# taz.de -- Krieg im Irak: Auf der Suche nach Leben in Mossul | |
> Offiziell ist der IS in der einst bunten Metropole besiegt. Zögerlich | |
> trauen sich Überlebende aus den Trümmern. Reportage aus einer Apokalypse. | |
Bild: Einst eine der buntesten Metropolen des Irak, nun ein entvölkertes Grau:… | |
MOSSUL taz | Emad Tamo ist ein Greis im Körper eines Kindes. Seine Stirn | |
ist von Falten durchzogen. Die Wangen sind hohl, die Augen versinken in den | |
Höhlen. Ein Kind mit einem Totenkopf und einem Leib, der nur aus Knochen | |
und Haut besteht. Irakische Soldaten schütten Wasser über den Jungen, um | |
den Staub abzuwaschen. Einer schneidet ihm die verfilzten Haare. „Habibi“, | |
Liebling, flüstert der Schiit dem Jesiden ins Ohr. | |
Er lässt jede Strähne wie ein zärtlicher Vater durch die Finger gleiten. Da | |
stehen die Soldaten um das verhungernde Kind herum. Sie haben in einer der | |
härtesten Schlachten des 21. Jahrhunderts überlebt und sehen aus, als | |
verstünden sie die Welt nicht mehr. | |
Marino Andolina von der deutschen Hilfsorganisation Cadus hat an diesem Tag | |
schon zwei Kinder in Empfang genommen, die wie der junge Jeside mehr tot | |
als lebendig ankommen. Ein arabisch-sunnitisches Mädchen, acht Jahre, und | |
einen zehnjährigen Kurden. „Sind sie schmutzig und am Verhungern, bedeutet | |
das immer IS“, sagt der italienische Kinderarzt. Damit meint er, dass die | |
Kinder aus Mossuls Altstadt kommen. | |
Es ist der Teil der zerstörten Millionenstadt, aus dem der „Islamische | |
Staat“ noch immer nicht vertrieben ist. Mossul, das war einmal eine | |
multikulturelle Metropole. Im Juni 2014 kam der IS, er sollte drei Jahre | |
lang bleiben. Der Kampf um Mossul begann im Oktober 2016, vor Tagen erst, | |
am 9. Juli, verkündete die irakische Regierung ihren Sieg. Und für die | |
Altstadt kann davon noch immer kaum die Rede sein. | |
## Eingemauert als menschliche Schutzschilde | |
Tausende, vielleicht zehntausende Zivilisten haben sich dort im Schutt | |
Gruben gegraben, um sich vor dem IS zu verstecken. Die Kämpfer der | |
Terrormiliz haben vor Wochen die Türen der Häuser zugeschweißt, um die | |
Einwohner zu menschlichen Schutzschilden zu machen. So sollten die | |
Luftangriffe der irakischen Armee und der Anti-IS-Koalition im Kampf gegen | |
den IS ein Blutbad unter Zivilisten anrichten. | |
Doch die Druckwellen der Detonationen führten dazu, dass Wände einstürzten | |
und einige der lebendig Eingemauerten entkommen konnten. Sie suchten in den | |
Trümmern oder unter der Erde ein Versteck vor den Bomben und den | |
Heckenschützen des IS. | |
Die Mütter und Väter verzichteten oft auf das Gras oder die verdorbenen | |
Lebensmittel, die sie nachts sammelten, und das Wasser, das aus lecken | |
Leitungen tropfte. Sie gaben ihren Kindern alles, was ess- oder trinkbar | |
ist. Als in der ersten Juliwoche die IS-Kämpfer aus weiten Teilen der | |
Altstadt verschwanden und die Luftangriffe auf die fast besiegte Miliz | |
abnahmen, krochen die Kinder aus den Verstecken und ließen die Leichen | |
ihrer verdursteten und verhungerten Eltern zurück. | |
Nachdem die irakischen Soldaten Emad Tamo vom Dreck befreit haben, tragen | |
sie ihn vorsichtig wie eine Kiste Gläser in eine Garage. Sie dient den | |
Cadus-Helfern als Feldlazarett. Noch Anfang Juli war die Front nur | |
eineinhalb Kilometer entfernt. Die Männer legen Emad Tamo auf eine Liege, | |
damit der Arzt ihn untersuchen kann. Andolina schätzt den geschrumpften | |
