeigte sich auch die israelische Botschaft in einer
Stellungnahme: „Israel setzt sich gerne für die Kultur in Deutschland, für
Kooperationen und für den Dialog generell ein – etwas, das die Befürworter
dieses Boykotts nicht anstreben. Diese Menschen fordern, dass sich Künstler
in Deutschland gegen Israel stellen. Dies schadet zuallererst und vor allem
der Berliner Kulturszene.“
Die israelische Botschaft war bereits im vergangenen Jahr Unterstützer des
„Pop-Kultur“ – einer von rund 40. Der Gegenwert für die 500 Euro Zuschuss
ist, dass das Logo der Botschaft auf der Festival-Website abgebildet wird.
Das Pop-Kultur-Festival in Berlin, das vor zwei Jahren als Nachfolger der
Branchenveranstaltung Berlin Music Week ins Leben gerufen wurde und mit gut
1,1 Millionen Euro öffentlich gefördert wird, setzt inhaltlich stark auf
Diskurs und Austausch. Die KuratorInnen achten bewusst darauf, dass etwa
InterpretInnen und DiskutantInnen aus den arabischen Zuwandererstaaten
dabei sind. „Nun fallen diese Stimmen weg, das ist traurig“, sagt Kurator
Christian Morin.
Von dialogischen Stimmen ist auf der Website der deutschen BDS-Dependance
naturgemäß nichts zu sehen. Dort prangt der Schriftzug: „Pop-Kultur
Festival 2017, sponsored by Apartheid“. Der Support des Festivals wird dort
als Versuch seitens Israel dargestellt, sich von Menschenrechtsverletzungen
– die hier mit dem Prä-Mandela-Südafrika gleichgesetzt werden – gegenüber
Palästinensern reinzuwaschen und „Imagepolitur“ zu betreiben. In den
persönlichen Anschreiben der Kampagne verwiest BDS direkt auf die bekannte
antiisraelische und -zionistische Website [3][electronicintifada.net].
## Neue Dimension des Boykotts
Die prominenteste Stimme unter den Absagen ist die Tunesierin Emel
Mathlouthi, die 2011 während des Arabischen Frühlings häufig öffentlich
aufgetreten ist. Sie habe nichts von dem Sponsoring gewusst und bedankt
sich auf ihrer Facebook-Seite bei denen, die sie darauf aufmerksam gemacht
hätten, so die Künstlerin. „Wo die Situation innerhalb und außerhalb
Palästinas sich nun verschlimmert, kann jeder von uns nur Solidarität und
Empathie zeigen“, schreibt Mathlouni auf Facebook. „Als ich beim
Pop-Kultur-Festival zugesagt habe, waren die Sponsoren noch nicht bekannt
gegeben worden.“
Die antiisraelischen Bestrebungen von BDS im Kulturbereich erreichen damit
einen neuen Höhepunkt. Dass Stars wie Roger Waters, Brian Eno und einige
weitere – vor allem britische – Künstler zu Boykotten aufrufen oder dass
Auftritte in Israel kritisiert wurden, ist nichts Neues, dass aber das
zweitgrößte staatlich geförderte Festival hierzulande systematisch
attackiert wird, hat eine andere Dimension.
16 Aug 2017
## LINKS
[1] /!5389548/
[2] https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article211589045/Wegen-Israel-Band…
[3] https://electronicintifada.net
## AUTOREN
Jens Uthoff
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BDS-Movement
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Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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