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# taz.de -- Plädoyers im NSU-Prozess: Das Ende ist noch nicht in Sicht
> Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess zieht sich hin. Und
> die Opferanwälte wollen knapp 60 Stunden lang Schlussworte halten.
Bild: NSU-Prozess: Oberstaatsanwältin Anette Greger (Mitte) hielt am Donnersta…
München taz | Stunde um Stunde reiht Anette Greger Details aneinander.
Jedes vervollständigt das Bild des NSU-Terrors. Alle zehn Morde lässt die
Anklägerin noch einmal Revue passieren. Greger schildert, wie die Mörder
ihren Opfern aus kürzester Distanz in die Gesichter schossen. Wie diese,
wenn nicht gleich tot, an ihrem Blut erstickten. Wie die Täter einige der
Sterbenden noch fotografierten. Und sie später in ihrem Bekennervideo
verhöhnten.
Der Donnerstag, Verhandlungstag 376, ist der dritte Tag des Plädoyers der
Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess. Und er wird zu einer Chronik des
Grauens, die minutiös alle NSU-Verbrechen nachzeichnet. Greger tut dies in
ruhigem Ton. Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte, starrt vor sich auf die
Anklagebank, regungslos, auch über Stunden. Nur ihre Daumen kneten
aneinander.
Klar wird an diesem Tag auch: Die Schlussphase des NSU-Prozesses wird noch
lange dauern. Es ist unwahrscheinlich, dass die Bundesanwaltschaft ihr
Plädoyer in den letzten beiden Verhandlungstagen vor der Prozesssommerpause
abschließt. Und danach wartet schon der nächste Marathon.
Denn inzwischen gaben 50 der 60 Opferanwälte bekannt, wie lange sie im
Prozess plädieren wollen: knapp 60 Stunden. 29 der Anwälte wollen sich in
Gruppen zusammentun, 21 alleine plädieren. Allein Mehmet Daimagüler,
Vertreter der Nürnberger Opferfamilien von Abdurrahim Özüdogru und İsmail
Yaşar, veranschlagt ein fünfstündiges Plädoyer. Auch einige Angehörige
selbst, etwa die Witwe und die Tochter des 2006 in Dortmund erschossenen
Mehmet Kubaşık, überlegen, am Ende des Prozesses noch einmal selbst das
Wort zu ergreifen.
## Bewusster Weg in den Terror
Nach den Nebenklägern folgen dann die Plädoyers der Verteidiger der fünf
Angeklagten. Auch die dürften noch einmal Wochen dauern. Erst danach kommt
es zum Urteil.
Greger betonte am Donnerstag derweil nochmals, wer für die NSU-Verbrechen
voll verantwortlich ist: Beate Zschäpe. Sie tauchte 1998 mit Uwe Böhnhardt
und Uwe Mundlos ab, obwohl ihr selbst keine große Strafe drohte. „Sie
entschloss sich ganz bewusst für den Weg in den Terror.“ Zschäpe habe
Zeitungsartikel zu den Taten gesammelt und an der Bekenner-DVD
mitgearbeitet.
Und sie war es, die am 4. November 2011, als sich Mundlos und Böhnhardt
schon erschossen hatten, den letzten Unterschlupf in Zwickau anzündete und
die Bekenner-DVDs verschickte. „Sie hätte einen Schlussstrich für sich
ziehen können“, sagt Greger. „Aber was machte sie? Sie versandte die
Botschaft ihrer Verachtung.“
Dass noch andere Täter, neben Zschäpe und den toten Böhnhardt und Mundlos,
für die NSU-Verbrechen infrage kämen, weist Greger vehement zurück. Anders
als vielfach spekuliert habe beim Mord an der Polizistin Michèle
Kiesewetter 2007 in Heilbronn die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für
Unterstützer oder Mittäter ergeben.
Dann teilt Greger gegen die Opferanwälte aus: Überhaupt nirgends habe sich
in Untersuchungsausschüssen „eine Existenz von rechten Hintermännern, die
einige Rechtsanwälte ihren Mandanten offenbar versprochen haben,
bewahrheitet“.
Von einer „Frechheit“ spricht daraufhin Sebastian Scharmer, Anwalt der
Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubaşık. Der Prozess und die
Ausschüsse hätten sehr wohl „zahlreiche Beweismittel“ für Unterstützer …
NSU erbracht. Es sei vielmehr die Bundesanwaltschaft, die gescheitert sei,
diese auch „angemessen“ zu ermitteln.
27 Jul 2017
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
Uwe Mundlos
Uwe Böhnhardt
Bundesanwaltschaft
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Rechtsextremismus
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Lesestück Recherche und Reportage
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