Leib des Kindes auf sieben Jahre. Der Junge sagt dem Übersetzer mit dünner | |
Stimme, er sei 15. | |
Der italienische Arzt ist nicht verwundert, dass er so danebengelegen hat. | |
Kein Licht, keine Nahrung, über Monate kaum Flüssigkeit – das bringt den | |
menschlichen Körper in einen Zustand, der nicht mehr durch das biologische | |
Alter bestimmt ist. | |
Der Arzt legt eine Infusion, damit der ausgetrocknete Körper Flüssigkeit | |
bekommt. Die gute Nachricht sei, dass ein Jeside die vom IS beherrschten | |
Gebiete lebend verlassen konnte. Der IS oder Daesh, wie die Iraker ihn | |
nennen, hatte die religiöse Minderheit zu lebenden Teufeln erklärt und | |
rottete sie aus, wo immer er konnte. Wie Emad Tamo überhaupt so lange in | |
Mossul überleben konnte? Eine gute Frage. „Wahrscheinlich hatte er eine | |
schöne Mutter“, sagt der Arzt. | |
## IS-Leute kontrollieren weiterhin Teile der Altstadt | |
Das Auftauchen des jesidischen Kindes Tage nach der offiziellen Befreiung | |
der Stadt durch die irakische Armee bedeutet für Andolina aber auch eine | |
schlechte Nachricht: Das Leiden der Kinder Mossuls ist noch lange nicht | |
vorbei. Der junge Jeside konnte nur gerettet werden, weil er im Gewirr der | |
Altstadtgassen irakischen Soldaten in die Arme gelaufen ist. | |
Trotz des verkündeten Regierungssieges kontrolliert der IS ja noch Teile | |
der Altstadt. Wie viele Kinder in den letzten umkämpften Vierteln ohne | |
lebende Verwandte noch in Verstecken hausen oder in diesem Moment aus ihren | |
Kilometer von jeder Hilfe entfernten Gruben kriechen, weiß niemand. | |
2000 bis 3000 Kinder brauchen im Sperrgebiet dringend Hilfe, um überleben | |
zu können, schätzt Andolina, „ich würde sofort hingehen, aber die Armee | |
lässt niemanden da rein“. Er streichelt dem Jungen über den frisch | |
geschorenen Kopf, über eine Kanüle tröpfelt eine Infusion in den kleinen | |
Arm. Das Kind starrt mit leerem und seelenlosem Blick an die Decke. | |
Das Leben kehrt zurück in die zerstörte Stadt, als wollte es dem Tod ein | |
Schnippchen schlagen. Wo noch vor Tagen geschossen und gestorben wurde, | |
öffnen erste Läden. In den Auslagen liegen Wäsche, Schuhe, Toilettenpapier | |
oder Rasierschaum – der ist besonders gefragt in der Zeit nach dem IS. Das | |
Leben macht in Mossul bescheidene Fortschritte. | |
Doch je näher man der noch immer umkämpften Altstadt kommt, desto reiner | |
ist die Stille. Von einem Block zum anderen verschwindet das Gedränge aus | |
Einheimischen und Vertriebenen von den Straßen, es macht der Menschenleere | |
Platz. Als wäre ein Tsunami über diesen Teil Mossuls hereingebrochen, der | |
alles Lebendige mit sich gerissen und von den Gebäuden nur Schuttberge | |
zurückgelassen hat. Alles am Straßenrand ist verbogen, verbrannt, | |
zersplittert, geborsten. | |
## Huckepack unter den Schüssen der Heckenschützen | |
Organischer Gestank hängt über der Altstadt. Alles verrottet – Müll, | |
verendete Tiere, die Leichen der Menschen, die hier einmal lebten. Bagger | |
versperren in manchen Straßen den Weg. Es heißt, sie würden die Toten in | |
die Bombenkrater schieben. Ein Hub Schutt hinein. Ein Massengrab. | |
Stefan Jarosch steuert den weißen Jeep der Organisation Cadus um die | |
metertiefen Krater herum. Fliegerbomben der Alliierten haben sie in den | |
Boden gesprengt und die Gebäude darüber pulverisiert. Jarosch fällt an | |
jedem Häuserblock eine Geschichte ein. Hier ist der verrückte Mann auf die | |
Soldaten zugelaufen, er war wohl so ausgetrocknet, dass er seinen Verstand | |
