# taz.de -- Gefährdergesetz im bayerischen Landtag: Unbefristete Haft für „… | |
> Wer in Bayern als Gefährder eingestuft wird, könnte künftig beliebig | |
> lange weggesperrt werden. Experten hatten Bedenken geäußert. | |
Bild: „Wir dürfen nicht zuschauen, bis etwas passiert“, sagt Bayerns Innen… | |
München taz | Werden in Bayern künftig die Bürgerrechte beschnitten? Um | |
diese Frage ging es am Mittwoch bei der zweiten Lesung des sogenannten | |
Gefährdergesetzes im bayerischen Landtag. Besonders bedeutsam kommt die | |
Diskussion im Parlament freilich nicht daher. Zweiter Tagesordnungspunkt | |
nach der Mittagspause, zwischen TU-Campus und Glücksspielstaatsvertrag. Der | |
Plenarsaal ist spärlich besetzt, die Kabinettsbank fast leer. | |
Immerhin der Innenminister ist da. Meldet sich auch zu Wort. „Wir dürfen | |
nicht zuschauen, bis tatsächlich etwas passiert“, sagt Joachim Herrmann. | |
„Die Bürgerrechte werden von Extremisten und Chaoten bedroht, nicht vom | |
Staat.“ Das nämlich hat Katharina Schulze zuvor anders bewertet: „Immer | |
wenn ein furchtbarer Anschlag geschieht“, sagte die Fraktionsvorsitzende | |
der Grünen, „wird ein weiteres Stück Bürgerrechte geopfert.“ | |
Kern des jetzt verabschiedeten Gesetzes ist eine Ausweitung der | |
Präventivhaft. Wer in Bayern als Gefährder eingestuft wird, kann künftig | |
mit einer elektronischen Fußfessel überwacht oder gar in de facto | |
unbefristete Vorbeugehaft genommen werden. Bisher galt eine Frist von 14 | |
Tagen, jetzt sind es drei Monate – mit Option auf Verlängerung. Mehr als | |
eine richterliche Anordnung ist nicht nötig. Und dafür genügt die Annahme | |
einer „drohenden Gefahr“. | |
Bei einer Expertenanhörung im Landtag haben sich Richter und Rechtsanwälte | |
bereits im Mai kritisch zu dem Gesetz geäußert. Während ihm mehrere | |
Professoren verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigten, meldeten | |
die Praktiker Bedenken an. „Wir befinden uns damit in einem Graubereich des | |
Rechtsstaats, in den hineinzugeraten man niemandem wünschen kann“, monierte | |
etwa Hartmut Wächtler von der Rechtsanwaltskammer München. | |
In der Tat gehen die Maßnahmen, die das Gesetz ermöglicht, über das Ziel | |
der Terrorbekämpfung hinaus. So sollen polizeiliche Maßnahmen auch dann | |
greifen, wenn „bedeutenden Rechtsgütern“ wie etwa „erheblichen | |
Eigentumspositionen“ oder der „sexuellen Selbstbestimmung“ eine Gefahr | |
drohen könnte. Damit, so Wächtler, sei auch der „Alltagsstörer“ im Fokus | |
des Gesetzes. | |
Ein Punkt, der auch die Freien Wähler umtrieb. „Das kann gegen jeden von | |
uns angewendet werden“, prophezeit die Abgeordnete Eva Gottstein. Dennoch | |
enthält sich die Fraktion am Ende. Wie auch die SPD, deren Abgeordneter | |
Paul Gantzer zwar „Bauchschmerzen“ anmeldet, aber dann doch zu dem Schluss | |
kommt: „Lassen wir’s erst mal so laufen.“ So sind die Grünen und die | |
Fraktionslose Claudia Stamm die Einzigen, die gegen das Gesetz stimmen. | |
Vor allem an dem ungenauen Begriff der „drohenden Gefahr“ störten sich | |
Oppositionspolitiker wie auch Experten. Der Münchner Richter Markus | |
Löffelmann machte dagegen in der Expertenanhörung Einwände „in | |
sprachlicher, gesetzestechnischer, dogmatischer und verfassungsrechtlicher | |
Hinsicht“ geltend. Er sprach von einer „Vernachrichtendienstlichung der | |
Polizei“. Dabei sei die geltende Rechtslage für die Aufklärung von | |
Gefahrenlagen völlig ausreichend. | |
20 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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