| # taz.de -- „Gegen Trump“ von Naomi Klein: Verrutschte Maßstäbe | |
| > Globalisierungskritikerin Naomi Klein analysiert treffend Trumps | |
| > Schock-Politik. Ihre Suche nach Strategien des Widerstands ist weniger | |
| > überzeugend. | |
| Bild: Naomi Klein im September 2015 | |
| Als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, erkannte Naomi Klein ihn | |
| wieder. Wie das Monster des Frankenstein erschien er ihr: zusammengenäht | |
| aus vielen gefährlichen Trends des Kapitalismus – Trends, über die Klein | |
| schon seit Jahrzehnten schreibt. In nur wenigen Monaten entstand ihr neues | |
| Buch, „Gegen Trump“. Ihr Buch argumentiert, dass Trump nicht eine | |
| Ausnahmeerscheinung, sondern eine logische Folge des Kapitalismus, wie er | |
| seit gut 50 Jahren praktiziert wird, ist. | |
| Kleins Buch bietet einleuchtende Erklärungen für das Phänomen Donald Trump. | |
| So hält Naomi Klein den ersten Teil ihres Untertitels, „Wie es dazu kam und | |
| was wir jetzt tun müssen“, eindrucksvoll ein. Der zweite Teil ist dafür | |
| umso enttäuschender: Die Klarheit der Analyse weicht vagen und allgemeinen | |
| Ideen zur Bekämpfung der neoliberalen Ausbeutung. Wer Naomi Kleins Werk | |
| verfolgt hat, wird viel wiedererkennen – wie Klein selbst auch zugibt. Der | |
| Aufstieg Trumps hat ihr Gelegenheit geboten, die Themen ihrer bisherigen | |
| Bücher zusammenzudenken. | |
| Trump ist eine jener Megamarken, wie sie Klein in „No Logo“ beschrieben | |
| hat. Schon lange produzieren Sportlabels ihre Turnschuhe nicht mehr selbst | |
| – ihr Beitrag ist das Firmenlogo, das groß auf die Schuhe gedruckt wird. | |
| Mit präzise ausgerichteter Werbung erzeugen sie ein Lebensgefühl, das sie | |
| mit ihren Produkten verkaufen: Wer sich sportlich fühlen will, muss nicht | |
| etwa Sport machen, sondern diese Marken kaufen. | |
| Dieses Prinzip nutzt auch Trump: Bauprojekte tragen oft seinen Namen, ohne | |
| dass er beteiligt wäre. Trump inszeniert sich als reich und verkauft das | |
| Lebensgefühl, reich zu sein: In Trump-Wohnungen, -Hotels, -Steaks, -Flügen | |
| und -Universitätskursen. Aus dieser Logik ist die Präsidentschaft die | |
| letzte naheliegende PR-Aktion, schreibt Klein: „Das hohe Amt ist nichts | |
| anderes, als die krönende Verbreiterung seiner Markenbasis.“ | |
| ## Ist das überhaupt noch ein Skandal? | |
| Trump ist zugleich selbst Schock als auch Agent der „Schock-Strategie“, wie | |
| Klein sie in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben hat. Gesellschaften | |
| lassen sich nach einem tiefen Schock, wie einem Krieg oder einer | |
| Naturkatastrophe, leichter ausbeuten, beobachtete sie dort. In Pinochets | |
| Chile, Russland nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und in vielen | |
| anderen Beispielen kam diese Strategie zum Tragen: Inmitten eines Umbruchs, | |
| wenn die Bevölkerung tief verunsichert ist, wird der Gemeinbesitz an | |
| Privatpersonen und Konzerne verscherbelt. Die Schock-Strategen versprechen | |
| Demokratie und Freiheit, tatsächlich bringen sie aber zur Durchsetzung der | |
| Privatisierung autoritäre Herrschaft mit sich. | |
| Trumps ständige Provokationen verzerren Maßstäbe: Wenn ein US-Präsident | |
| Folter für in Ordnung hält, ist es dann noch ein Skandal, dass er die | |
| Krankenversicherung abschaffen und eine rassistische Einwanderungspolitik | |
| einführen will? Kann man in einem Dauerfeuer von Skandalen leben, ohne | |
| abzustumpfen? Zugleich ist Trumps Kabinett voller „Schock-Strategen“. Auch | |
| hier verliert man einen Sinn für Maßstäbe: Wenn ein Klimawandelleugner das | |
| Klimaressort leitet und ein Ölboss das Außenministerium – ist es dann noch | |
| ein Skandal, dass Trump seine wirtschaftlichen Interessen nicht offenlegt? | |
| Zum Ende des Buchs versucht Klein dieses Verrutschen der Maßstäbe und die | |
| Lähmung durch den Dauerskandal Trump zu durchbrechen. Sie verweist auf | |
| Bewegungen in zahlreichen Ländern, die erfolgreich der Schock-Strategie die | |
| Stirn boten – doch viele der Beispiele fühlen sich beschönigend an. | |
| Ist ein „Airbnb für Flüchtlinge“ in Deutschland wirklich ein Zeichen von | |
| Hoffnung, obwohl es einen rassistischen Backlash gibt? Ist die Niederlage | |
| Marine Le Pens in Frankreich wirklich ein Sieg – oder sind die vielen | |
| Stimmen für sie bereits eine Niederlage? Dass nach dem „Nein“ gegen Trump | |
| ein „Ja“ für eine bessere Welt kommen muss, dass diese auf der Fürsorge | |
| füreinander und für die Umwelt basieren muss, bleiben kaum entwickelte | |
| Slogans. | |
| 30 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Lalon Sander | |
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