verloren hatte. Erschossen, weil die Iraker ihn für einen | |
Selbstmordattentäter hielten. | |
Und dort das Haus, in dem sich eine Familie vor dem IS versteckt hat. Die | |
Helfer nahmen die Halbverhungerten Huckepack unter den Schüssen der | |
Heckenschützen. | |
Jarosch fährt einen neuen Arzt aus Deutschland durch sein altes Revier. Der | |
Berliner Notfallmediziner Jarosch wird nach vier Wochen in Mossul mit | |
seinem Team demnächst aufbrechen, der Mainzer Arzt Gerhard Trabert kommt | |
und leitet für die nächsten zehn Tage das Lazarett in Mossul. Jarosch und | |
seine Helfer bleiben dicht dran am IS. Sie folgen der irakischen Armee in | |
die Stadt Tal Afar westlich von Mossul. Dort beginnt die nächste Operation | |
gegen die Dschihadisten. | |
## Kaum zu ertragendes Grau | |
Der Berliner Arzt steuert die zweite Feldklinik von Cadus in der Altstadt | |
an. Die Deutschen flicken dort mit den Ärzten des irakischen Militärs | |
Zivilisten, Soldaten und IS-Kämpfer zusammen, bevor die Armee die | |
Verwundeten in ein ordentliches Krankenhaus bringt. Cadus hat in den | |
vergangenen Wochen erwogen, die Zusammenarbeit mit der irakischen Armee zu | |
beenden. | |
Jarosch erzählt, wie er einen IS-Kämpfer behandeln wollte, dann schleppten | |
Soldaten den Verwundeten von der Liege. „Sie verschwanden mit ihm hinter | |
dem Haus. Dann hörte ich zwei Schüsse. Die Soldaten kamen ohne den Mann | |
zurück.“ Am Ende entschied sich Cadus zu bleiben, weil der Protest gegen | |
die Erschießung des IS-Kämpfers für die Helfer schließlich geringer wog als | |
das Recht der Zivilisten auf Überleben. | |
Cadus hat auf Facebook über die Tötungen berichtet. Die Organisation | |
glaubt, dass die irakische Armee zu abhängig von den deutschen Helfern sei, | |
um sie dafür aus dem Land zu werfen. „Aber wir müssen ein Stück weit mit | |
den Bedingungen umgehen, die wir vorfinden“, sagt Jarosch. Es klingt, als | |
wolle er sagen, dass es im Krieg nie Schwarz oder Weiß gibt. Nur ein | |
bisweilen kaum zu ertragendes Grau. | |
Jarosch tritt vor dem Feldlazarett in der Altstadt auf die Bremse. Ein | |
Krankenwagen versperrt die Straße. Irakische Soldaten tragen einen | |
Verwundeten in einer Decke zum Wagen. Aus dem Tuch tropft Blut. Der einzige | |
Ort, an dem in der Altstadt von Mossul Leben gerettet wird, ist so groß wie | |
ein irakisches Ladengeschäft. Genau das war das Lazerett auch vor der | |
Schlacht, eine Metzgerei, um genau zu sein. An der Wand noch die | |
Fleischerhaken, vor dem Kampf hingen hier Rinderhälften. | |
## Nur 300 Meter bis zur Front | |
Der Militärarzt Ahmad Hasham und sein Kollege Fuad Jassem von der 9. | |
Division der irakischen Armee ruhen sich auf Klappstühlen aus, als der | |
Verwundete abtransportiert ist. Wer ihnen zuhört, hat nicht den Eindruck, | |
dass die Schlacht um Mossul wirklich vorbei ist. | |
Von Westen her dringen IS-Kämpfer wieder in die Stadt ein, sagt Hasham, | |
„300 Meter von hier beginnt die Front“. Mit einem Tuch wischt er sich | |
Schweiß von der Stirn. Wie viele Zivilisten der IS noch oder schon wieder | |
unter seiner Kontrolle hat, kann er nicht sagen. Verwundete IS-Kämpfer | |
würden selbstverständlich auch erstversorgt und dann der irakischen Armee | |
übergeben, sagt er. | |
Was danach mit ihnen geschieht? „Das ist nicht unsere Sache“, sagt sein | |
Kollege Jassem. Ohnehin sei es nicht einfach, die IS-Kämpfer von den | |
Zivilisten der Stadt zu trennen, „wir haben wenig Vertrauen in Zivilisten“. | |
