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# taz.de -- Aktivistin zur Israel-Boykottkampagne: „Das ist eine überspannte…
> Die Aktivistin Sophia Deeg über die Versuche, die Israel-Boykottbewegung
> BDS in Deutschland zu verbieten, deren Ziele sowie den Vorwurf des
> Antisemitismus.
Bild: In Deutschland kaum sichtbar? Freunde der BDS-Bwegung am 1. Mai in Berlin
taz: Frau Deeg, die Stadt Frankfurt will Ihre Israel-Boykottbewegung
ächten: Wer für die „Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“-Kampagne (BDS)
eintritt, soll in der Stadt keinen Raum mehr erhalten. München könnte
folgen. Was sagen Sie dazu?
Sophia Deeg: Das ist eine überspannte Reaktion. Was München angeht, so gibt
es dort fast keine BDS-Aktivitäten. Aber der Beschluss bedeutet, dass
Prominente wie Judith Butler, Roger Waters, Brian Eno oder Naomi Klein dort
nicht auftreten können – zumindest nicht in von der Stadt geförderten
Veranstaltungsorten. Ich weiß nicht, ob sich die Verantwortlichen der
Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind. Und ich weiß nicht, ob diese
Einschränkung der Meinungsfreiheit vor Gericht bestand hätte, wenn jemand
klagt. In England haben britische Gerichte schon vergleichbare Beschlüsse
gekippt. Und auf EU-Ebene wurde ebenfalls das Recht bestätigt, sich für die
Kampagne einzusetzen.
Kritiker werfen der BDS-Bewegung vor, antisemitisch zu sein. Zu Recht?
Ich nehme diesen Vorwurf ernst. Es gibt kluge Leute, die das glauben, weil
sie es immer wieder auch in seriösen Medien lesen. Aber die Boykottbewegung
richtet sich nicht gegen Personen, nicht gegen Israelis als solche und
schon gar nicht gegen Juden. Sondern gegen die völkerrechtswidrige
Besatzung und konkrete – nicht unbedingt israelische – Unternehmen, die
daran verdienen. So wie Hewlett-Packard, das Überwachungstechnologie für
die Checkpoints liefert. Man kann das mit anderen Kampagnen vergleichen,
die sich gegen Kinderarbeit richten.
Die CDU vergleicht BDS lieber mit dem Judenboykott der Nazis. Ist diese
Assoziation nicht verständlich?
„Kauft nicht bei Juden!“ war eine staatliche Kampagne gegen eine
diskriminierte Minderheit. Die BDS-Bewegung richtet sich gegen einen Staat,
der systematisch gegen Menschenrechte und das Völkerrecht verstößt. Dieser
Vergleich ist geschichtsvergessen und falsch.
In Berlin haben kürzlich mehrere Bands ein Pop-Festival boykottiert, weil
die israelische Botschaft ein Partner war. Wäre es nicht besser gewesen,
die Bands hätten an dem Festival teilgenommen und dort ihre Kritik
kundgetan?
Ein BDS-Aktivist hat mitbekommen, dass auf den Plakaten des Festivals das
Logo der israelischen Botschaft prangte. Daraufhin wurden die teilnehmenden
Künstler, die dort spielen sollten, angeschrieben. Einige haben sich
entschieden, deswegen abzusagen.
In dem Brief an die Bands hieß es, die israelische Botschaft sei Sponsor
des Festivals, dabei hat sie nur einen Reisekostenzuschuss für israelische
Künstler geleistet. War der Vorwurf ein Fehler?
Man sollte natürlich präzise sein. Aber es ist eine Partnerschaft. Und so
ein Festival sollte sich darüber im Klaren sein, dass es einen Beitrag dazu
leistet, dass sich Israel in einem positiven Licht sonnen kann, während es
sich zugleich massiver Menschen- und Völkerrechtsverletzungen schuldig
macht. Man sollte auch wissen, dass es zur erklärten Strategie der
israelischen Regierung gehört, sich auf diese Weise in ein positives Licht
zu rücken. Und Künstler, die vom Staat gefördert im Ausland auftreten,
müssen einen Vertrag unterschreiben, dass sie zu einem positiven Image des
Landes beitragen.
Viel Verständnis hat der Festivalboykott nicht gefunden: Berlins
Kultursenator nannte ihn „widerlich“, das Presseecho war verheerend. Halten
Sie den Boykott für einen Erfolg?
Wir provozieren immer viel Geschrei. Trotzdem bietet das die Möglichkeit,
dass die Öffentlichkeit zumindest einen Teil unserer Argumente mitbekommt
und sich informieren kann. Manche Medien haben ja zum Beispiel die
Begründung der syrischen HipHop-Gruppe Mazzaj Rap zitiert. Mehr kann man
derzeit nicht erwarten.
Für manche Künstler könnte der Boykott negative Konsequenzen haben. Einige
Veranstalter haben schon erklärt, sie nicht mehr buchen oder einladen zu
wollen. Ist es das wert?
Speziell im Fall der syrischen HipHop-Gruppe, die in Berlin lebt, kann das
so sein. Aber ich bin mir sicher, dass sich die Musiker darüber bewusst
waren.
Auch Sie werden für Ihre Engagement angefeindet, Israel verweigert
BDS-Aktivisten sogar die Einreise. Warum nehmen Sie das in Kauf?
Ich bin in einem Alter, in dem ich keine Karriere mehr vor mir habe, und
nach Israel möchte ich derzeit nicht. Besonders heroisch ist das nicht: ich
kann mit das leisten. Jüngere müssen sich überlegen, ob Sie die
Konsequenzen tragen wollen oder nicht.
Israel gibt sich viel Mühe, um die Boykottbewegung zu bekämpfen, dabei ist
sie in Deutschland absolut marginal. Warum so viel Aufwand?
Natürlich hat jede Regierung das Recht, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben
– und manche haben das besonders nötig. Die Boykottbewegung wird so stark
bekämpft, weil sie so erfolgreich ist – unter US-Akademikern, aber auch in
Lateinamerika oder in Südafrika. Deutschland ist da eher eine Ausnahme.
Was ist Ihre Motivation, sich daran zu beteiligen?
Ich halte BDS für eine besonders emanzipatorische Kampagne, weil sie sehr
rational und nicht ideologisch argumentiert. Anders als manche Teile der
Palästina-Solidaritätsbewegung, die mit allgemeinen Begriffen
argumentieren, nimmt sie ihre Adressaten ernst. Man muss nicht die ganze
Geschichte des Nahostkonflikts kennen, um sich anhand von überprüfbaren
Informationen ein Bild zu machen und der Kampagne anzuschließen.
Warum gerade Israel boykottieren? Gibt es nicht viele Länder, in denen die
Menschenrechte im Argen liegen?
Für mich ist Israel nicht weit weg, nicht weiter weg als Italien oder
Frankreich. Es ist ein wichtiger Partner, mit Deutschland wirtschaftlich,
kulturell und historisch sehr eng verbunden, und wir teilen dem Anspruch
nach gewisse Prinzipien wie Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Damit
trägt man auch Verantwortung. Das heißt nicht, dass es nicht genauso
wichtig ist, sich zu engagieren mit Blick auf das, was etwa gerade in der
Türkei passiert, mit der wir auf andere Weise ebenfalls sehr eng verbunden
sind.
6 Sep 2017
## AUTOREN
Daniel Bax
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