| # taz.de -- Musik eines südafrikanischen Chores: Exotistisches Mitbringsel | |
| > Passend zum Hype um Musik aus Afrika: Ein Techno-Produzent veröffentlicht | |
| > nach einer Reise nach Südafrika die Musik des Tanda-Tula-Choirs. | |
| Bild: Warum soll man den Tanda Tula Choir nicht nach Köln holen? | |
| Aksel Schaufler ist weit in der Welt herumgekommen. Aus der schwäbischen | |
| Provinz trieb es ihn Ende der Neunziger in die damalige Techno-Hochburg | |
| Köln. Dort verweilte er knapp 15 Jahre, bis er sich 2015 in Paris | |
| ansiedelte. Doch zwischen drin bereiste er unter seinem Alias Superpitcher | |
| bereits alle Kontinente. Ob alleine, in verschiedenen Konstellationen mit | |
| anderen DJs aus dem Hause Kompakt, dessen Teil er bis heute ist, oder mit | |
| seinem kongenialen Produktionspartner Rebolledo als Pachanga Boys: Man | |
| konnte Superpitcher oft als vielseitigen Künstler wahrnehmen. | |
| Brasilien, Mexiko, oder Japan; überall wo Minimal-Techno und der poppige, | |
| gefühlvolle elektronische Tanzflächensound, der in Köln von Produzenten wie | |
| Superpitcher perfektioniert worden ist, gehört und gebraucht wurde, war er | |
| Teil des Treibens. Eine seiner letzten Trips in die Ferne muss es Schaufler | |
| besonders angetan haben. Aus Südafrika brachte er nicht nur Reiseeindrücke, | |
| sondern auch Samples mit. Jene Sounds durfte man auf „Howl“ begutachten, | |
| einem von insgesamt 24 Tracks, die Superpitcher 2017 als Teil seiner | |
| zwölfteiligen monatlichen Werkschau „The Golden Ravedays“ veröffentlicht | |
| hat. | |
| Nun veröffentlicht er also das nächste Mitbringsel auf dem eigenen Label | |
| Hippie Dance: „Tanda Tula Choir“ nennt sich das Werk und ist vom | |
| namensgebenden Chor eingesungen. Dessen 27 Stücke, die nahezu alle unter | |
| der drei Minutengrenze bleiben, sind live aufgenommen. Der Chor heißt so | |
| nach dem Camp „Tanda Tula“, in dem er lebt. Dort halten die Sängerinnen | |
| Gesangs- und Musiktraditionen der Tsonga, eines Bantu-Volkes aus dem | |
| nördlichen Südafrika und den angrenzenden Mosambik und Simbabwe, hoch. | |
| Die Shangaan-Tradition hatte schon vor einigen Jahren Konjunktur als | |
| musikalisches Exportprodukt – damals jedoch in seiner elektronischen | |
| Neuentdeckung, unter dem Signet „Shangaan Elektro“. Insgesamt sind seit | |
| etwa 2005 vermehrt musikalische Trends aus Südafrika auch nach Europa | |
| gelangt. Gerade weiße südafrikanische HipHop-Künstler wie Die Antwoord | |
| stellen dabei eher Ausnahme dar; in Europa wecken eher schwarze Folk- und | |
| Populärmusiken aus den Townships und ländlichen Regionen Interesse. | |
| ## Sehnsucht nach Außen | |
| Shangaan Elektro löste den Hype um Kwaito ab, dessen Hit „Township Funk“ | |
| von DJ Mujava 2008 europäische Tanzflächen anheizte. Heute hypen gut | |
| unterrichtete Kreise Gqom (gesprochen mit einem Schnalzlaut), eine | |
| Bassmusik-Variante mit für westliche Ohren ungewohnten Rhythmen und Sounds. | |
| Der Kölner Kurator Thomas Gläßer bemerkte anlässlich des von ihm | |
| kuratierten World-Music-Festivals „Digging the Global South“, es gäbe | |
| starke Sehnsucht nach einer Außenwelt, die anders funktioniert als unsere | |
| saturierte und optimierte warenförmige Kultur mit ihrer Gleichzeitigkeit | |
| von Stagnation und Beschleunigung, Vereinzelung, Konkurrenz- und | |
| Verwertungsdruck. | |
| Auf einer symbolischen Ebene lasse sich dieses Begehren aber nicht | |
| befriedigen. Es sei atemberaubend, wie der aktuelle Hype um Musik aus | |
| Afrika und ganz allgemein dem Hunger des westlichen Marktes nach Kunst von | |
| „außerhalb des Kristallpalasts“ (Gläßer) mit der Verschärfung von | |
| Grenzregimen und dem Erstarken reaktionärer Vorstellungen von kultureller | |
| Identität zusammenfalle. Die Liveaufnahmen aus dem Glamping-Camp im Krüger | |
| Nationalpark tragen eben diesen Makel: So schön die A-cappella-Chorlieder | |
| sind, verfangen sie sich allzu leicht im transportierten Exotismus einer | |
| rudimentären Musiktradition, die sich bis heute durch | |
| geschlechtergetrenntes Instrumentarium auszeichnet. | |
| Man kann die Sympathie und Begeisterung Superpitchers trotzdem | |
| nachvollziehen. Ob solistisch oder mehrstimmig eingesungen, klingen die | |
| Stücke des Tanda Tula Chors wunderbar ungehört und doch bekannt. Wie | |
| südafrikanische Varianten von „Mundorgel“-Liedern. Das geht ans Herz und | |
| bewegt; auch im fernen Europa. | |
| 23 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Fleischmann | |
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