Kämen Zivilisten in das Feldlazarett, hätten die Ärzte Angst, dass sie in | |
Wahrheit Dschihadisten seien. „Wir haben Sanitäter verloren, weil ein | |
angeblicher Zivilist dann doch einen Sprenggürtel gezündet hat“, sagt Major | |
Jassem. | |
Stefan Jarosch drängt zum Aufbruch. Mit einem Handschlag verabschiedet er | |
sich von den irakischen Kollegen, knufft den einen in die Seite, haut dem | |
anderen auf die Schulter. Als er wieder im Jeep sitzt, verrät er, dass der | |
Austausch von Freundlichkeiten auch Mittel zum Zweck ist. Die | |
Zusammenarbeit sei nicht nur wegen der Tötung des verletzten IS-Kämpfers | |
spannungsreich. | |
Die Ärzte und Sanitäter der irakischen Armee hätten den Auftrag, ihre | |
eigenen Soldaten wieder kampffähig zu machen. „Die Behandlung von Soldaten | |
geht für die Iraker der Rettung von Zivilisten vor“, sagt Jarosch. | |
## Am Leben durch Leichtsinn | |
In der ehemaligen Metzgerei reichte der Platz einst für eine Fleischtheke. | |
Nicht einmal eine Handvoll Liegen stehen jetzt im einzigen Feldlazarett im | |
Kampfgebiet. Im Zweifel müssen die Deutschen und die Iraker darum streiten, | |
wer länger lebt und wer früher stirbt. | |
Auf Plakaten in den zurückeroberten Gebieten mag die irakische Armee dafür | |
werben, dass alle Iraker nun eins seien. In den Köpfen der Soldaten und | |
ihrer Kommandanten sieht es nach Monaten des Kampfes anders aus. Die | |
IS-Kämpfer bleiben der Feind, der 2014 aus dem Nichts kam und von der | |
sunnitischen Bevölkerung Mossuls mit Jubel empfangen wurde. Wer kann schon | |
ausschließen, dass die Dschihadisten immer noch wie Fische im trüben Wasser | |
schwimmen? | |
Das Leben, das dem Tod in Mossul ein Schnippchen schlägt, ist ein | |
leichtsinniger Genosse. Auf der Fahrt aus der Altstadt rollt der Jeep an | |
zwei jungen Männern vorbei. In Jeans und bunten T-Shirts wirken sie im | |
entvölkerten Grau der ausgelöschten Altstadt wie Statisten aus einem | |
postapokalyptischen Film. | |
Die beiden Männer klauben Metallteile aus dem Schutt auf und schneiden | |
Kabel von umgeknickten Strommasten ab. „Wahnsinn! Hier liegen doch überall | |
Minen oder Blindgänger“, sagt Jarosch und tritt fester aufs Gaspedal. Ein | |
Block weiter gewinnt der Tod in der Altstadt wieder an Terrain. Ein Mann | |
kniet vor einem anderen, der Stehende hält dem Knieenden ein Pistole an die | |
Schläfe. Wieder gibt Jarosch Gas. | |
## Frauen halten den Ärzten ihre hohlwangigen Kinder hin | |
Als der Jeep vor der Garage außerhalb der Altstadt hält, die Cadus als | |
Stützpunkt dient, ist die Schlange der Patienten lang. Stefan Jarosch und | |
sein Nachfolger Gerhard Trabert haben keine Zeit, erst einmal anzukommen. | |
Jarosch zündet sich eine Zigarette an, auf den paar Metern vom Jeep zur | |
Garage raucht er sie auf. Frauen in schwarzen Schleiern halten den Ärzten | |
ihre hohlwangigen Kinder hin. Trabert stellt bei allen Kindern Zeichen von | |
Unterernährung fest. Die Kleinen essen nichts mehr, posttraumatischer | |
Stress. | |
Es ist schwierig, mit den Zivilisten ins Gespräch zu kommen. Es herrscht | |
ein Schweigen, das tief in die Seele reicht. Wer Fragen stellt, bekommt | |
knappe Antworten von Menschen, die keine Gefühle mehr zu haben scheinen. | |
Sie erzählen, wie sie dem IS entkommen sind und nun bei Verwandten in den | |
sicheren Zonen Mossuls leben. Ihre Häuser, ihr Besitz, alles ist | |
verschwunden unter zerborstenem Beton. | |
Über die irakische Armee oder die gefürchtete Schiiten-Miliz Hashd | |
