# taz.de -- Unterhauswahl in Großbritannien: Wahlkampf im Zeichen des Terrors | |
> Nach drei Anschlägen ist der Kampf gegen den Terror zum zentralen | |
> Wahlkampfthema geworden. Theresa May ist heftiger Kritik ausgesetzt. | |
Bild: Halb voll? Halb leer? Die britische Sicherheitspolitik steht auf dem Prü… | |
London taz | Der zweite blutige Terroranschlag im laufenden Wahlkampf in | |
Großbritannien hat den Wettstreit der Parteien nur kurz unterbrechen | |
können. Von der Zurückhaltung nach dem Attentat von Manchester ist nach der | |
Tat in London nichts mehr übrig geblieben. Der Kampf gegen den Terror | |
dominiert die Politik. | |
Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn stellte sich am Montag hinter | |
Forderungen nach einem Rücktritt der Premierministerin Theresa May. Diese | |
habe als Innenministerin zwischen 2010 und 2016 die Streichung von 20.000 | |
Stellen in der Polizei zu verantworten, kritisierte er: Das sei der Grund | |
dafür, warum nicht alle Terroranschläge rechtzeitig vereitelt werden | |
können. | |
Theresa May konterte indirekt mit einer Grundsatzrede über Führungsstärke. | |
„Bei dieser Wahl geht es darum, welchem Führer und welchem Team die | |
Menschen vertrauen, um die großen Entscheidungen zu treffen und | |
Großbritannien sicher zu halten“, sagte sie. „In dieser Wahl gibt es einen | |
Führer, der sich brüstet, gegen jedes Antiterrorgesetz gewesen zu sein, und | |
einen, der dafür zuständig war, sie durchzusetzen“, donnerte sie. | |
Zum konkreten Vorwurf der Kürzungen in der Polizei sagte sie, Labour habe | |
vor wenigen Jahren noch größere Einsparungen verlangt. Aus konservativer | |
Sicht gilt Corbyn als ein Sicherheitsrisiko. Er bekenne sich nicht zu | |
Großbritanniens Status als Atommacht und winde sich immer wieder bei | |
Diskussionen, wenn seine frühere Sympathien für Terrorgruppen wie Hamas, | |
Hisbollah und die IRA zur Sprache kämen. | |
Am Sonntag hatte May als Reaktion auf den Londoner Anschlag weitgehende | |
Verschärfungen von Antiterrorgesetzen angekündigt. „Genug ist genug!“, | |
erklärte sie und forderte: „Wenn es um Terror und Extremismus geht, müssen | |
sich die Dinge ändern.“ Die drei Terrorangriffe seit März seien „verbunden | |
durch die böse Ideologie des islamistischen Extremismus. Diese Ideologie zu | |
besiegen ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“, sagte May: | |
„Es gibt, um ehrlich zu sein, viel zu viel Toleranz gegenüber Extremismus | |
in unserem Land.“ | |
## Verschlüsselungen erschweren | |
Viele Diskussion hat Mays Forderung ausgelöst, dem radikalen Islamismus die | |
„sicheren Räume“ („safe spaces“) im Internet zu nehmen. Es geht dabei … | |
um Überwachung – da ist Großbritannien ohnehin schon europäischer | |
Spitzenreiter, mit einem 2016 unter Premierministerin May beschlossenen | |
Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für ein Jahr. Es geht darum, Inhalte zu | |
entfernen. | |
Im aktuellen konservativen Wahlprogramm steht, dass im Netz künftig | |
dieselben Gesetze gelten sollen wie in der Wirklichkeit, beispielsweise was | |
Gewaltverherrlichung, Hasspropaganda und üble Nachrede angeht. Zusätzlich | |
will die britische Regierung Verschlüsselungen erschweren oder in manchen | |
Fällen ganz verbieten. | |
Auch die Programme gegen islamistische Radikalisierung sollen auf den | |
Prüfstand. Das geltende staatliche Programm „Prevent“ setzt in den Augen | |
von Kritikern zu sehr auf Denunziation möglicher Gefährder durch ihre | |
Gemeinschaften und vernachlässigt die Überwachung. | |
Die rechtspopulistische Ukip hat im Wahlkampf angeprangert, dass von | |
angeblich 23.000 bekannten islamistischen Gefährdern in Großbritannien nur | |
3.000 kontinuierlich überwacht würden. Nach jedem Anschlag stellt sich | |
hinterher heraus, dass die mutmaßlichen Täter oder Teile ihres Umfelds | |
polizeibekannt sind. | |
May war für diesen Bereich lange als Innenministerin zuständig, bevor sie | |
2016 Premierministerin wurde. Damals hieß es allenthalben, man müsse den | |
autoritären Tendenzen der vorhergehenden Ära von Premier Tony Blair | |
entgegenzuwirken. So verwarfen die Konservativen nach ihrem Wahlsieg 2010 | |
Labours Pläne zur Einführung einer Ausweispflicht. | |
## Von kriegserfahrenen Kämpfern angeleitet? | |
Schon Ende 2005, einige Monate nach den Londoner U-Bahn-Anschlägen, hatten | |
die Konservativen im Parlament Blairs Pläne zu Fall gebracht, | |
Terrorverdächtige ohne Anklage bis zu 90 Tage in Haft nehmen zu können – | |
gemeinsam mit dem linken Labour-Flügel, zu dem der heutige Labour-Chef | |
Jeremy Corbyn gehörte. Die Obergrenze blieb bei 28 Tagen und wurde 2011 von | |
Innenministerin May auf 14 halbiert. | |
Dass May und Corbyn einst gemeinsam gegen Blairs Antiterrorpolitik | |
stimmten, hört May heute gar nicht gern. Als heikel gilt auch die Frage, ob | |
die britischen Behörden zu nachlässig bei der Rückkehr britischer | |
Dschihadisten aus Syrien und Irak gewesen sind. Rund 850 britische | |
Staatsbürger sollen sich dort dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen | |
haben und viele der noch lebenden davon seien nun auf dem Rückweg, warnten | |
die britischen Geheimdienste schon im März. Die Täter der aktuellen | |
Anschläge könnten sich von so kriegserfahrenen Kämpfern haben anleiten | |
lassen. | |
Ein besonders heißes Eisen muss May auch noch anfassen: eine | |
Regierungsuntersuchung der Finanzströme für radikale Islamisten in | |
Großbritannien. Die Analyse soll nach Presseberichten auf deutliche | |
Hinweise Richtung Saudi-Arabien gestoßen sein – doch gerade dieses Land ist | |
einer der wichtigsten Kunden der britischen Rüstungsindustrie, und so gilt | |
der Bericht offiziell als „nicht fertig“ und wird womöglich nie | |
veröffentlicht. Labour und die Liberaldemokraten haben nun die Offenlegung | |
gefordert. May schweigt dazu. | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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