| # taz.de -- Ortstermin bei Londoner Trauerfeier: Terrorgedenken an der Themse | |
| > Nach dem Terroranschlag rief Bürgermeister Sadiq Khan zum gemeinsamen | |
| > Gedenken auf. Tausende kamen – doch nur für kurze Zeit. | |
| Bild: Beeindruckende Kulisse und starke Worte – doch bloß für wenige Minuten | |
| London taz | Gebürtige Londoner sind oft geborene Schauspieler: sie wissen | |
| genau, womit man welchen Effekt erzeugt und wann dafür der richtige Moment | |
| ist. Auch deswegen ist London eine so hinreißende Kulisse, wenn es um | |
| Zeremonielles geht – [1][und sei es das Gedenken für einen Terroranschlag]. | |
| Viele tausend Menschen sind an diesem Montagabend zum Gedenken an das | |
| Südufer der Themse geströmt, genau da, wo die Skyline gegenüber am | |
| aufregendsten ist: bunt zusammengewürfelte Hochhäuser der City wie ein | |
| explodierender Legokasten; die in sich ruhenden mittelalterlichen Gemäuer | |
| des Tower of London; die majestätische Tower Bridge mit ihren beiden | |
| Wachtürmen über dem Wasser. | |
| Auf der Südseite das Londoner Rathaus, eine spektakuläre Glasknolle, um die | |
| Ecke die Dauerbaustelle um den Bahnhof London Bridge, wo sich die einst | |
| schmuddelige Südlondoner Innenstadt gerade neu erfindet. Der Ort der | |
| Terroranschläge vom Samstag, abgesperrt, liegt nur wenige hundert Meter | |
| entfernt. | |
| ## Buntes Gedenken | |
| Die vielen Menschen sind einem Aufruf des Londoner Bürgermeisters gefolgt: | |
| Sadiq Khan, Labour-Politiker, Muslim aus Südlondon. Es ist eine Menge so | |
| bunt wie London selbst. Viele tragen Blumen. In Anzügen kommen | |
| Büroangestellte auf dem Heimweg, unter Regenschirmen wischen Touristen ihre | |
| Smartphones. Polizisten in leuchtend gelben Westen wachen, Gewehre im | |
| Anschlag. Hier sammeln sich Sikhs mit ihren Turbanen, dort orthodoxe Juden | |
| in schwarzen Hüten. | |
| Eine Gruppe Ahmadi-Muslime aus Indien in blauen T-Shirts mit der Aufschrift | |
| „I'm A Muslim, Ask Me Anything“ (Ich bin Muslim, du kannst mich alles | |
| fragen) wartet, dass jemand sie was fragt. Der Platz füllt sich, am Uferweg | |
| ist längst kein Durchkommen mehr. Aber niemand drängelt, niemand regt sich | |
| auf. Geduldig und höflich wogt die Menge auf und ab, im Halbkreis um den | |
| Vorhof des Rathauses. | |
| Wer dunkelhäutig ist und einen Bart trägt, muss damit rechnen, angehalten | |
| und verhört zu werden – von den unzähligen TV-Crews aus aller Welt, die | |
| unbedingt echte Londoner Muslime vor der Kamera brauchen. Ja, er sei von | |
| hier, sagt einer ins Scheinwerferlicht. Nein, er habe den Anschlag nicht | |
| selbst miterlebt. [2][Doch, solche Gedenkfeiern wie jetzt seien „total | |
| wichtig“], denn „sie zeigen, was London ist“: eine tolle Stadt, in der | |
| jeder eine Chance hat. Er spielt seine Rolle perfekt. Die Journalistin | |
| dreht zufrieden ab. Der Interviewte dreht sich zu seinem Freund und grinst: | |
| „Ich werde jetzt in Norwegen berühmt!“ | |
| ## Schneller als gedacht | |
| [3][Das Gedenken selbst ist kurz]. Vor der hinreißenden Kulisse der Tower | |
| Bridge steht Bürgermeister Sadiq Khan auf einem Podest mit Würdenträgern | |
| und spricht wenige, aber klare Worte, immer wieder von Applaus | |
| unterbrochen. „Ihr werdet nicht siegen!“ ruft er, [4][an die Adresse der | |
| unsichtbaren Terroristen gerichtet.] „Als patriotischer britischer Muslim | |
| sage ich dies: Ihr verübt diese abscheulichen Taten nicht in meinem Namen. | |
| Ihr werdet es nie schaffen, diese Stadt zu spalten.“ | |
| Besonderer Beifall brandet auf, als er „die mutigen Londoner lobt, die ihr | |
| Leben für andere riskierten“: „Ihr seid die Besten.“ Dann schließt er m… | |
| dem Bekenntnis, den Terror zu besiegen. Und am Ende eine Schweigeminute. | |
| Das war's. | |
| „War's das schon?“ fragt die Sicherheitsfrau, die darauf achtet, dass sich | |
| nur akkreditierte Journalisten mit blauem Bändchen am Handgelenk durch die | |
| Absperrung zwängen. „Schneller als beim letzten Mal“, flachst ihr Kollege. | |
| Der Gewöhnungseffekt kommt schnell, der Feierabend noch schneller. Am Ende | |
| kommt noch eine Reporterin angehastet, Bändchen am Handgelenk und | |
| Französisch am Smartphone, und will unbedingt durch. Sie hat gar nicht | |
| gemerkt, dass es schon vorbei ist. | |
| 6 Jun 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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