al-Shaabi verliert niemand ein böses Wort. „Sie sind nicht so, wie der IS | |
uns erzählt hat. Sie helfen uns“, sagt der 18-jährige Ahmed Rakan. Weder er | |
noch irgendjemand in seiner Familie habe jemals Sympathien für die | |
Dschihadisten gehabt, „das sind Monster“. Monster, die aus Ramadi oder | |
Tikrit kämen, natürlich nicht aus Mossul selbst. Niemand wolle es nun | |
gewesen sein, sagt Stefan Jarosch dazu, „wir Deutschen wissen doch, wie das | |
läuft“. | |
## Der Verletzte vom IS | |
Ahmed Rakan wird nur wenig später widerlegt, als irakische Soldaten einen | |
jungen Mann in das Feldlazarett tragen. Der Verletzte stöhnt vor Schmerzen, | |
um seinen linken Arm trägt er einen schmutzigen Verband. Aufregung macht | |
sich unter den Männern in der Garage breit: Der Verletzte ist ein | |
IS-Kämpfer. Da liegt er nun vor ihnen, der Gotteskrieger. Er lässt sich von | |
Ungläubigen behandeln, während auf der anderen Seite des Raums der | |
Jesidenjunge mit leerem Blick an die Decke starrt. Irakische Soldaten | |
umringen das Krankenlager des Dschihadisten, sie stehen den Ärzten im Weg. | |
Es sei ein Wunder, dass sie den Mann versorgen lassen, statt ihn an | |
irgendeinem Straßenrand zu erschießen, sagt ein Cadus-Helfer. Jarosch und | |
seine Leute spritzen dem Dschihadisten ein Schmerzmittel, bevor sie seinen | |
Verband wechseln. Trotzdem schreit der Mann, als Jarosch den Mull löst. | |
Stunden später wird klar, warum der IS-Kämpfer noch am Leben ist. Er sei | |
ein Neffe des Sicherheitschefs der Dschihadisten, erzählen die Iraker. Er | |
soll Antworten geben. Der Mann stamme aus einer Mossuler IS-Familie. | |
## Das Opiat löst dem IS-Kämpfer die Zunge | |
Es braucht Geduld, auf den richtigen Moment zu warten, an dem man dem | |
IS-Kämpfer Fragen stellen kann. Ein Cadus-Helfer gibt vor, er müsse den | |
Patienten mit einem Teamkollegen aus medizinischen Gründen interviewen. Der | |
junge Mann ist betäubt von Tramadol. Das Opiat mag ihm das Bewusstsein | |
nehmen, dass er überhaupt noch am Leben ist. Es löst ihm auch die Zunge. | |
Abdulrahman al-Hadidi heiße er, 25 Jahre. Vor eineinhalb Jahren sei er | |
IS-Kämpfer geworden, weil der Onkel es so wollte. | |
Was könnte dieser Mann alles erzählen, über den IS, darüber, was er nun, | |
nach der Niederlage, fühlt. Aber die Soldaten schauen schon unruhig | |
herüber. Noch eine letzte Frage: Hat er Mitleid mit dem Jungen am anderen | |
Ende der Garage. Ja, sagt er. „Hätte ich gewusst, was aus Mossul wird, | |
hätte ich mich geweigert, zum IS zu gehen. Aber jetzt ist es zu spät.“ Ob | |
er damit sich selbst meint oder die in Trümmern liegende Stadt? | |
Das Leben in Mossul unterschätzt zu oft seinen Gegner. Am Nachmittag tragen | |
Soldaten zwei Männer in das Feldlazarett. Sie haben Jeans und bunte Hemden | |
an. Der eine hat eine tiefe Wunde am Fuß. Er ist der Glückliche der beiden. | |
Dem anderen fehlt ein Teil des rechten Oberschenkels. In seiner Brust | |
klafft ein tiefes Loch. | |
Jarosch und seine Helfer legen eine Drainage in die verletzte Lunge, saugen | |
Blut ab, es läuft über den Boden der Garage. Er kommt nicht durch, heißt | |
es. Der Raum füllt sich mit Ärzten und Sanitätern. Eine Stunde später ist | |
der Mann so stabilisiert, dass er in ein Krankenhaus transportieren werden | |
kann. Es gibt noch Hoffnung in dieser Stadt der Toten. | |
20 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Cedric Rehman | |
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